Erneute Schlappe für die amerikanische Unterhaltungsindustrie
Das kalifornisches Berufungsgericht bestätigt das Urteil des Bezirksgerichts, dass dezentralisierte Tauschbörsen für Urheberrechtsverletzungen ihrer Benutzer nicht haftbar gemacht werden können
Die amerikanische Unterhaltungsindustrie, vertreten durch die Interessenverbände MPAA, NMPA und RIAA, hat vor dem kalifornischen Berufungsgericht erneut eine Schlappe einstecken müssen. Nachdem die Kläger im April 2003 in Kalifornien den Prozess gegen die Betreiber der Tauschbörsen Grokster und StreamCast (Morpheus) verloren hatten, da diese nicht für Tausch verbotener bzw. Copyright-geschützter Dateien seitens der Nutzer haftbar gemacht werden können (Sieg für Grokster und Morpheus), zogen sie vor das Berufungsgericht. Das aber hat das Urteil einstimmig bestätigt.
Die Kläger hatten angeführt, dass bis zu 90 Prozent der getauschten Dateien illegal seien. Die Tauschbörsen erleichtern und fördern den Tausch Copyright-geschützer Dateien und Raubkopien, wodurch für die Unterhaltungsindustrie und die Autoren große Verluste entstünden. Die Betreiber der Tauschbörsen müssten zumindest Filter einbauen, um den Austausch verbotener Dateien zu unterbinden. Angeführt wurde von den Klägern auch das Sony-Betamax-Urteil aus dem Jahr 1984. Damals urteilte das Gericht in einer grundlegenden Entscheidung, dass Sony seine Videorecorder weiter produzieren dürfe, weil das Unternehmen mit der Herstellung keine Beihilfe zu Copyright-Verletzungen leiste. Bei Grokster und StreamCast sei das anders, weil sie im Unterschied zu Sony den Gebrauch der Tauschbörsen durch die Nutzer kontrollieren könnten.
Das Berufungsgericht führte jedoch in seiner Urteilsbegründung an, dass die Betreiber der beiden Tauschbörsen im Unterschied zu Napster nicht haftbar gemacht werden, weil diese keine zentralen Server hätten. Für den Fall, so die Urteilsbegründung, spiele "das Software-Design eine große Rolle", zur Beurteilung müsse man eine zumindest "rudimentäre Kenntnis der Technik" voraussetzen.
Die Unternehmen würden den Benutzern einfach nur Software zur Verfügung stellen, mit denen diese Dateien über das Internet austauschen können, unabhängig davon, ob diese Copyright-geschützt sind oder nicht. Die Software hat, so das Gericht, "zahlreiche andere Anwendungen, reduziert erheblich die Distributionskosten von urheberrechtsfreier und kostenlos angebotener Kunst und Rede sowie die zentralisierte Kontrolle der Distribution".
Dem gegen die Tauschbörsenbetreiber gewendeten Argument aus dem Sony-Betamax-Urteil wollte das Gericht auch nicht folgen. Die Beklagten leisten keine direkte Beihilfe zur Urheberrechtsverletzung, haben keine entsprechenden Hinweise auf ihren Computer gespeichert und können auch keine Nutzer aus dem P2P-Netz ausschließen. Sollte beispielsweise StreamCast die kostenlos angebotene Software zurückziehen, so würde dies niemanden daran hindern, weiterhin das Gnutella-Netzwerk zu benutzen.
Das Gericht macht deutlich, dass das Urteil nur vorläufig sein könne und sich nur auf die gegenwärtig benutzte Technik beziehe. Die technische Entwicklung aber schreite schnell voran. Und schon aus diesem Grund sei es nicht klug, vorschnell Urteile angesichts neuer Techniken zu erlassen, die das Urheberrecht mit unabsehbaren Konsequenzen verändern könnten. Jede neue Technik verändere alte Märkte und die Kanäle, über die urheberrechtlich geschützte Werke vertrieben werden:
Die Geschichte hat gezeigt, dass die Zeit und die Marktkräfte oft ein Gleichgewicht zum Ausgleich von Interessen herstellen, unabhängig davon, ob die neue Technik ein automatisches Klavier, ein Kopiergerät, ein Tonbandgerät, ein Videorecorder, ein PC, eine Karaoke-Maschine oder ein MP3-Player ist. Daher ist es für Gerichte klug, Vorsicht walten zu lassen, bevor Haftungstheorien verändert werden.
Ob die Unterhaltungsindustrie Widerspruch einlegen wird, ist noch nicht bekannt. Das Vorgehen gegen Tauschbörsennutzer dürfte damit jedoch schwieriger werden. Bislang wurden über 3.000 Nutzer angezeigt, mit einigen Hundert wurde ein Vergleich gefunden. Vermutlich dürfte mit dem Urteil auch die Klage der Unterhaltungsindustrie gegen Sharman Networks (Kazaa) geringere Aussichten auf Erfolg haben.