Es wird eng

Die Energie- und Klimawochenschau: Strafzölle gegen die Verdrängung in der PV-Branche, Querparken gegen Raumnot in den Städten und kein Platz für Fracking in dichtbesiedelten Regionen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Viele Branchen hängen von billigem Nachschub ab, die anderen sind in ihrer Existenz durch Billigimporte bedroht. Die Discounter etwa möchten nach dem letzten Einsturz der Textilfabrik in Bangladesch, mit 2.500 Verletzten und vielen hundert Toten, die Katastrophe gerne schnell wieder vergessen und weitermachen wie bisher. Die Arbeitsbedingungen sind schon eingepreist. So berechnet sich der Wert für eine tote Textilarbeiterin seit einer Katastrophe 2005 nach einer Formel auf Grundlage der Dienstjahre und des entgangenen Einkommens und liegt im Schnitt bei 27.000 Euro. Primark kündigte bereits Zahlungen an, bangladeschische Gewerkschafter melden aber, dass noch kein Cent geflossen sei. Das Vergessen, auch bei uns Verbrauchern, beginnt also schon wieder - bis zur nächsten Katastrophe.

Strafzölle oder Protektionismus? Wie umgehen mit den PV-Billigimporten?

Anders ist es bei Branchen, die in ihrer Existenz selber von Billigimporten bedroht sind. Zu ihnen gehört die Solarindustrie. Nach dem PHOTON-Modulpreisindex lagen die Preise Anfang dieser Woche auf dem deutschen Spotmarkt für polykristalline Module bei 66 Cent je Watt, diejenigen für Module aus China aber bei 55 Cent. Entsprechend stammt ein immer größerer Anteil der Module von dort.

Die laufenden Dumpingermittlungen der EU waren vor allem durch eine Beschwerde des Verbandes der europäischen Solarunternehmen, EU Pro Sun, ausgelöst worden. Mittlerweile kommen 80 Prozent aller Photovoltaikprodukte aus China, europäische Hersteller stellen nur noch 13 Prozent her, Tendenz sinkend. Der Vorwurf laute, China habe gezielt Überkapazitäten geschaffen und so Tausende von Arbeitsplätzen in Europa vernichtet. Und auch die Anlagen- und Maschinenbauer, die die Massenproduktion in Asien durch ihre Anlagen erst in Gang gebracht haben, hatten letztes Jahr schon einen Umsatzrückgang um fast 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Der deutsche Solarkonzern Solarworld, Initiator der Anti-Dumping-Beschwerde vor der EU-Kommission, ist selbst mittlerweile schwer angeschlagen und hat seine Anleihengläubiger für nächste Woche zu zwei separaten Versammlungen nach Bonn eingeladen, um sie zum Durchhalten zu bewegen. Der Grund: Wenn die europäischen Strafzölle jetzt kommen, sähen die Zeiten auch für westliche Hersteller wieder etwas rosiger aus. Denn der Zubau geht, wenn auch in geringerem Maße, weiter, geschätzt wird, dass auch dieses Jahr in Deutschland 3,5 GW PV-Leistung installiert werden.

Die Europäische Kommission hat jetzt grünes Licht für Strafzölle auf chinesische Importmodule gegeben. Diese sollen am 6. Juni in Kraft treten und bei durchschnittlich 47 Prozent liegen. Für mehrere europäische Solarfirmen kommt das Verfahren zu spät, sie mussten bereits Insolvenz anmelden, unter ihnen Solon, Centrotherm und Q-Cells. Es handelt sich um das größte Anti-Subventions-Verfahren, das die EU je eingeleitet hat. Allein im vergangenen Jahr verkauften chinesische Hersteller PV-Module und Bauteile für 21 Milliarden Euro in Europa.

Doch die Strafzölle sind umstritten, viele fürchten vor allem einen Handelskrieg mit China. Auf die Entscheidung der Kommission folgte jetzt als erste Reaktion eine Untersuchung des chinesischen Handelsministeriums zu Preisdumping bei importierten nahtlosen Rohren (für den Kraftwerksbau) aus der Europäischen Union, den Vereinigten Staaten und Japan. Das chinesische Handelsministerium signalisierte gleichzeitig aber Verhandlungsbereitschaft im Gegenzug bei den Solarzöllen an.

Gegner von Strafzöllen hierzulande argumentieren, die sie würden zu einer Verteuerung von Solaranlagen führen, denen doch auf der anderen Seite von der Politik auch immer mehr die Vergütung für den produzierten Strom abgedreht würde. Hans-Josef Fell von Bündnis 90/Die Grünen sprach deshalb von einem Pyrrhussieg, der nur den wenigen Solarfirmen nütze. Andere Politiker wie der thüringische Wirtschaftsminister Matthias Machnig sehen in den Strafzöllen dagegen eine neue Chance für die angeschlagene Branche und die Produktionsstätten im eigenen Land.

