Erdgas-Drama: Wie Amerikas Zögern Europa in die Energiekrise stürzt
US-Präsident Bidens Entscheidung, Bau von LNG-Terminals zu stoppen, stellt Europa vor unsichere Zukunft. Steigende Energiepreise drohen, Wirtschaft zu lähmen.
Mit bangen Blicken schaut die europäische Wirtschaft nach Übersee. US-Präsident Joe Biden hat kürzlich die Genehmigung von Anlagen für den Export von Flüssigerdgas auf Eis gelegt. Die Europäer, aber auch Wirtschaftsvertreter aus Japan fürchten nun steigende Energiepreise, die sich lähmend auf das Wachstum auswirken könnten.
Europas Angst vor Energieknappheit
In einem gemeinsamen Brief an das Weiße Haus haben die US-Handelskammer, BusinessEurope und Nippon Keidanren jetzt versucht, Biden umzustimmen. "Zahlreiche Prognosen gehen davon aus, dass die weltweite Nachfrage nach Erdgas bis weit ins nächste Jahrzehnt hinein steigen wird", heißt es in dem Papier, aus dem Bloomberg zitiert.
Das US-Energieministerium hatte am Freitag mitgeteilt, es habe die Genehmigungen gestoppt. Es solle geprüft werden, wie sich LNG-Exporte auf den Klimawandel, die Wirtschaft und die nationale Sicherheit auswirken.
Damit beugt sich die Biden-Administration dem Druck von Klimaschützern und demokratischen Abgeordneten. Sie betonten, dass der Bau neuer LNG-Infrastrukturen die Verbrennung von Erdgas für Generationen sichern würde, während die US-Regierung den Ausstoß von Treibhausgasen reduzieren will.
Kanadas LNG-Projekte: ein neues Problemfeld?
Zum Leidwesen europäischer und asiatischer Verbraucher könnten nun auch LNG-Projekte in Kanada auf der Kippe stehen. Dort erhöhen Umweltgruppen den Druck auf die Provinzregierung von British Columbia und die kanadische Zentralregierung, berichtet Reuters.
In British Columbia finden im Oktober Wahlen statt. Die neue Provinzregierung muss entscheiden, ob sie die schwimmende Exportanlage von Ksi Lisims genehmigt. Es wäre das zweitgrößte LNG-Terminal in Kanada und hätte eine Exportkapazität von zwölf Millionen Tonnen pro Jahr. Auch die Bundesregierung in Ottawa muss der Anlage zustimmen.
In einem Wahljahr werde die Anlage "sicherlich ein Thema sein", sagte Julia Levin, stellvertretende Direktorin für nationales Klima bei Environmental Defence, laut Reuters. "Es stimmt, dass die meisten großen LNG-Projekte bereits genehmigt sind, aber es gibt viele Möglichkeiten, Projekte zu stoppen, auch wenn sie schon genehmigt sind."
In Kanada haben es die Klimaschützer allerdings schwerer. Im Gegensatz zu Joe Biden haben sich die führenden Parteien nicht für ein Umdenken in der Energiepolitik ausgesprochen. In British Columbia unterstützen sie den Bau von LNG-Terminals.
Allerdings sollen die Anlagen in der kanadischen Provinz ihre Energie nicht aus Erdgas, sondern aus Wasserkraft gewinnen. Das würde die Umweltbelastung im Vergleich zu US-Terminals deutlich reduzieren.
Zudem ist in British Columbia gesetzlich vorgeschrieben, dass neue LNG-Terminals bis 2030 emissionsfrei sein müssen. Dies bezieht sich jedoch nur auf den Betrieb der Anlagen. Emissionen, die in der Lieferkette oder nachgelagert entstehen, werden nicht berücksichtigt.
Die versteckte Gefahr: Methanemissionen
Methanemissionen stellen bei der Erdgasförderung ein erhebliches Problem dar, wie Untersuchungen in den USA gezeigt haben. Die Auswertung von Satellitendaten ergab, dass beim Fracking rund 4,6 Prozent des Gases in die Atmosphäre entweichen. Da Methan, der Hauptbestandteil von Erdgas, 80-mal klimaschädlicher ist als Kohlendioxid, wird der fossile Rohstoff letztlich schmutziger als Kohle.
Die Internationale Energieagentur (IEA) in Paris hat im vergangenen Jahr prognostiziert, dass die Nachfrage nach Öl und Gas im Jahr 2030 ihren Höhepunkt erreichen wird. Würden alle geplanten LNG-Terminals gebaut, gäbe es dann Überkapazitäten auf dem Markt.
Europas Dilemma: Abhängigkeit von LNG-Importen aus den USA
Werden die Anlagen jedoch nicht gebaut, stehen die Europäer vor einem Dilemma. Zum einen steigt kurzfristig der Wettbewerbsdruck, da die Nachfrage nach LNG in Asien zunimmt. Zum anderen möchte man gern aus geopolitischen Gründen auf Erdgas aus Russland verzichten.
Schon bevor die US-Regierung die Genehmigungen stoppte, hätte die wachsende Abhängigkeit von amerikanischem LNG den Europäern zu denken geben müssen, so Bloomberg. Innerhalb kürzester Zeit konnten US-Unternehmen einen beträchtlichen Teil des europäischen Marktes erobern und die verbleibenden russischen Lieferungen in den Schatten stellen.
Heute machen Lieferungen aus den USA etwa die Hälfte aller europäischen LNG-Importe aus, und die USA sind nach Norwegen zum zweitgrößten Gaslieferanten geworden. Es wird erwartet, dass ihr LNG-Anteil weiter steigen wird.
Warum LNG-Lieferungen aus den USA unsicher bleiben
Der französische Finanzminister Bruno Le Maire warnte in der Vergangenheit vor einer Abhängigkeit von LNG-Lieferungen aus den USA. Sie fördere "die wirtschaftliche Dominanz der USA und eine Schwächung Europas". Doch auf seine Worte hörte man in Europa nicht.
Denn der Großteil der europäischen LNG-Lieferungen wird über den volatilen Spotmarkt abgewickelt, wo die Preise starken Schwankungen unterliegen.
Nicht nur können die Lieferungen leicht auf andere Ziele umgelenkt werden, etwa wenn die Nachfrage in Asien steigt und höhere Preise verlangt werden können. Europa wäre auch anfälliger bei technischen Problemen in US-Terminals oder bei Anlagenausfällen durch Hurrikane, die in Zukunft häufiger auftreten dürften.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.