Europa vor dem Auseinanderfallen?

Seite 2: Der Spaltpilz der sozialen Medien

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Die Populisten in Europa und den USA verstehen es, diese Ängste politisch für sich nutzbar zu machen. Mit ihrem geschickten Einsatz der digitalen Medien schaffen sie es, die wirtschaftlichen und sozialen Probleme den Minderheiten (Ausländer, Migranten, Flüchtlinge, Moslems, Mexikaner etc.) oder angeblich betrügerischen Eliten (Politiker, Manager, Journalisten etc.) umzuhängen.

Man muss allerdings einräumen, dass den eigentlichen Nährboden für diese populistischen Attacken die politischen Defizite der etablierten Politiker und Parteien bilden. Sie haben es weder geschafft, die globale Modernisierung in geordnete Bahnen zu lenken, noch die Finanzkrise endgültig zu bewältigen oder die Flüchtlingsmigration zu stoppen.

Als regelrechter Katalysator wirkte die globale Finanzkrise, die in Deutschland zur Gründung der AfD und in den USA zur Entstehung der Tea Party führte. In anderen Ländern wie Frankreich und Österreich sprangen bereits existierende populistische Parteien flugs auf diesen Zug auf. Die nächste Stufe des teilweisen Kontrollverlusts der etablierten Parteien in Europa gab es während der Flüchtlingskrise zu besichtigen.

Die sozialen Medien, einst als großartiger Fortschritt der Kommunikation gefeiert, haben in diesen aufgewühlten Zeiten ihre negative Seite offenbart. Als die klassischen Medien noch die Dominanz innehatten, gab es Redakteure, die als "Gatekeeper" entschieden, was eine Nachricht ist, was eine Spekulation, was ein Gerücht oder eine glatte Falschmeldung.

Dieser Filter existiert nicht mehr. Stattdessen zerfällt die öffentliche Diskussion in Echokammern, in denen von Algorithmen ausgewählte Meldungen und Gerüchte das Weltbild von widerstreitenden Gruppen bestimmen. Früher hatten die Menschen unterschiedliche Meinungen zu den gleichen Fakten, nun sind sogar die Fakten unterschiedlich.

In den digitalen Medien tobt bereits ein Bürgerkrieg - nicht zwischen Links und Rechts, sondern zwischen der Mitte und den Rändern, zwischen Demokraten und Populisten. Es geht nicht um Austausch oder den Ausgleich von Überzeugungen und Interessen, sondern um die Meinungsmacht.