Euro unter Druck: Enormer Wertverlust droht
Inflation, Krieg und Sanktionen machen der europäischen Gemeinschaftswährung zu schaffen.
Der Euro verliert an Wert. Am Donnerstag lag der Kurs der europäischen Gemeinschaftswährung bei 1,0472 US-Dollar. Das war der niedrigste Stand seit 2017. Und ein weiteres Absinken halten Experten für möglich, sogar bis unter die Parität zum US-Dollar.
Doch diese Entwicklung zeitigt nicht nur negative Effekte: Gerade exportorientierte Unternehmen könnten sich darüber freuen, da ihre Produkte auf dem Weltmarkt günstiger werden und sie selbst bessere Chancen im Wettbewerb haben. Weniger erfreut sein dürften alle, die auf importierte Waren angewiesen sind, z.B. Energierohstoffe, die dadurch teurer werden.
Der Euro stehe seit geraumer Zeit unter Druck, schrieb das Handelsblatt am Donnerstag. Unter anderem weil die Europäische Zentralbank so zögerlich gegen die Inflation vorgehe. Die US- Notenbank habe dagegen längst begonnen, im Kampf gegen die Inflation die Zinsen anzuheben.
Der Kursverlust des Euro ist aber auch ein Zeichen für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Euro- Länder, die mit dem Krieg in der Ukraine auftreten. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte letzte Woche schon seine Prognose für die Euro-Länder nach unten korrigiert. Die Unsicherheit bei der Energieversorgung bremst das Wachstum: Statt den zuvor geschätzten 3,9 Prozent soll die Wirtschaft der Euro-Länder in diesem Jahr nur noch 2,8 Prozent wachsen. Besonders Deutschland habe einen schweren Schlag erlitten, schrieb die New York Times.
Sackte der Euro im Vergleich zum US-Dollar jetzt schon deutlich ab, könnte er bald ganz unter die Parität rutschen. Das erwarten Experten für den Fall, dass die Europäische Union ihren Energiekrieg mit Russland weiter eskaliert und einen Bann auf Importe russischen Gases aussprechen sollte. Dann stünden "eine transatlantische Divergenz und ein erheblicher Rückgang des Euros bevor", prognostizierte Robin Brooks, Chefvolkswirt des Internationalen Bankenverbands (IIF).
Über die Folgen eines Lieferstopps bei russischem Gas ist man sich durchaus bewusst. Sowohl im politischen Berlin als auch bei der Europäischen Union wäge man ab, wie weit man mit den Sanktionen russischer Energieexporte gehen könne, sagte Jonathan Hackenbroich, policy fellow für auswärtige Beziehungen beim Europäischen Rat.
Der NYT sagte er weiter, eine vollständige Gasabschaltung hätte "verheerende Folgen für die deutsche und europäische Wirtschaft". Fabriken müssten die Produktion drosseln oder ganz schließen. Einige Schlüsselindustrien könnten sogar für immer verloren gehen. Es sei überhaupt schwierig, die ganze Breite der Folgen abzuschätzen.
Ein Embargo für russische Energie werde wohl eine Rezession in Europa auslösen, und eine hohe Inflation "würde zu einer noch höheren Inflation", gab Carsten Brzeski, globaler Forschungsleiter bei der ING Bank zu bedenken.
"All dies ist eindeutig negativ für die kurzfristigen Aussichten", sagte Brzeski weiter. Und zu allem Überfluss kämen zu den hohen Energie- auch hohe Rohstoffpreise und gestörte Lieferketten hinzu. Alles zusammen würde die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas gefährden.
Nun wird erwartet, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ebenfalls die Zinsen anhebt, um der Inflation gegenzusteuern – doch sie hat bislang nicht vor, schnell zu reagieren. Voraussetzung für ein Anheben der Zinsen ist, dass die EZB ihre Anleihe-Käufe stoppt. Die sollen aber bis Juni nur auf monatlich 20 Milliarden Euro reduziert werden. Vor wenigen Tagen sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde, dass die Anleihekäufe mit hoher Wahrscheinlichkeit im dritten Quartal auslaufen würden.
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