Es braucht nicht viel, um einer von ihnen zu werden

Über Zombies, Pop und Filme. 2.Teil

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Sie sind jeglichen gesellschaftlichen Statuses beraubt, haben Identität und Individualität verloren und sind nichts anderes als infizierte Körper, die auf rudimentärem Niveau der animalischen Logik des Fressens und Gefressen-Werdens folgen. Der Zuschauer weiß, würde ich gebissen, würde ich einer der ihren werden. Zombies sind die Antwort auf die Frage, was wäre, wenn der Mensch ein Tier wäre.

Braindead

In dieser Hinsicht verwundert es auch nicht, dass manche das Wiederaufleben von Zombies in der Popkultur der letzten Jahre als Propagierung der Intensität eines kriegerischen Lebens im System eines Raubtierkapitalismus sehen, in dem alle Konkurrenten sind und nur die härtesten überleben.

Die Zombies selbst hingegen wissen nicht, in welchem Zustand sie sich befinden, vermutlichen wissen sie überhaupt nichts, außer was es zu beißen und zu fressen gilt. In den meisten Fällen können die Zombies nur durch die Zerstörung ihres Gehirns von ihrem Dasein erlöst werden. Nicht wenige moralinsaure Mitmenschen behaupten dass die heutige Jugend durch ausgiebigen Fernseh-, Musik-, Videospielkonsum, Kaufrausch und zeitraubende Internetabenteuer genau diese Strategie versuche. Dabei sind sich die Protagonisten in Zombiefilmen und die Untoten oft ebenfalls recht nahe. Sie erkennen in manchen von ihnen Vertrautes wieder, vielleicht die Geliebte, sehen sie als ehemaligen Freunde, Bekannte und Verwandte. Und haben vielleicht sogar ein wenig Mitleid mit diesen Gestalten. Es braucht schließlich nicht viel, um einer von ihnen zu werden. "We're them and they're us", entfährt es einem Protagonisten in einem Night of the living Dead-Remake.

Zombies in Neuseeland

Dass man es als Regisseur von Zombie- und Splatterfilmen zum gefeierten OscarAward Gewinner schaffen kann, bewies der Neuseeländer Peter Jackson. Vor seiner vielgelobten Lord of the Rings Triologie, drehte Jackson 1992 unter anderem den Zombieslapstick-Streifen Braindead, in dem schon in der Anfangssequenz Jacksons Liebe zum Horrorgenre deutlich wird. Das Rattentier, das letzten Endes einen Erreger verbreitet, der Ursprung einer außergewöhnlich blutigen Zombieempidemie in Neuseeland, wird von einer Insel names Skull Island verschleppt - der Insel, auf der einst im Zeitalter des Scharzweiss-Films King Kong entdeckt wurde. Und letzten Endes finden sich auch in Jacksons Verfilmung von J.R. Tolkiens Herr der Ringe Klassiker ganze Reihen von wandelnden Untoten und Elementen aus Zombie- und Splatterfilmen, die dem Erfolg und der zum Teil doch recht rauhen mittelalterlichen Atmosphäre und den brutalen Schlachten des Film keinen Schaden angetan haben.

Als willkommene Opfer und gepixelte Schießbudenfiguren finden wir Armeen von Zombies heute zudem in unzähligen Video- und Computerspielen wieder. Dort gilt es sie mit Kettensäge, Schwertern, Schrotflinten und Automatikwaffen möglichst schnell, effektiv und gnadenlos niederzumähen. Oftmals jedoch sind die wandelnden Untoten menschenähnlich genug, um an ihnen jegliche jugendliche Wut auf seine Mitmenschen abzureagieren. Als eines der bekannteren gilt die Reihe Resident Evil, die es in der Verfilmung von Paul W.S. Anderson 2002 sogar zur Spielfilmadaption geschafft hat. In ihr ist die allmächtige Umbrella Cooperation in einem riesigen unterirdischen Komplex mit militärischer Forschung an einem Virus beschäftigt, der die Toten als Zombies wieder zum Leben erweckt.

