Erfolgreicher Test für US-Raketenabwehrschild
Nach Angaben des Pentagon schoss am Samstag eine Rakete eine Sprengkopfattrappe ab, was den Aufrüstungsplänen der Bush-Regierung zumindest neue Legitimität geben dürfte
US-Präsident George W. Busch hat erhalten, was er zu seinen Aufrüstungsplänen notwendig benötigte: einen Erfolg beim vierten Test für das geplante Raketenabwehrschild. Gestern Abend hat, wie das Pentagon meldet, eine Rakete in einem "body-to-body-contact", wie so schön heißt, eine Sprengkopfattrappe getroffen und zerstört.
Vorsichtig sagte General Ronald Kadish freilich auf einer Pressekonferenz, dass die Zerstörung der Sprengkopfattrappe von allen Sensoren bestätigt worden sei und dass es noch zwei Monate dauern würde, bis alles analysiert worden sei. Einige der Ziele des Tests seien nicht erreicht worden, allerdings wollte er sich nicht genauer darüber äußern: "Kein Test ist perfekt." Kadish betonte, dass man so schnell wie möglich weitere Tests folgen lassen werde. Schon allein dieser einzige Test hat 100 Millionen US-Dollar gekostet. Präsident Bush hat für die Weiterentwicklung der National Missile Defence für 2002 8,3 Milliarden Dollar vorgesehen, die allerdings noch vom Kongress bewilligt werden müssen.
Wie vorgesehen scheint die vom Luftwaffenstützpunkt Vandenberg in Kalifornien abgeschossene Minuteman-II-Rakete, die den "exoatmosphärischen Abschusskörper" (EKV = exoatmospheric kill vehicle) mit sich führte, ihr Ziel getroffen zu haben (Neuer Test für das US-Raketenabwehrsystem NMD). 21 Minuten zuvor war in 7725 Kilometern Entfernung eine Rakete mit einer Sprengkopfattrappe vom Kwajalein-Atoll der Marshall-Inseln gestartet worden. Angeblich hat das EKV, das nach Ablösung von der Trägerrakete direkt die Sprengkopfattrappe in 230 Kilometer Höhe über dem Pazifik treffen musste, nur Daten der eigenen Systeme zur Lokalisierung des Ziels verwendet. Die Sensoren des EKV hätten, wie das Pentagon meldet, "erfolgreich das Ziel und nicht den großen Ballon identifiziert, der als Täuschungsattrappe fungierte".
Zumindest für die Bush-Regierung war dieser Erfolg erfreulich, nachdem von den drei vorhergehenden Tests nur der erste "erfolgreich" gewesen ist. Einmal sei im EKV eine Kühlleitung blockiert gewesen, das zweite Mal habe sich der EKV nicht von der Trägerrakete gelöst (Test für Raketenabwehrschild gescheitert). Dieses Mal gab es offenbar nur eine Verzögerung des Tests, die durch Greenpeace verursacht worden ist. Im Zuge ihrer Kampagne "Stop Star Wars" schafften es zwei Aktivisten zu einem Strand in der Nähe des Luftwaffenstützpunkts zu schwimmen, während von drei Booten im gesperrten Bereich Taucher starteten. Die Organisation hatte das Militär gewarnt, dass Menschen sich in der Nähe der Abschussrampe befinden. Vor einer Woche hatte Greenpeace die NSA-Lauschstation Menwith Hill in Großbritannien "besetzt", um gleichfalls gegen das Raketenabwehrschild zu protestieren (Greenpeace besetzt Star-Wars-Radarstation).
Besonders realistisch für eine wirkliche Bedrohung durch mögliche Interkontinentalraketen war dieser Test mit nur einem Täuschungsballon auch nicht. Falls tatsächlich eine feindliche Macht die USA mit solchen Raketen angreifen würde, kämen vermutlich Raketen mit vielen Sprengköpfen und Dutzenden von Attrappen zum Einsatz. Dann müssten nicht nur mehrere EKVs gleichzeitig gestartet werden, sondern die wenigen wirklichen Sprengköpfe in einer Wolke an Attrappen identifizieren. Kritiker bezweifeln, dass dies überhaupt wirklich zu realisieren ist.
Tom Collina von der Union of Concerned Scientists vermutet überdies, dass die Computer des EKV bereits mit den Infrarot-Umrissen der Sprengkopfattrappe und des Ballons vorprogrammiert waren, so dass beide leicht zu unterscheiden seien, was bei einem wirklichen Angriff natürlich nicht möglich wäre. Ein Sprecher der für die Tests zuständigen Ballistic Missile Defense Organization versicherte, dass die Systeme des EKV zwar wissen müssten, wonach sie suchen sollen, aber dass die Unterscheidung viel komplexer sei. Das EKV "mit seinem Infrarotsensor und seinem Sensor für sichtbares Licht und seinen Computern weiß, wie es unterscheiden muss". Dazu würden hochkomplizierte und geheime Computerprogramme verwendet.
Die Bush-Regierung plant nicht nur, in Alaska die NMD-Technologie "realistisch" zu testen, sondern will wahrscheinlich auch wieder Atombombentests durchführen. Neben dem Ziel, Raketen im Flug durch Raketen zu zerstören, die vom Boden abgeschossen werden, sollen auch weitere Systeme getestet werden, bei denen Raketen von Schiffen abgefeuert werden oder Flugzeuge mit Laserkanonen startende Raketen vernichten.