Erdogan – einziger Freund Russlands und der Ukraine

Der russische Präsident Wladimir Putin und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bei einem Treffen in Sotschi.Bild: kremlin.ru, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons

Die Türkei ist nicht zufällig Schauplatz der Vermittlungstreffen im Ukrainekrieg. Warum kam dennoch durch ihre Vermittlung nicht einmal ein Waffenstillstand zustande?

Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine hat die Türkei in eine sehr schwierige Lage gebracht. Ankara unterhält sowohl zu Moskau als auch zu Kiew freundschaftliche Beziehungen. Dementsprechend balanciert die türkische Regierung auch zwischen den Kontrahenten mit dem bisher erfolglosen Ziel eines Waffenstillstands.

Als Russlands Präsident Putin die sogenannte "Militäraktion" im Nachbarland ankündigte, verurteilte Erdogan das russische Vorgehen unmissverständlich. Er wies auch darauf hin, dass Ankara "den Kampf der Ukraine um ihre territoriale Integrität unterstützt".

Sein Außenministerium sekundierte ihm und bezeichnete das Geschehen als "grobe Verletzung des Völkerrechts" und eine "ernste Bedrohung der Sicherheit der Region und der ganzen Welt". Im Folgenden unterstützte die Türkei sowohl die gegen das russische Vorgehen gerichtete Resolution der Vollversammlung der UNO als auch das Ende der russischen Mitgliedschaft im UN-Menschenrechtsrat.

Das alles war für Moskau keine Überraschung. Die türkische Regierung hatte schon in den letzten Jahren deutlich gemacht, dass sie die russische Krim nie anerkennen wird und die Ukraine auch dabei unterstützt, NATO-Mitglied zu werden. Wie die eigene Regierung denkt auch die türkische Bevölkerung - laut einer Meinungsumfrage eines anerkannten Instituts verurteilten nach der Invasion 68,8 Prozent der Bevölkerung das aggressive Vorgehen des Kremls.

Wirtschaftliche Abhängigkeiten

Trotzdem gehört die Türkei nicht zur Speerspitze der westlichen Reaktionen auf den Ukrainekrieg. Den antirussischen Wirtschaftssanktionen schloss man sich gar nicht an und sperrte auch den eigenen Luftraum nicht für russische Flugzeuge. Ankara sieht solche Maßnahmen traditionell als unwirksames Instrument zur Durchsetzung außenpolitischer Forderungen.

Ankara ist sehr sensibel in Bezug auf die Wirtschaftsbeziehungen mit Russland. Die Krise der gegenseitigen Beziehungen von 2015 auf 2016 ist noch frisch im Gedächtnis. Von ihr wurden mehrere Sektoren der türkischen Wirtschaft hart getroffen, vor allem der Tourismus und die Landwirtschaft.

Die türkische Wirtschaftslage ist aktuell auch nicht sonderlich stabil. Die Inflation im Land erreichte Anfang Februar 50 %, ein Rekordwert der letzten 20 Jahre. 2021 besuchten 4,7 Millionen russische Touristen türkische Ferienorte, das sind 19 Prozent aller Gäste der Türkei. Allein in der ersten Woche des Ukrainekriegs gingen die Buchungen türkischer Hotels aus Russland um 70 Prozent zurück. Vor diesem Hintergrund sind auch Verhandlungen beider Länder über die Umstellung der Abrechnungen im Tourismusbereich auf die nationalen Währungen verständlich.

Auch eine größere Abhängigkeit der türkischen Wirtschaft von russischen Energielieferungen besteht. Bei Erdgas kommen 45 Prozent aus Russland, bei Öl 17 Prozent, bei Ölprodukten 40 Prozent. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hat deswegen bereits erklärt, auf absehbare Zeit auf russische Gaslieferungen nicht verzichten zu können. Zusätzlich kommen 80 Prozent der Getreideimporte der Türkei aus Russland und der Ukraine. Erdogan sucht dafür gerade Alternativen in Kasachstan, den USA und Kanada.

Unter Kriegsbedingungen leidet auch die Versorgung des russischen Marktes mit türkischen Waren. Exporte aus der Türkei in die Russische Föderation sind nach Auskunft der türkischen Zentralbank Ende März bereits um die Hälfte zurück gegangen.