Auf der anderen Seite pocht die WTO (World Trade Organization) weiter auf ihrem Dogma vom Freihandel. So wurde der kanadischen Provinz Ontario gerade ihre "Local content"-Regelung verboten, wonach Solarkomponenten aus einheimischer Produktion bevorzugt werden sollten. Dies würde, so die WTO, die Regeln des Welthandels verletzen. Interessanterweise lagen dem Beschwerden der EU und Japans zu Grunde. John Clancy, Sprecher der EU-Handelskommission sagte, das Urteil sei eine gute Nachricht, es sei klargestellt worden, dass die Verwendung von hochwertigen und kosteneffizienten Technologien nicht durch protektionistische Maßnahmen behindert werden dürfe. Interessant dürfte werden, wie das dann ab Juni mit den europäischen Strafzöllen auf chinesische PV-Module zusammenpassen soll.

Parkskulptur. Bild: cikaga jamie/CC-BY-2.0

Querparken und gepimpte Straßenlaternen gegen Parkplatznot und für Elektroautos

Bis 2050 dürften weltweit sieben Milliarden Menschen in Städten leben - das wachsende Verkehrschaos wird neue Konzepte fordern. Die Städte werden auch bei uns jetzt schon enger. Nach entsprechenden Vorschlägen in Hamburg sollen deshalb auch in Berlin Parkplätze auf Querparken umgestellt werden. Angedacht ist die Kombination mit Ladestationen. Im zentralen Berliner Stadtbezirk Pankow sollen gegen die notorische Parkplatzknappheit "Mini-Stellplätze" mit einer Länge von nur noch 3,75 Metern entstehen. Der Modellversuch könnte so den Weg bahnen zu allgemein mehr Vorrechten für kleine und zukünftig auch besonders emissionsarme Fahrzeuge und Elektroautos.

Kritik kommt von Anwohnern: Die Miniparkplätze würden doch erst einmal nur Singles, Touristen und Gutverdienern nützen. Auch der ADAC hält den Ansatz mit den Miniparkplätzen für fragwürdig. Eine Privilegierung kleiner Fahrzeuge würde all die Autofahrer in ihrer Mobilität erheblich einschränken, die auf ein größeres Fahrzeug angewiesen sind, das widerspreche dem Gemeingebrauch der Straße.

Im Moment ist das Angebot an kleinen Autos noch bescheiden, aber wenn sich die Miniparkplätze in Städten durchsetzen, dürfte das Konzept Schule machen. So entdeckt auch Hamburg die Miniparkplätze für sich. Dort waren es Anwohner selbst, die im Hamburger Bezirk Eimsbüttel auf die SPD-Fraktion zugegangen sind, Parkplätze nur für kleine Autos zu reservieren. Der Antrag wurde mit den Stimmen der rot-grünen Mehrheit angenommen Die SPD-Fraktion verteidigte den Beschluss, man sei nicht die Lobby für Smarts, es gehe generell um kleine Autos. Der knappe Platz müsse angesichts der inflationären Verbreitung großer Geländewagen vernünftig verwaltet werden. Mit dem Pilotprojekt wolle man auch dafür werben, kleinere Autos zu kaufen.

Japan ist da schon einen Schritt weiter. Wer in der Agglomeration Tokyo ein sogenanntes Kei-Car mit höchstens 3,40 m Länge, 1,48 m Breite, 2 m Höhe und maximal 660 Kubikzentimetern Hubraum fährt, muss keinen eigenen Parkplatz nachweisen. Entsprechend beliebt ist diese Fahrzeugklasse mittlerweile.

In Berlin ist geplant, Parkplätze für Elektroautos zu reservieren, speziell an Straßenlaternen, und diese zu Ladesäulen zu erweitern denn sie verfügen bereits über einen Netzanschluss. Bis zum Jahresende will die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die Zahl der öffentlich zugänglichen Ladepunkte verdreifachen. Bisher gibt es in Berlin gerade mal 100 öffentliche Ladestationen für Elektroautos, bis Ende 2015 sollen es dann 800 sein. Der Umbau einer ganz neuen Station kostet bisher, unter anderem wegen der notwendigen Tiefbauarbeiten, mehrere tausend Euro. Die Ausschreibung wurde deshalb in vier Lose aufgeteilt, um verschiedene Konzepte zu erproben.

Das Berliner Start-up Ubitricity gibt die Umbaukosten für sein System mit 300 bis 400 Euro je Straßenlaterne an. Möglich sei das, weil der Zähler nicht in der Stromtankstelle, sondern im Ladekabel selbst steckt. Das Kabel muss man dann im Auto dabei haben. Andere Anbieter wie Ebee Smart Technologies sehen dagegen einen Zähler in der Säule vor, so dass im Prinzip jeder dort Strom tanken kann.