Kein Mitleid mehr

Es kommt zur Katastrophe, bei der alle Forscher und Angestellten umkommen, jedoch durch das Virus mit unfreundlichen Absichten wieder auferstehen. In dem Film kann man unter anderem Heike Makatsch als Zombie bestaunen und vor kurzem ist eine Fortsetzung (Resident Evil: Apocalypse) vom selben Regisseur angelaufen, in der das Ex-Modell Milla Jovovic erneut mit grosskalibriger Unterstützung als Alice auf Zombiejagd gehen wird. Spätestens hier ist von einem eventuellen Mitleid mit den leidigen Kreaturen, die die ehemaligen Mitmenschen waren, nicht mehr viel zu spüren. Allerdings erlauben sich die Macher der Fortsetzung einen ironischen Kommentar, wenn es dieses Mal ein einzigartiges Kosmetikprodukt ist, das die belastenden Auswirkungen von Sonne, Alterung und Stress auf die Haut rückgängig macht und bereits abgestorbene Zellen wiederbelebt. Bitte den Beipackzettel mit den Nebenwirkungen beachten.

Resident Evil

Danny Boyle, der durch die Verfilmung von Irvine Welshs Junkie Epos Trainspotting bekannt wurde und später durch die Verfilmung von Alex Garlands Buch The Beach mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle bei vielen Kritikern in Ungnade fiel, versuchte sich 2002 an einem schnellen Film mit verhältnismäßig niedrigem Budget, der erneut auf einer Vorlage von Garland beruht. In 28 days later befreit ausgerechnet eine wohlmeinende Gruppe von Tierschützern einen, mit einem militärischen Virus namens "Rage" infizierten, Versuchsaffen aus einem Forschungslabor und setzt so die Biowaffe frei.

Der Virus verwandelt alle Infizierten in blutdurstige Killermaschinen, die wiederum die "Gesunden" durch ihre Angriffe infizieren. Der Held des Streifens bekommt von all dem nichts mit, da er sich in einem Krankenhaus im Koma befindet. Als er 28 Tage nach dem Ausbruch des Virus daraus erwacht, hat sich der Virus bereits über ganz Grossbritannien ausgebreitet. Vermutlich hat man noch kein apokalyptischeres Bild von London in einem Film gesehen, als das, wenn Jim auf der Suche nach irgendjemanden, von schwermütigen Kirchenchorälen untermalt, durch das verwüstete und menschleere London zieht. Und ausgerechnet ein Priester in einer Kirche stellt den ersten gefährlichen Infizierten dar, den Jim zu Gesicht bekommt. Gemeinsam mit einer kleinen Gruppe anderer Überlebender zieht Jim Richtung Norden, wo sich irgendwo Militärs verschanzt haben, die allen Anscheins nach ein Gegenmittel geschaffen haben.

Erhöhtes Gefahrenpotential und Tempo

Boyles Infizierte folgen im Grundmuster den klassischen Zombies, die sich durch Bisse epidemisch ausbreiten. Allerdings fühlt man sich bei der Betrachtung des Films an den Untertitel von Douglas Couplands Geschichtensammlung Generation X - Tales for an Accelerated Culture erinnert. Keineswegs sind die Infizierten mehr langsam vor sich hin schlurfende und stolpernde Zombies wie in Romeros Filmen (der übrigens schon 1973 in The Crazies die Problematik des Ausbruchs eines militärischen Viruses aufgegriffen hat, der Menschen in durchgedrehte Killer verwandelt).

In 28 days later werden die Boyleschen Zombies durch das Virus geradezu beschleunigt, sie rennen und spurten mit beinahe übermenschlichen Kräften nach den Überlebenden, was ihr Gefahrenpotential um ein vielfaches erhöht und dem gesamten Film ein enormes Tempo verleiht. Die Gefahr durch die Infizierten dient in Boyles Film allerdings nur als Kontrastprogramm zur Gefahr, die durch die Militärs im zweiten Teil des Films droht. Sie sind die wahren Bösewichte des Films, wenn sich etwa herausstellt, dass für sie der gegenwärtige Zustand der Welt nicht weiter ungewöhnlich ist und eigentlicher Bestandteil jeglicher militärischen Ordnung ist.

