Europa im Hitzestress

Seite 2: Wenige Jahre verbleiben noch für 1,5 Grad

Global betrachtet hat 2022 zwar keinen neuen Temperaturrekord aufgestellt, aber es gehört zu den acht wärmsten Jahren, die alle in die letzten acht Jahre fallen. Das vergangene Jahr war etwa 0,3 Grad Celsius wärmer als der Durchschnitt der Jahre 1991 bis 2020, die bei Copernicus als Referenzperiode genommen werden. Damit habe die über den ganzen Planeten und das ganze Jahr gemittelte Temperatur rund 1,2 Grad Celsius über dem Durchschnitt der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelegen.

Diese Zeit wird meist als vorindustrielle Zeit betrachtet, auf die sich die Zielvorgaben der internationalen Verträge bezieht. Zwar ist das historisch nicht ganz korrekt, aber die industriellen Aktivitäten und damit der Treibhausgasausstoß waren in diesen Jahrzehnten im Vergleich zum 20. Jahrhundert noch vernachlässigbar. Außerdem liegen aus der Zeit vor 1850 zu wenig präzise Temperaturdaten vor, um globale Mittelwerte bestimmen zu können.

Wir sind also nur noch 0,3 Grad Celsius von jenen 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau entfernt, die, wie 2015 in der Pariser Klimaübereinkunft vereinbart, "möglichst" nicht überschritten werden sollen. Beim gegenwärtigen Tempo der globalen Erhitzung werden wir diese Grenze irgendwann im nächsten Jahrzehnt überschreiten.

Wir hatten an dieser Stelle bereits vergangene Woche über die Gefahren geschrieben, die ein auch nur vorübergehendes Überschreiten dieser 1,5-Grad-Celsius-Grenze mit sich brächte. Eine neue Risikoanalyse des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und anderer Institute hatte vor dem Erreichen sogenannter Kipppunkte gewarnt.

In verschiedenen Subsystemen wie der Nordatlantischen Zirkulation, den Eisschilden auf Grönland und in der Antarktis oder dem tropischen Regenwald im Amazonasbecken könnten Auflösungsprozesse angestoßen werden, die auch mit der künstlichen Entnahme großer Mengen CO2 aus der Atmosphäre später nicht mehr aufzuhalten wären.

Doch seine groß angelegte Entnahme von CO2 aus der Lufthülle des Planeten ist ohnehin noch Zukunftsmusik. Im Augenblick steigt die atmosphärische CO2-Konzentration weiter an, denn rund die Hälfte dessen, was durch Verbrennungsmotoren, Industrieprozesse, Kraftwerke und durch Entwaldung in die Atmosphäre gelangt, bleibt dort für die nächsten Jahrtausende. Um 2,1 Millionstel Volumenanteile (ppm, "parts per million") nahm sie 2022 zu, wie die von Copernicus ausgewerteten Satellitendaten ergaben.

Der Anstieg der globalen Kohlendioxid- und Methan-Konzentration in der Atmosphäre seit 2003. Bild: ECMWF

Auch die Methankonzentration ist weiter gestiegen, und zwar in den vergangenen drei Jahren jeweils so stark wie seit langem nicht mehr. Methan ist auf einen Zeitraum von hundert Jahren hochgerechnet im Vergleich von Molekül zu Molekül 27 bis 30 Mal so klimaschädlich wie CO2.

Der seit etwa Mitte der 2000er Jahre wieder zu beobachtende weitere Anstieg der atmosphärischen Methankonzentration wird vor allem auf die vielen Lecks beim sogenannten Fracking, der unkonventionellen Förderung von Erdgas, zurückgeführt, das insbesondere in den USA sehr weit verbreitet ist. Künftig soll dieses besonders klimaschädliche Gas per LNG-Tanker auch den deutschen Markt erreichen. An den Küsten im Norden wurden dieser Tage die ersten Tanker gelöscht.

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