Von wirklich smarten Konzepten etwa mit Internet-Rückkanal und Ladetarifverträgen, die auch die Vergütung bei Rückeinspeisung einschließen, hört man dagegen im Moment noch nichts. Also erstmal noch Kakophonie bei den Ladesystemen, dabei wären für deren Erfolg doch gerade flächendeckende und zugängliche Lade- und Abrechnungssysteme Voraussetzung.

Fracking-Angst auch um das deutsche Bier

Am Mittwoch soll die Entscheidung für das deutsche Fracking-Gesetz (Wasserhaushaltsgesetz) fallen und damit eine bundesweite Regelung für die Förderung von Gas aus tiefen Gesteinsschichten mit Hilfe von eingepresstem Wasser und Zusatzstoffen eingeführt werden. Nach Nachbesserungen am Gesetzentwurf soll jetzt in Wasser- und Heilquellenschutzgebieten auch ein Hineinbohren von außerhalb untersagt sein, damit die beim Fracking eingesetzten Chemikalien nicht ins Förderwasser gelangen. Allerdings ist weiterhin Fracking in Einzugsgebieten der Trinkwassergewinnung möglich.

Kritik kommt auch aus den Ländern und von Wirtschaftsverbänden. Der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck sieht in den Plänen der Bundesregierung zur Regelung der Gasförderung aus tiefen Gesteinsschichten ein großes Risiko weswegen es Union und FDP das Thema unbedingt vor der Bundestagswahl abhaken wollten um es aus dem Wahlkampf heraus zu halten.

Der von der Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen beauftrage Gutachter Dirk Teßmer kommt zu dem Ergebnis, dass der Gesetzentwurf gar keine substanzielle Erschwernis der Genehmigung von Fracking-Vorhaben darstelle, von einem "Fracking-Moratorium", wie es Bundesumweltminister Altmaier darstellte, könne schon gar keine Rede sein. Die Einführung obligatorischer Umweltverträglichkeitsprüfungen bei Fracking-Vorhaben sei im EU-Recht die Regel, Deutschland passe seine Gesetze also lediglich mit Verzögerung den EU-Anforderungen an. Allerdings sei die größte Schwäche des Gesetzentwurfs, dass er weder Beschränkungen der eingesetzten Chemikalien noch überhaupt eine Pflicht zu deren Offenlegung enthalte.

Kein Wunder, dass da auch die deutschen Brauer besorgt sind. Die Taz berichtet, dass sich der Deutsche Brauer-Bund um die Reinheit des Brauwassers sorgt, denn das im jetzigen Gesetz vorgesehene Verbot von Fracking in Wasserschutzgebieten greife zu kurz, viele Wasservorkommen lägen außerhalb solcher Schutzgebiete. Giftige Stoffe aus dem Fracking könnten deshalb saubere Wasservorkommen, die für die Brauereien existenziell seien, schädigen.

Fracking wurde maßlos überschätzt und könnte jetzt zum Auslöser der nächsten Finanzblase werden

Dabei sind die mit dem Fracking verbundenen Hoffnungen wie sich jetzt herausstellt ohnehin maßlos überschätzt. In Europa war der Hype auch durch Schätzungen von US-Firmen aus den Jahren 2009 bis 2011 ausgelöst worden, die die polnischen Schiefergas-Vorkommen auf 3 bis 5 Billionen Kubikmetern Gas schätzten. Das staatliche polnische Geologischen Institut (PIG) geht jetzt aber davon aus, dass es nur 34 und 76 Milliarden Kubikmeter sein dürften.

Dabei war auch in Polen die Regierung der Euphorie aufgesessen und hatte u.a. schon die Einrichtung eines Generationenfonds mit den Erträgen aus der Erdgasförderung erwogen. Vorbild sollte Norwegen sein, das einen Teil seiner Einnahmen aus der Erdölförderung so anlegt. Doch diese Pläne dürften sich jetzt in Luft auflösen und die Einschätzung des PIG den Tatsachen entsprechen. Denn nachdem schon ExxonMobil ausgestiegen war, haben nun auch die kanadische Firma Talisman und die US-amerikanische Marathon Oil ihren Rückzug aus der polnischen Schiefergas-Erkundung angekündigt.

Und auch in den USA droht der Schiefergas-Euphorie ein unerwartetes schnelles Ende. Mittlerweile werden dort 37 Prozent des Erdgases per Fracking gefördert. Und zunächst sanken, auch wegen der zunächst gestiegenen Gasfördermenge, die Ölimporte im letzten Jahr um 11 Prozent. Die USA konnten so ihren Energiebedarf zu 83 Prozent aus heimischen Quellen decken. Doch Experten mahnen, dass von der geschätzten Fördermenge nur noch ein immer geringerer Teil zu den geschätzten niedrigen Preisen gefördert werden könne. Der Wandel kündigt sich bereits an: 2012 hat sich der Erdgaspreis fast verdoppelt. Doch die Banken hatten bereits wieder Portfolios auf Basis der erwarteten Fracking-Gewinne ausgegeben. Jetzt droht also das Platzen der nächsten Blase wie zuvor bei den US-Immobilien.