28 days later

Was ich da draußen sehe, sind Menschen, die Menschen töten, meint der Befehlshabende in der Gruppe der versprengten Militärs, das sei für ihn nicht weiter ungewöhnlich, das sehe er jeden Tag. Im restlichen Teil des Films wird zudem deutlich, dass diese militärische Ordnung immer auch eine männliche Ordnung ist, unter der neben den männlichen Zivilisten insbesondere die Frauen (und Kinder) zu leiden haben. Bei Boyle stellen beide Achsen, Natur in Gestalt der Infizierten und gesellschaftliche Ordnung in Gestalt der Militär, eine Gefahr für die Lebenden dar.

Abrechnung mit der Spießigkeit

In diesem Jahr versuchte sich der bisher vor allem durch Werbespots und Musikclips bekannt gewordene Zack Snyder an seinem ersten Spielfilm: einem Remake von Romeros Dawn of the Dead. Snyder hielt sich hierbei nicht unbedingt an die Vorlage; vielmehr versuchte er grob, die Rahmenhandlung der Vorlage in die Gegenwart zu übersetzen. Erzähltechnisch macht sich Snyders bisherige Vergangenheit bereits in den ersten zehn Minuten bemerkbar, in denen illustriert wird, dass die bisher geordnete Welt zusammenbricht und am Abgrund trudelt. In einer Luftaufnahme zeigt er eine am Reissbrett entworfene amerikanische Vorstadtidylle, geordente Reihenhäuschen mit kleinen gepflegten Grünflächen. Eine der Hauptdarstellerinnen, eine Krankenschwester, lebt in einem der identischen Eigenheime im langweiligen Suburbia, in dem Kinder mit Rollschuhen vor dem Haus spielen und genügend Platz für amerikanische Familienkutschen ist.

Shopping Malls haben sich in dieser Welt bereits als vollkommen normaler Bestandteil des täglichen Leben etabliert. Innerhalb von Minuten bricht die Katastrophe aus, und die sich ausbreitende gewalttätige Untotenepidemie richtet Chaos und Verwüstung an, die im Film unter anderem aus der Vogelperspektive observiert wird. Hier wird nicht subtil wie in unzähligen anderen gegenwärtigen US-amerikanischen Filmen das Grauen, die Monotonie und die unendliche Langeweile, die sich unter den Oberflächen vermeintlich geordneter Vorstadtleben verbirgt, hervorgebracht oder erahnt; hier wird abgerechnet mit der Spießigkeit der amerikanischen Vorstadtwelt.

Die Macher des Films hatten offensichtlich großen Spaß, daran die heile Ordnung zu zerstören, sie in Brand zu setzen und das Chaos hereinbrechen zu lassen. Ein auffallendes Stilmittel ist hierbei der ironische und kommentierende Gebrauch von Filmmusik, wenn beispielsweise in der Anfangssequenz die Welt buchstäblich kaputt geht und die Tonspur statt einer Erklärung oder einem Dialog nur Johnny Cash und seine Gitarre mit dem Song The Man comes around, in dem es in Bibelversen um die Apokalyse geht, abspult. Der Plot verläuft ähnlich wie im Original, eine Gruppe Überlebender verschanzt sich in einer Shopping Mall, wo sie sich zuerst den Wachleuten der Mall stellen müssen. Außerhalb der Mall sammeln sich die Untoten in immer größeren Mengen. Auch Snyders Film ist wie schon 28 days later ein sehr schneller Film. Die Inszenierung wird der Umgebung angepasst, wenn die Bilder in der sicheren Mall teils an materialistische Werbeclips erinnern, die Kameraführung außerhalb der Mall jedoch verwackelt wird und die Bilder wie in einer Kriegsberichterstattung grobkörnig und unterbelichtet werden.

Promi-Lookalike Zombieschießen

Doch nicht nur der Film, auch die Zombies selbst sind im Vergleich zum Original beschleunigt und schnelle, ausdauernde Wesen. Den gesamten Film über zeigt Snyder, dass er sehr gut gelernt hat, Bild und Ton zu kombinieren und Musik vor allem als Stilmittel zu gebrauchen, das einen ironischen Unterton erzeugen kann; etwa dann, wenn sich die Überlebenden vor den Zombieattacken in einen Fahrstuhl des Einkaufszentrums flüchten und Don't worry, be happy während der Fahrt aus den Lautsprechern rieselt. Snyders Versions von Dawn of the Dead ist ein postmoderner Film, der sich selbst nicht ernst nimmt und etliche unterschiedliche Betrachtungsweisen zuläßt.

Dawn of the Dead (Remake)

Der Film braucht auch keine Erklärung für das Ausbrechen der Zombiekatastrophe. Mit einem Schlag sind sie da, und die neue Zeit beginnt. Auf dem Dach der Mall sammeln sich die Überlebenden, die üblichen Kommunikationswege sind zusammengebrochen. Sie kommunizieren nun per Fernglas und Tafeln, auf die geschrieben wird, mit dem Besitzer eines Waffenladens, der sich in unweiter Nähe der Mall ebenfalls auf dem Dach seines Geschäfts verschanzt hat. Zwischen den Gebäuden hat sich mittlerweile ein Meer aus untoten Körpern ausgebreitet. Aus Langeweile und dem Mangel anderer Unterhaltungsmöglichkeiten schreiben sie Namen von Prominenten wie Burt Reynolds oder Jay Leno auf die Tafeln und der Besitzer des Waffengeschäfts schießt die Zombies über den Haufen, die ihnen ähnlich sehen.

Untermalt wird das Promi-Lookalike Zombieschießen mit heiterer Musik. Es mag sein, dass es sich hierbei um eine persönliche Abrechnung mit Kindheitstraumata oder auch dem gegenwärtigen Prominentenkult geht. Die Umsetzung des Gedanken ist jedoch dermaßen bizarr, dass man sich das Lachen kaum verkneifen kann. Sie verdeutlicht dass den Protagonisten nun nichts mehr heilig ist und selbst die bisher so verehrten Celebrities in dieser Situation nichts mehr wert sind. Kill your Idols, könnte man mit dem Titel eines alten Alternative Albums annehmen. In der selben Situation kommt es jedoch auch zu einer der unheimlichsten Szenen des Films; als der Besitzer des Waffengeschäfts von Zombies gebissen, zu einem der ihren wird und einem letzten Kommunikationsversuch unternimmt, in dem er den Blick Richtung der Überlebenden auf dem Kaufhausdach wendet und die Tafel mit Blut beschmiert.

Die Unbestimmtheit und Selbstironie des Films zieht sich durch bis zum Ende des Films, das sich ebenso mehrdeutig präsentiert, wie bereits der gesamte Film. Die Ungeduldigen, die das Kino vor dem Ablauf der letzten Credits verlassen, bekommen ein Hollywood kompatibles Ende präsentiert, das Raum für Hoffnung offenläßt. Die Geduldigen jedoch bekommen während und nach dem Abspann in einem originellen Zeitraffer eine Erweiterung des Endes geboten, das in schnellen Schnitten und Fragmenten zeigt, was nun wirklich passiert.

Annäherungen an neue Wissenschaftsdiskurse

Die Zombies haben es mittlerweile zur großen Bekanntheit gebracht. In den Filmen der letzten Jahren finden wir inzwischen eine erhebliche Vielfalt an lebenden Toten. Da gibt es zum einen reitende und schwimmende Leichen, tote Templer, individuelle Untote, die aus Rachemotiven zurückkehren, Tote, die durch durch Magie und Zauberei ins Leben zurückfinden, den Wissenschafts- und Technikzombie, der durch Strahlung, Elekrizität, radioaktive Verseuchung oder aggressive Viren widerbelebt wird oder andere Leichen wiederum, die von Aliens belebt und kontrolliert werden.

Interessant ist, dass die wissenschaftlichen Erklärungen sich den derzeitig in den Medien vorherrschenden Diskursen um Wissenschaft annähern. Kamen in den Sechzigern Jahren noch Strahlung und Raumfahrt in Frage, finden sich in den gegenwärtigen Filmen Anspielungen auf Biotechnologie, und Genetik und vermutlich werden in den kommenden Filmen Nano-Technologien eine gewichtige Rolle spielen. Es sollte in diesem Zusammenhang vielleicht nicht vergessen werden, dass Mary Shelley im Vorwort zu ihrem Roman Frankenstein (or, the modern Prometheus), der bereits 1818 zum ersten Mal veröffentlicht wurde, die Belebung einer Kreatur, die von Victor Frankenstein durch die Zusammensetzung von Leichenteilen erschaffen wird, in Bezugnahme auf zeitgenössische Wissenschaftler und deutsche physiologische Autoren als "nicht unmögliches Geschehnis" beschrieb.

Kill Bill Vol. 2

Manch andere Tote hingegen kehren ins Leben zurück, da Dämonen von ihnen Besitz ergriffen haben, wie etwa in den The Evil Dead Filmen von Sam Raimi, der durch die erfolgreiche Verfilmung von Spiderman Comics inzwischen auch Hollywood Status erreicht hat. Dabei sind Zombies in Filmen auch an keiner Nationalität mehr festzumachen. Wir finden sie in amerikanischen, europäischen und asiatischen Filmen. Den Zombies und Zombiefilmen wurden inzwischen etliche Bücher und sogar eine Enzyklopädie gewidmet. Max Brooks geht vielleicht etwas zu weit, wenn er in seinem Zombie Survival Guide: Complete Protection from the Living Dead von 2003 die Grenze zwischen Fiktion und Realität scheinbar nicht mehr eindeutig zu trennen vermag. Selbst der Film-Geek und einer der Meister des Filmzitats, Quentin Tarantino, kommt nicht umhin den lebenden Toten eine Referenz zu erweisen. In Kill Bill Vol. 2 muss sich Uma Thurman aus einem Grab befreien und schreitet darauf mit Erde beschmutzt aus dem Friedhof in Richtung eines Cafés.

So wie in der Wissenschaft wichtige und einflußreiche Autoren zitiert werden oder in unterschiedlichen Musikstilen Stücke aus gefälligen oder eingängigen Songs gesampelt werden, benutzen auch etliche Filmemacher die Referenz an andere Filme, Regisseure oder Filmstile, um ihren Meistern zu huldigen oder ihre Wurzeln und Einflüsse offenzulegen. Im Gegensatz zu Text und Ton allein handelt es sich bei Filmen um audiovisuelle Medien, die aus diesem Grund eine Vielzahl von Möglichkeiten haben, andere Werke zu zitieren. Dies mögen bestimmte Einstellungen, Elemente, Teile aus Dialogen oder die Filmmusik sein. Und wie sich in der Popmusik beständig neue Musikstile herausbilden, hybridisiert und amalgamiert wird und in der Wissenschaft neue Unterdisziplinen und interdisziplinäre Kooperationen zustande kommen, verschwimmen auch die Grenzen von Filmgenres zunehmend und neue Filmstile und -kategories bilden sich kontinuierlich aus.

Dies hat in der letzten Zeit leider auch zu einigen unerfreulichen Beispielen geführt, in denen regelrechte Scharen von Filmmonstern aus verschiedenen Genres und Geschichten einzelne Filme nur mehr lediglich als Staffage bevölkern, von denen jedes einzelne zu seiner Glanzzeit als Hauptdarsteller einer ganzen Reihe von Filmen gedient hatte.

