Europa als Krisenzentrum
Seite 2: Wechselwirkung von Defizitbildung und Exportausrichtung auf globaler Ebene
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- Wechselwirkung von Defizitbildung und Exportausrichtung auf globaler Ebene
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Die Eurozone ist somit von riesigen Ungleichgewichten in der Leistungsbilanz geprägt, die sich zwischen der exportfixierten Bundesrepublik und der restlichen Eurozone ausbildete. Deutschland profitierte von den Verschuldungsprozessen in Südeuropa, ohne dass hierzulande ähnlich dramatische Verschuldungsprozesse abliefen. Und genau diese Konstellation spiegelt nur die Gegebenheiten auf globaler Ebene wieder, wie sie das gesamte kapitalistische Weltsystem charakterisieren. Die gesamte Weltwirtschaft ist von solchen Ungleichgewichten geprägt, bei denen Defizitbildung und Exportausrichtung in Wechselwirkung treten.
Auf globaler Ebene waren es die USA, die ein gigantisches Handelsdefizit ausprägten und somit global die Handelsüberschüsse vieler Volkswirtschaften aufnahmen. Insbesondere die Handelsüberschüsse Chinas gegenüber den Vereinigten Staaten nehmen ähnlich exzessive Ausmaße an wie diejenigen Deutschlands gegenüber der Eurozone. Die Ursache hierfür ist die gleiche: Die chinesische Währung ist eng an den US-Dollar gekoppelt, was Währungsabwertungen unmöglich macht.
Diese globalen wie europäischen Ungleichgewichte sind, wie die ihnen zugrunde liegende Verschuldungsdynamik, nur Ausdruck einer Systemkrise der kapitalistischen Wirtschaftsweise, die aus den Widersprüchen der kapitalistischen Warenproduktion resultiert. Eine immer weiter gesteigerte Produktivität der Industrie führt gerade dazu, dass der Kapitalismus ohne permanente Schuldenbildung - die zusätzliche Nachfrage generiert - kollabieren würde (siehe dazu auch: Die Krise kurz erklärt, sowie die ersten beiden Teile der Artikelserie). Ohne die zusätzliche schuldengenerierte Nachfrage würde das System in einer gigantischen Überproduktionskrise ersticken, die sich in einer enormen Massenarbeitslosigkeit bei gleichzeitiger Überflutung der Märkte mit "unverkäuflichen" Waren äußern würde. Nicht nur die Europäische Union, das gesamte kapitalistische Weltsystem führt somit eine Art Zombieleben, das nur durch permanente Defizitbildung aufrechterhalten werden kann.
Gerade aus diesem Zwang zur Schuldenaufnahme resultieren die besagten Ungleichgewichte: Die kapitalistischen Volkswirtschaften entwickelten sich in zwei verschiedene Richtungen, um dieser systemischen Überproduktionskrise zu begegnen: Sie verschuldeten sich, um die besagte Defizitkonjunktur auszubilden, wie Griechenland, Spanien, Irland oder die USA. Oder sie versuchen, die Widersprüche der spätkapitalistischen Produktionsweise zu "exportieren", wie es Deutschland, China (gegenüber den USA), Südkorea oder Japan machen. Diese Leistungsbilanzüberschüsse erhielten überall dort eine exzessive Ausprägung, wo keine Währungsabwertungen zwischen den Exportwirtschaften und den Defizitländern möglich waren - also bei den gigantischen Überschüssen Chinas gegenüber den USA und Deutschlands gegenüber der Eurozone. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass etwa China und die Bundesrepublik von diesen Verschuldungsprozessen existenziell abhängig sind.
Deutschland ist somit genauso wenig schuld an der Krise wie die Südeuropäer (Wer ist schuld am Krisenausbruch?), da beide Seiten nur unterschiedliche Wege einschlugen, um auf den kriegsbedingt zunehmenden Verdrängungswettbewerb in der Eurozone und auf den Weltmärkten zu reagieren. Die zunehmende Verschuldungsdynamik in der südlichen Peripherie der Eurozone kaschierte über etliche Jahre die Folgen der schleichenden Deindustrialisierung, die aufgrund der Erfolge der deutschen Exportindustrie in Südeuropa einsetzte. Die Krise der Arbeitsgesellschaft in Südeuropa wird erst jetzt voll ersichtlich, nachdem die dortigen Spekulationsblasen geplatzt sind und die Arbeitslosigkeit in schwindelerregende Höhen klettert. Dabei war es gerade diese Absenkung des Zinsniveaus in Südeuropa, die angesichts des Verschuldungszwangs des kapitalistischen Systems so attraktiv war, da hierdurch de facto über Jahre schon "Eurobonds" für Südeuropa gegeben waren. Die Zinsunterschiede zwischen südeuropäischen Staaten und der Bundesrepublik waren bis Krisenausbruch marginal, wodurch die Schuldenaufnahme schlagartig in einer großen Region befördert wurde.