Er lebe hoch, der tote Lumpenprolet!
Seite 2: Der Verlierer als Held der Linken
- Er lebe hoch, der tote Lumpenprolet!
- Der Verlierer als Held der Linken
- Warum Arno Dübel ein besseres Leben verdient hätte
- Auf einer Seite lesen
Eine gewisse Gewohnheit hat man unter Linken bereits, die Konkurrenzverlierer zu sanften Helden eines imaginierten Widerstands gegen die Unzumutbarkeiten des Kapitals umzuinterpretieren, freilich mit dem gerne hingenommenen Nebeneffekt, dass der arbeitslose Pöbel auch weiterhin Ruhe gibt und nicht aufbegehrt.
Solange die Verlierer nicht allzu aufmüpfig werden und den liberalen Konsens in Frage stellen – wie das etwa Gelbwesten-Demonstranten, Aufrüstungskritiker oder sogenannte Hasstrolle im Internet tun –, werden sie gemocht.
Hierin, wie auch in der Verachtung der Arbeit, trifft sich die linke Romantik mit der bürgerlichen Romantik: Dass die Arbeit den Menschen erst zum Zivilisierten macht, hat nicht Elon Musk oder sonst ein Arno Dübel für Reiche gesagt, sondern Friedrich Engels. Und sicher hatte auch Arno Dübel in dieser auf Arbeitszwang beruhenden Gesellschaft auf seine Weise tagtäglich zu "arbeiten", freilich ohne Lohn dafür zu bekommen.
Ein Großteil der auch aus bürgerlich-liberalen Kreisen stammenden, ehrend gemeinten Nachrufe auf Dübel dürften ihre Ursache in der Vorstellung von einem romantisierten Arbeitslosenleben haben, in denen die Gruppe der Arbeitslosen lediglich, wie Christian Baron es in seinem Buch "Proleten, Pöbel, Parasiten" formulierte, "eine abstrakte Referenzgruppe" darstelle, von deren Lebensrealität vor allem die akademische Linke keinen blassen Schimmer habe.
Dem Marxismus war jedenfalls von Beginn an klar, dass Arbeitslose – bei Marx: Die "industrielle Reservearmee" – im Sinne des Arbeitsmarktprinzips eine in ihrem Gesamtwert nicht zu unterschätzende "Arbeit" leistet – wie etwa die, als ideologische Begründung für ständige Lohndrückerei zu dienen.
Forderten Marxisten früher noch das Recht auf eine den individuellen Fähigkeiten und Bedürfnissen gemäße Arbeit für alle, begnügen sich ihre heutigen Karikaturen mit der Verehrung einzelner Reservearmisten des Arbeitsmarktes.
Diese haben, um diesem heute gerne angebrachten Vorurteil entgegenzutreten – auch wenn sie offiziell als "Unbrauchbare", Nicht-mal-mehr-Ausgebeutete oder "Surplus-Bevölkerung" gelten mögen – von ihrer objektiven Funktion nichts eingebüßt.
Sie müssten, wenn man auch nur den Hauch eines materialistischen Verständnisses der bestehenden gesellschaftlichen Zustände hätte, sehr wohl als – sogar eine der brutalsten – Formen von Ausbeutungsopfern anerkannt werden.
Denn nur, weil sich der Arbeitslose, der sich, notwendig krank werdend, nur noch als halbmobiles Staatsinventar zum Zwecke der Konsum- und Profitsteigerung eignet, werden in seiner Reduktion auf Konsum und damit allgemeine Passivität (oder, im besten Falle, Pseudoaktivität, also gesellschaftlich irrelevantes, privates Herumwerkeln) seine menschlichen Qualitäten trotzdem ausgebeutet.
Man muss sich also den Arbeitslosen als Ausgebeuteten vorstellen, wenn man es mit den Kategorien des Klassenkampfs halten will, denn der Entzug von sozial wirksamer Tätigkeit ist nicht weniger menschenfeindlich als der Zwang zu ihr.
Der diesen Vorstellungen entsprechende Vorzeigearbeitslose Arno Dübel, der dem "sanften Despotismus" (Alexis de Tocqueville) des Staates mit der ebenso sanften Rebellion des nur noch halben Staatsbürgers begegnet, entspricht den Erwartungen an den Staatsbürger in dieser Form des Despotismus und widersteht ihr mitnichten.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.