Europas teure Panzer-Träume: Im Drohnenkrieg zerschlagen?

KI generierte Illustration
Ukraine-Krieg verändert Panzer-Strategie. Indien und die VAE modernisieren alte Panzerflotten – Europa investiert Milliarden in neue Kampfpanzer. Experten warnen.
Europa investiert Milliarden in neue Panzergenerationen – Indien und die Vereinigten Arabischen Emirate modernisieren stattdessen lieber ihre vorhandenen Kampffahrzeuge.
Denn die jüngsten Entwicklungen im Ukraine-Krieg haben gezeigt, dass selbst modernste westliche Panzer wie der deutsche Leopard 2 oder der amerikanische M1 Abrams unter den Bedingungen der drohnengestützten Kriegsführung erhebliche Verwundbarkeiten aufweisen – eine Erkenntnis, die etablierte Annahmen über die Überlegenheit neuerer Systeme infrage stellt.
Indien investiert in neue Motoren und Schutzsysteme
Wie Bulgarian Military berichtet, hat das indische Verteidigungsministerium Anfang März einen Vertrag im Wert von 248 Millionen US-Dollar mit dem russischen Staatsunternehmen Rosoboronexport abgeschlossen, um leistungsstärkere Motoren für seine alternde T-72-Panzerflotte zu beschaffen.
Der Vertrag umfasst die Lieferung von 1.000-PS-Motoren, die die vorhandenen 780-PS-Aggregate in den T-72-Panzern ersetzen sollen. Diese Motoren werden in verschiedenen Lieferzuständen bereitgestellt: vollständig montiert, teilmontiert und als Bausätze. Damit will Indien nicht nur die Leistung seiner Panzer steigern, sondern auch eigene Fertigungskapazitäten aufbauen.
Und so beinhaltet der Vertrag einen Technologietransfer an die indische Firma Armoured Vehicles Nigam Limited in Avadi, Chennai, der im Einklang mit der "Make in India"-Initiative steht.
Parallel dazu plant Indien auch die Modernisierung seiner T-90-Kampfpanzer. Wie die EurasianTimes berichtet, hat der Defense Acquisition Council unter Vorsitz von Verteidigungsminister Rajnath Singh kürzlich ein umfassendes Beschaffungsvorhaben im Wert von 6,26 Milliarden Dollar genehmigt.
Die Aufrüstung der indischen T-90-Panzer ist eines von acht Projekten, die vom Rat bewilligt wurden, und sieht den Ersatz der 1.000-PS-Motoren durch leistungsstärkere 1.300-PS-Aggregate vor.
Diese Motorenaufrüstung ist besonders für den Einsatz in Hochgebirgsregionen wie Sikkim und Ladakh entlang der von China besetzten indischen Grenzgebiete relevant. In den extremen Höhen wird durch das Motorupgrade die Mobilität der Panzer erheblich verbessert.
Zudem hat Indien auch Lehren aus dem Ukraine-Krieg gezogen, der die Verwundbarkeit von Panzern gegenüber Drohnen und anderen modernen Bedrohungen aufzeigte. Als Reaktion darauf sucht die indische Armee nach abstandsaktiven Schutzmaßnahmen (APS), um die Überlebensfähigkeit ihrer T-90-Panzer gegen Angriffe von oben zu erhöhen.
Der pragmatische Ansatz der Vereinigten Arabischen Emirate
Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) verfolgen einen ähnlich pragmatischen Ansatz wie Indien. Wie Bulgarian Military berichtet, haben die VAE kürzlich auf der Rüstungsmesse IDEX-2025 einen bedeutenden Vertrag mit dem türkischen Verteidigungsunternehmen FNSS abgeschlossen, um ihre Flotte von 615 BMP-3-Schützenpanzern sowjetischen Ursprungs umfassend zu modernisieren.
Der nun mit FNSS abgeschlossene Modernisierungsvertrag zielt darauf ab, diese älteren Kampffahrzeuge grundlegend zu überholen. Laut Bulgarian Military wird FNSS Motoren, Getriebe, Fahrwerke und gleichzeitig die elektrische Verkabelung und elektronische Steuerungen erneuern.
Europa: Neubeschaffungswelle mit extremen Kosten
Europa befindet sich dagegen inmitten einer beispiellosen Neubeschaffungswelle bei gepanzerten Fahrzeugen. Wie Telepolis bereits berichtete, planen europäische Staaten wie Italien, Spanien, Deutschland und Polen zusammen die Beschaffung von mindestens 4.500 neuen Kampf- und Schützenpanzern für mehr als 60 Milliarden Euro in den kommenden Jahren.
Besonders problematisch erscheinen die extremen Kosten: Der Kampfpanzer Panther von Rheinmetall schlägt mit etwa 26 Millionen Euro zu Buche, während Russland für einen modernen Kampfpanzer T-90M lediglich etwa 4,5 Millionen Dollar zahlt – ein Fünftel der europäischen Kosten.
Das zweite Problem betrifft die kriegstechnische Relevanz. Viele europäische Panzerbestellungen werden erst in einigen Jahren ausgeliefert – Italien plant beispielsweise mit einem Produktionshochlauf erst ab 2029. Zu diesem Zeitpunkt könnten konventionelle Panzer jedoch bereits durch die technologische Entwicklung im Bereich der Drohnenkriegsführung überholt sein.
Der schwierige Einbau von Drohnenabwehrsystemen
Zudem stößt die wahrscheinlich nachträglich erforderliche Integration von Drohnenabwehrsystemen auf ein klassisches Dilemma westlicher Panzerentwicklung: Die Fahrzeuge sind bereits im Grundzustand so schwer, dass zusätzliche Schutzsysteme die Mobilität kritisch einschränken würden.
Denn Drohnen haben in der Ukraine zu einer fundamentalen Transformation der Kriegsführung geführt: der Molekularisierung des Gefechtsfeldes. Durch die allgegenwärtigen Drohnen, die entweder selber zuschlagen oder rückwärtige Artilleriekräfte lenken können, ist ein Aufmarsch überlegener Kräfte nur noch unter großen Verlusten denkbar und wird de facto vermieden.
Stattdessen findet eine Molekularisierung der modernen Kriegsführung statt: dem systematischen Einsatz nur einer kleiner Anzahl leichter Fahrzeuge auf dem Gefechtsfeld. Strandbuggys, Motorräder und ähnliche leichte Plattformen erweisen sich als ideal für diese neue Form des Gefechts.
Klassische Hauptkampfpanzer werden demgemäß nur vereinzelt als schwer zusatzgepanzertes Pionierfahrzeug verwendet, welches wenigen Schützenpanzern vorausfährt, falls leichtere Fahrzeuge auf zu viel Widerstand stoßen.
Ukraine-Krieg: Neubewertung älterer Kampfpanzersysteme
Diese neue Realität der molekularen Kriegsführung führt zu einer für viele Beobachter überraschenden Neubewertung älterer Kampfpanzersysteme. Was früher als veraltet galt, erscheint plötzlich in einem anderen Licht. So kommt die US-Publikation National Interest zu einer für westliche Militärexperten geradezu ketzerisch anmutenden Einschätzung:
Der sowjetische T-72 ist der beste Panzer der Welt. