"Es gibt keinen direkten Druck gegen uns"

Natalja Sindejewa, Generaldirektorin des Kreml-kritischen Kabelkanals "Doschd", über die Situation in Russland

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Dazu siehe auch: Westlich orientierte russische Medien in der Ukraine-Falle. Russische Medien mit westlicher Orientierung geraten zunehmend unter Druck. Der kritische Fernsehkanal "Doschd" könnte bald auf der Straße stehen. Moskau und Peking planen "elektronischen Nichtangriffspakt".

Die Programme des Fernsehkanals Doschd kann man im Internet und über Satellit empfangen. Aber über welche Kabelnetzwerkbetreiber kann man ihre Sendungen sehen?

Natalja Sindejewa: Über etwa 270 Kabelnetzwerkbetreiber in ganz Russland, sowie in der Ukraine, Georgien, den baltischen Staaten und Israel.

Wann hat der letzte Kabelnetzwerkbetreiber die Übertragung Ihrer Programme eingestellt?

Natalja Sindejewa: Die Übertragungen wurden nur von großen Kabel- und Satellitennetzwerk-Betreibern eingestellt. Von den großen Betreibern hat der letzte am 11. Februar die Übertragungen eingestellt.

Wie finanziert sich Ihr Fernsehkanal jetzt? Welchen Anteil haben Reklame und Abonnenten bei der Finanzierung?

Natalja Sindejewa: 70 Prozent der Finanzierung läuft über Abonnenten, der Rest über Reklame und Einnahmen aus dem Verkauf unseres Signals an andere Netzwerkbetreiber.

Natalja Sindejewa. Bild: Dmitry Rozhkov/CC-BY-SA-3.0

Wie viele Mitarbeiter haben Sie?

Natalja Sindejewa: Zur Zeit haben wir 180 Mitarbeiter.

Ihre Mitarbeiter erhalten wie gewöhnlich ihr Gehalt?

Natalja Sindejewa: Die Gehälter wurden im Februar um 30 Prozent gekürzt.

Welchen Druck gibt es zur Zeit von staatlichen Organen gegen Ihren Kanal?

Natalja Sindejewa: Einen direkten Druck gibt es nicht.

Besteht die Möglichkeit, dass Sie ihre Räumlichkeiten verlieren und auf der Straße stehen?

Natalja Sindejewa: Diese Möglichkeit besteht, aber ich hoffe, dass es nicht passiert.

Gibt es Beweise, dass der Druck auf Sie - wie zum Beispiel der Entzug der Räumlichkeiten - politische Gründe hat?

Natalja Sindejewa: Wir sehen keine anderen Gründe.

Warum haben Sie einen Vertreter des ukrainischen Rechten Sektors interviewt?

Natalja Sindejewa: Das ist die Arbeit von Journalisten.

Mit welchen Themen machten Sie im letzten Jahr Schlagzeilen?

Natalja Sindejewa: Mit dem Druck auf uns und mit der Ukraine.

Gibt es das freie Wort in Russland noch?

Natalja Sindejewa: So lange es uns gibt, gibt es das freie Wort.

Welche Rolle spielen Sie unter den russischen Medien? Sind Sie das letzte freie Fernsehen?

Natalja Sindejewa: Wir sind zur Zeit der einzige unabhängige Fernsehkanal, der sich dem gesunden Menschenverstand verpflichtet fühlt.

Wie beurteilen Sie die Situation der freien Medien in Russland heute?

Natalja Sindejewa: Sie haben es in jeder Hinsicht sehr schwer.

Was ist Ihre Prognose? Wird es in zwei Jahren noch freie Medien in Russland geben?

Natalja Sindejewa: Ich kann keine Prognose abgeben.