"Es braucht Billionen für nachhaltige Entwicklung weltweit"

Seite 2: "Es geht darum, Ausbeutung zu verhindern"

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Ganz konkret: Welche Fehler hat Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten begangen?

Uwe Kekeritz: In den 80er Jahren flossen über 15 Prozent der Fördergelder in die Entwicklung ländlicher Regionen. Davon profitierten sehr viele Kleinbauern. Leider wurde hier in der Amtszeit von Frau Wieczorek-Zeul (Entwicklungshilfeministerin von 1998 bis 2001, SPD, Anm. d. Red.) massiv gekürzt, sodass das Ministerium am Ende nur noch knapp über fünf Prozent des Entwicklungsetats für derlei Regionen bereitstellte. Das war eine grottenfalsche Entscheidung, deren Folgen wir noch heute sehen.

Die Grünen waren damals an der Regierung beteiligt.

Uwe Kekeritz: Und wir haben daraus gelernt.

Entwicklungspolitik ...

Uwe Kekeritz: ... darf nicht als isoliertes Politikfeld betrachtet werden! Vielmehr muss es darum gehen, eine globale Strukturpolitik zu etablieren, die den Partnerländern die Möglichkeit gibt, sich positiv zu entwickeln.

Bitte etwas genauer.

Uwe Kekeritz: Das bedeutet zum Beispiel, die Handelspolitik fairer zu gestalten, schädliche Subventionen in der Landwirtschaft zu streichen und Umwelt- und Sozialstandards in internationalen Lieferketten zu etablieren. Es geht darum, Ausbeutung zu verhindern. Wenn wir nicht an diesen Stellschrauben drehen, verhindern wir, dass die Entwicklungszusammenarbeit Wirkung entfaltet.

Der Handlungsdruck wird weiter steigen: Bis 2050 wird sich die Bevölkerung Afrikas nach aktuellen Prognosen auf zwei Milliarden Menschen verdoppeln.

Uwe Kekeritz: Und wer Arbeitsplätze schaffen und nachhaltige Strukturen aufbauen will, der darf die ländlichen Gegenden nicht vernachlässigen. Hier ist das Potenzial riesig. Uns Grünen geht es darum, dass die Menschen vor Ort genügend Geld verdienen, um sich selbst ernähren zu können. Denn diejenigen, die selbst produzieren, kommen schnell in die Lage, etwaige Überschüsse am Markt zu verkaufen. Viele Afrikaner könnten ihr Leben so besser gestalten, ich nenne nur die Stichworte Bildung und Gesundheit. Überdies sollten die EPAs, die Freihandelsabkommen, die die EU derzeit mit afrikanischen Staaten verhandelt, schleunigst eingestampft werden.

Was haben Sie dagegen, dass Handelsschranken abgebaut werden?

Uwe Kekeritz: Ebenjene Abkommen sorgen dafür, dass wir unsere Überschüsse an Milch, Tomaten, Hähnchen, um nur einige Lebensmittel zu nennen, nach Afrika exportieren - und damit deren eigene Produktion zerstören. Es mag sein, dass manche Menschen dort kurzfristig davon profitieren, wenn die Produkte im eigenen Land billiger werden. Aber mittelfristig zerstören wir so die Möglichkeiten der Menschen auf ein auskömmliches Einkommen. Und wir fördern die Fragilität dieser Staaten. Kurz: Ein Teufelskreis.

"Bildung und Ausbildung von Kleinproduzenten verbessert werden"

Sie sagen, vielerorts werde nicht die industrielle Landwirtschaft die Lösung sein, sondern bäuerliche Betriebe, die die Ressourcen auf vielfältige Art nutzen. Wie genau stellen Sie sich das vor?

Uwe Kekeritz: Eine von Gentechnik, Pestiziden und patentiertem Saatgut geprägte industrielle Landwirtschaft wird die Situation der Kleinbauern auf keinen Fall verbessern! Wir müssen dazu beitragen, dass Bildung und Ausbildung von Kleinproduzenten verbessert werden. Dahinter steckt ein gewaltiges Potenzial. Angefangen von der Saatgutauswahl über die Bodenbearbeitung, über Verarbeitung von Produkten bis zu der Ernte und Lagerung. Und nicht zu vergessen: die Vermarktung. Leider reden viel zu viele von Großinvestitionen. Es sind genau diese Projekte, die Arbeitsplätze vernichten.

Inwiefern?

Uwe Kekeritz: Der Zugang zu Land ist für viele Kleinbauern ein zentrales Problem. Und Großprojekte verschärfen die Konkurrenz. Gerade angesichts der rasant steigenden Bevölkerungszahlen ist das ein Riesenproblem. Die Zahl der versprochenen Arbeitsplätze wird meist weit verfehlt. Die Bezahlung der Landarbeiter ist immer prekär. Noch dazu dienen die Großinvestitionen allzu oft nicht dem Anbau von Nahrungsmitteln.

Derzeit werden auf Millionen von Hektar Land Energiepflanzen angebaut. Und wo landen viele von denen? Bei uns, den Industrienationen. Hinzu kommen großflächige Monokulturen wie Mais. Mais macht lediglich satt, ermöglicht aber keine gesunde Entwicklung. Mangelernährung ist besonders für Kinder gefährlich und kann dauerhafte Schäden bewirken.

Wie könnten Kleinbauern sich vor den dramatischen Folgen einer anhaltenden Dürre, wie wir sie derzeit beobachten, schützen?

Uwe Kekeritz: Zunächst einmal muss in der unmittelbaren Krise geholfen werden. Die Ausbildung von Kleinbauern habe ich bereits erwähnt. Mittel- und langfristig ist die Biodiversität unsere wichtigste Ressource, um dem Klimawandel zu begegnen, Eine diversifizierte Landwirtschaft kann Wetterextreme abpuffern. Zwei Milliarden Hektar Land weltweit wurden durch unangepasste Nutzung degradiert, also geschädigt. Diese Flächen, die früher einmal produktiv waren, können wieder fruchtbar und somit wieder nutzbar gemacht werden. Natürlich kann auch effizientere Technik helfen, zum Beispiel bei der Bewässerung.