Kein großer Unterschied zu vermeintlichen Zombies im normalen Leben

Eine Mixtur unterschiedlicher Genres kann man im 2004 vom Briten Edgar Wright gedrehten Shaun of the Dead, der sich im Untertitel: A romantic comedy. With zombies nennt, beobachten. (Im auf Abkürzungen versessenen England wird der Film in der Kurzkritik dann z. B. als "a funny rom-zom-com" beschrieben). In der Persiflage geht es um Shaun, den Anti-Helden des Films und seinen Kumpel Ed, die ihre Zeit am liebsten in einem Londoner Vorstadtpub verbringen. Tatsächlich handelt es sich um eine romantische Komödie, wenn die beiden Looser versuchen Liz, Shauns Ex-Freundin, wieder mit Shaun zusammenzubringen. Und irgendwann tauchen am Rande auch noch Zombiehorden auf. Zu einem der besten Einfälle des Films gehört es, dass es sehr lange dauert, bis tatsächliche Zombies im Film auftauchen.

Shaun of the Dead

Vielmehr wird von der ersten Minute an gezeigt, dass die echten keinen großen Unterschied zu vermeintlichen Zombies im normalen Leben darstellen, denn Buspassagiere, die übermüdet auf dem Weg zur Arbeit nichts anderes tun, als in das Display ihres Mobiltelefons zu starren oder verpennt zur Bushaltestelle zu wandeln, sind im Endeffekt nicht so viel anderes als die Zombies selbst. Aus diesem Grund bemerkt Shaun die Gegenwart der Zombies am Anfang überhaupt nicht, denn alles ist scheinbar wie sonst auch. Und wenn sein verhasster Stiefvater von Zombies gebissen wie immer geistlos in den Fernseher glotzt, ist erneut nicht so ganz klar; ist er nun einer oder nicht. Nur dass die Zombies über kurz oder lang anfangen, Menschen anzugreifen. Die erste Attacke durch einen Zombie wird von Shauns Kumpel Ed damit gewürdigt, dass er ins Haus flitzt, um einen Einwegkamera zu holen, während Shaun versucht sich eine untote Beißerin vom Leib zu halten. Am Ende, wie könnte es anders sein, siegt die Menschheit über die Zombiehorden und die verbleibenden Zombies werden als Haustiere im Garten gehalten oder man läßt sie in Gameshows in Wettkämpfen gegeneinander antreten.

In Shaun of the Dead wird am Ende im Fernsehen angedeutet, dass genetisch veränderte Nahrungsmittel (die in Grossbritanien von der Presse als Franken(stein)Food bezeichnet werden) Auslöser für die Zombieepidemie sein könnten. Ein Virus (der im ebenfalls britischen 28 days later Auslöser der Katastrophe war) als Auslöser der Katastrophe könne jedoch nicht bestätigt werden, heißt es da in den Fernsehnachtrichten.

Eine ähnliche Idee wie in Shaun of the Dead wurde übrigens bereits vom britischen Autor Will Self in seinem Buch How the Dead live (auf deutsch: Wie Tote leben, 2002, Luchterhand) verarbeitet. Hier erzählt die bereits seit Jahren verstorbene Lily Bloom von ihrem Leben als Tote, das genauso dröge, langweilig und spießig ist, wie es schon zu Lebzeiten war. Self benutzt in seinem Roman die Sichtweise einer lebenden Toten, um mit den Leben, den Tod und allem was danach kommt, aber wiederum wie das vorherige ist, in bissigster Manier abzurechnen.

Die Zombies haben inzwischen viel durchgemacht. Von der Schlangengottheit, über ein Götzenbild, wurden sie zu unheimlichen Kreaturen unter dem Bann von Voodoo- und Hexenmeistern und zu furchteinflößenden und blutrünstigen Massenmonstern auf der Suche nach menschlichen Opfern. Heute finden wir sie zudem als animierte Schießbudenfiguren in Videospielen, als komödiantisches Beiwerk und Staffage und als Witzfiguren in Satiren und Comedys. Zombies scheinen mittlerweile den Status popkultureller Ikonen erreicht zu haben. Es darf deshalb angenommen werden, dass die lebenden Toten auch in Zukunft nicht ohne weiteres tot zu bekommen sein werden.