"Es braucht Billionen für nachhaltige Entwicklung weltweit"

Seite 3: "Konflikte sind eine Hauptursache für Hunger"

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Herr Kekeritz, was antworten Sie jenen, die sagen, bewaffnete Konflikte seien die größten Hungertreiber in Afrika?

Uwe Kekeritz: Ja, Konflikte sind eine Hauptursache für Hunger. Egal ob in Nigeria durch die Terrormiliz Boko Haram oder durch die Kämpfe im Südsudan. Ich habe das größte Flüchtlingslager der Welt besucht, Dabaab in Kenia, wo sich zeitweise über 500.000 Menschen aufgehalten haben; darunter vermutlich weit über 300.000 aus Somalia. Klar ist: Wenn Kugeln fliegen, wenn kriegsähnliche Zustände herrschen, dann versuchen die Menschen zu fliehen. Das würden wir genauso machen. Heute sind dort übrigens immer noch über 200.000 Menschen.

Al-Shabaab kontrolliert Gebiete im Süden und Zentrum Somalias. Ist eine Verbesserung der Lage überhaupt denkbar, wenn die militärischen Konflikte weiter lodern?

Uwe Kekeritz: Natürlich können wir überall dort, wo die Sicherheit nicht gewährleistet ist, nur schwer auf die Entwicklung einwirken. Ein Ansatzpunkt wäre die Landwirtschaft. Denn auch Al-Shabaab weiß, dass sie nur zu Rande kommen, wenn die Bevölkerung sich ernähren kann. Wir müssen da pragmatisch denken. Somalia ist ja in Clan-Strukturen aufgeteilt; von ihnen gibt es etwa 135 im Land. Diese Strukturen gilt es zu nutzen, um Vertrauen aufzubauen. Wenn es gelingt, die Clan-Chefs an Bord zu bringen, verringern sich die Gefahren und es können positive Entwicklungen in der Landwirtschaft erzielt werden.

Erst kürzlich hat das Kabinett die Verlängerung des Einsatzes deutscher Soldaten beschlossen, die im Rahmen einer EU-Mission somalische Streitkräfte ausbilden und beraten. Wird Ihre Fraktion das Mandat im Bundestag erneut ablehnen?

Uwe Kekeritz: Ja, wir werden erneut ablehnen. (Das Gespräch wurde vor der Bundestagssitzung geführt.)

Mehr als 5000 somalische Soldaten wurden seit Beginn der Mission ausgebildet. Die Bundesregierung ...

Uwe Kekeritz: ... Solange der Verbleib der ausgebildeten Soldaten samt Ausrüstung nicht sichergestellt ist, macht es keinen Sinn, die Mission fortzusetzen. Im schlimmsten Fall bildet die Mission Kämpfer aus, die desertieren und sich den Terrormilizen anschließen.

Herr Kekeritz, die EU diskutiert derweil, ob es sinnvoll ist, mit den nordafrikanischen Staaten über sogenannte "Auffanglager" für Flüchtlinge zu verhandeln. Wie ist da Ihr Standpunkt?

Uwe Kekeritz: Es wäre besser, die deutsche Regierung würde sich in Europa für einheitliche Aufnahmebedingungen einsetzen, statt von Auffanglagern in Libyen zu faseln. Wir haben einfach viel zu wenige legale Migrationswege. Leider gibt es derzeit nur wenige Anzeichen für eine Verbesserung der Lage. Das ist beschämend.

Das Argument der Befürworter solcher "Auffanglager": Würden die im Mittelmeer Geretteten konsequent dorthin zurückgebracht werden, wo sie gestartet sind, wäre das Schleppergeschäft vorbei - und somit auch das Sterben.

Uwe Kekeritz: Diese Logik hinkt. An den Ursachen für die Flucht - Armut, Hunger, Konflikte, fehlende Perspektive - würden solche Lager ja nichts ändern. Die Flucht würde sich auf noch gefährlichere Routen verlagern, um Patrouillen zu entgehen. Das Geschäft der Schlepper wäre damit nicht vorbei, sondern noch lukrativer. Das Sterben ginge auch weiter, es würde nur eben woanders stattfinden.

Welche konkrete Lösung schwebt Ihnen denn vor?

Uwe Kekeritz: Dort, wo humanitäres Leid herrscht, muss die Staatengemeinschaft rechtzeitig und in ausreichendem Maße helfen. Darüber hinaus braucht die junge afrikanische Bevölkerung in den Herkunftsstaaten eine Perspektive auf ein besseres Leben. Den Menschen muss die Gewalt, die ihnen auf den Migrationsrouten widerfährt, erspart bleiben. Das verlangt eine rasche Neuausrichtung der europäischen Handels- und Agrarpolitik. Denn die unfreiwillige Migration lässt sich nur mit positiver Entwicklung reduzieren. Zusätzlich braucht es legale, sichere Wege für Migration.