Erdgasfund in der Ägäis

Fördergebiete südlich von Zypern. Bild: totalenergies.com

Werden neue Vorkommen zum Wendepunkt der EU-Energiekrise? Appell aus USA an Zypern und besetzten Nordteil. Gas soll zur Vermarktung nach Ägypten transportiert werden.

In der ausschließlichen Wirtschaftszone Zyperns sind unlängst vielversprechende Erdgasvorkommen gefunden worden. Ein Konsortium aus dem italienischen ENI-Konzern und dem französischen Energieunternehmen Total hat in der vergangenen Woche den Fund eines Vorkommens von 2,5 Billion Kubikfuß (tcf) im Explorationsblock 6 bekanntgegeben. Mit tcf – englisch: "Trillion cubic feet" – werden fossile Erdgasvorkommen erfasst. Die Zone südlich Zyperns ist in 13 solche Blöcke eingeteilt.

Die Probebohrungen und seismischen Untersuchungen im 3.420 Quadratkilometer großen Terrain hatten im Mai dieses Jahres begonnen. Offenbar erhebt in diesem Fall, wie griechische Medien berichten, die Türkei keine Ansprüche auf die Vorkommen.

Das US-amerikanische Außenministerium bekräftigte indes das Recht Zyperns, die Vorkommen zu nutzen. Zugleich mahnte Washington an, dass beide Teile der Insel, die Republik Zypern und der türkisch besetzte Nordteil, ihre fossilen Verkommen gemeinsam und fair nutzen sollten.

Die 2,5 Billionen Kubikfuß, circa 90 Seemeilen südwestlich von Zypern, sind der fünfte Fund in der ausschließlichen Wirtschaftszone Zyperns, seit 2013 ein erstes Vorkommen ausgemacht worden war. Italien hat zum Schutz des Bohrschiffes ihre Kriegsmarine in die Region geschickt.

In Griechenland und Zypern löste die Nachricht über den Fund Euphorie aus. Die Energie- und Handelsministerin Zyperns, Natasa Pilidou referierte im staatlichen Sender ERT über einen realistischen Zeitrahmen zur Ausbeutung der Vorkommen ab den Jahren 2026 oder 2027:

Basierend auf den heute entdeckten Mengen bin ich der Meinung, dass das wahrscheinlichste Szenario ein der Transfer von Erdgas nach Ägypten ist.

Im von Pilidou angesprochenen Modell würde das Gas mit einer Pipeline nach Ägypten verschafft und dort gegebenenfalls für den Export mit Schiffen verflüssigt. In griechischen Medien wird zudem darüber diskutiert, dass die Funde vor Zypern dem auch aufgrund von Einwänden aus den USA vorläufig gescheiterten Projekt der Eastmed-Pipeline neues Leben einhauchen könnten.

Der zypriotische Energieexperte Charles Ellinas ist dagegen skeptisch. Ellinas äußert Verständnis für die Euphorie, mahnt aber Realismus an. Er betont, dass die aktuellen Funde in etwa dem Jahresverbrauch Ägyptens entsprechen würden. Positiv bewertet er, dass die bereits erfassten Funde insgesamt ein Potential von 13 tcf haben. Allerdings lägen diese Funde in verschiedenen Grundstücken, was den profitablen Abbau erschweren würde.

Für Ellinas ist zudem der Faktor Zeit entscheidend: Er sieht nicht, wie die aktuellen zypriotischen Gasvorkommen vor 2030 die Märkte wirksam entlasten könnten. Für ihn ist das Ziel der EU-Klimaneutralität, welches 2050 erreicht werden soll, diskussionswürdig. Er behauptet, dass die Klimaziele Abbauunternehmen fossiler Energieträger aktuell von einer Investition in den Abbau abschrecken würden. Warum sie trotzdem in der Ägäis forschen, begründet Ellinas so:

Diese Unternehmen haben einen langfristigen Horizont. Sie sind in vielen Teilen der Welt tätig und der Schlüssel zu ihrem Betrieb – und ihrem Marktwert – ist die erfolgreiche Exploration, um gesunde Reservenportfolios zu erhalten. Abhängig von den Marktbedingungen wählen und bereiten sie sie ihre vielversprechendsten Vorkommen vor warten mit den pbrigen, bis sie an der Reihe sind.

Ellinas geht davon aus, dass die Gasfunde vor Zypern zum Ende des aktuellen Jahrzehnts hin interessant werden – falls geopolitische Gründe nicht vorher den Abbau beschleunigen.