Erster ESA-Astronaut fliegt heute mit "Endeavour" zur ISS
Bunt gemischte Shuttle-Crew sorgt für weitere Premiere
Das Startfenster, also jener Zeitraum, in dem ein Raketenstart über die Bühne gehen muss, ist eigentlich ziemlich schmal: Es ist nur 10 Minuten "breit". Dennoch sieht momentan alles danach aus, als würde die neunte Shuttle-Mission zur Internationalen Raumstation (ISS) heute pünktlich um 14:41 Uhr local time starten. Erstmalig fliegt auch ein europäischer Astronaut zur ISS
Name: Umberto Guidoni. Geboren am 18. August 1954 in Rom/Italien. Verheiratet mit Mariarita Bartolacci. Eine neunjährige Tochter namens Luca. Hobbies: Schwimmen, Volleyball und klassische Musik. Machte seinen Bachelor of Science (BS) und 1978 seinen Ph.D. (Philosophiae Doctor) in Astrophysik an der Universität Rom mit summa cum laude. Mitglied der Italian Space Society und Reserveoffizier der italienischen Luftwaffe. Seit 1989 einer von zwei ausgewählten italienischen Wissenschaftlern, die zu Astronauten ausgebildet wurden. Erster Weltraumflug als Payload Specialist (Nutzlast-Experte) am 22. Februar bis 9. März 1996 mit dem Shuttle Columbia. 1996 ausgezeichnet mit der NASA Space Flight Medal.
Gewiss, diese Daten spiegeln nur einen Ausschnitt der fraglos interessanten Vita Umberto Guidonis wider und sagen nur herzlich wenig über den Menschen hinter der Raumfahrerkluft aus. Doch immerhin verdeutlicht dieser Werdegang, dass der erste europäische Astronaut, der die Internationale Raumstation betreten wird, ein absoluter Voll-Profi und Wissenschaftsastronaut par excellence sein muss.
Wenn Guidoni heute um 20:42 Uhr MESZ vom amerikanischen Raumfahrtbahnhof Cape Canaveral mit der US-Fähre Endeavour und 6 weiteren Kollegen an Bord von der Startplattform 39A abhebt, begibt er sich auf eine Reise, die laut Plan genau 10 Tage, 19 Stunden und 19 Minuten dauern soll. Während dieser Zeit soll er als erster ESA-Astronaut aktiv am Aufbau der ISS mitwirken.
Derweil stauen sich im Frachtraum des Raumtransporters Endeavour das in Italien gebaute Raffaello Multi-Purpose Logistics Module und ein 20 Meter langer, zusammengefalteter Robotergreifarm sowie eine Ultrahochfrequenzantenne (zur Space-to-Space Kommunikation).
Sofern alles im Zeitplan bleibt, soll am Samstag die Raumfähre an die Raumstation andocken und im Anschluss daran der shuttleeigene 15 Meter lange Greifarm den neuen Kran packen und zur ISS hinüberhieven, der danach mit Astronauten- und Roboterhilfe installiert wird. "Dies wird eine extrem komplizierte Mission", gesteht der für den 104. Shuttle-Flug (STS-100) verantwortliche oberste Flugdirektor, Phil Engelauf.
Da die beiden Kräne in Kanada entwickelt und gebaut wurden, aber auch angesichts der Tatsache, dass Kanada die Kosten von zirka einer Milliarde Dollar alleine trägt, wird seine Montage der kanadische Shuttle-Astronaut Chris Hadfield überwachen.
Guidonis erste Aufgabe hingegen besteht darin, dem Kanadier beim Ausladen des kanadischen Roboterarms und Anmontieren desselbigen an die ISS assistierend zur Seite zu stehen. Seine Hauptaufgabe wird aber sein, den sieben Meter langen, unter Luftdruck stehenden, beheizbaren und wieder verwendbaren Frachtbehälter "Raffaello", den Italien zusammen mit zwei weiteren Behälter an die NASA geliefert hat, punktgenau an die ISS an- und nach dem Ein- und Ausladen wieder abzudocken. Das 150 Millionen Dollar teure Logistik-Modul soll Versorgungsgüter und neue Ausrüstungen auf die Raumstation schaffen und dann zur Wiederverwendung leer von der Endeavour wieder mit zurück zur Erde genommen werden.
Was die Zusammensetzung der Endeavour-Crew anbelangt, feiert die internationale Raumfahrt auch eine Premiere. Denn die Besatzung ist national bunt gemischt. Insgesamt vier Nationalitäten werden sich an Bord der US-Fähre die Lukenklinken in die Hände geben. Derart multikulturell ist es im Raumtransporter bislang noch nicht zugegangen. Das Team setzt sich zusammen aus: Kent V. Rominger (Kommandant, USA), Jeffrey S. Ashby (Pilot, USA), Umberto Guidoni (Missions-Spezialist, Italien), Yuri V. Lonchakov (Missions-Spezialist, Russland), Scott F. Parazynski (Missions-Spezialist, USA), Chris A. Hadfield (Missions-Spezialist, Kanada) und John L. Phillips (Missions-Spezialist, USA).
Auf den Spuren Guidonis wandeln wird übrigens auch die Französin Claudie André-Deshays, die ebenso wie ihr italienischer Kollege dem ESA-Astronautenkorps angehört, dessen Hauptausbildungbasis in Köln lokalisiert ist. Sie wird im Oktober 2001 als erste europäische Astronautin zur ISS fliegen. Schon vor geraumer Zeit hat sie das Training im Sternenstädtchen bei Moskau aufgenommen, da sie mit dem zweiten Taxi, einem Sojus-Raumschiff der neuesten Generation, vom russisch-kasachischen Kosmodrom Baikonur starten wird. Den Endeavour-Start überträgt die ESA heute ab 20:00 Uhr im Internet live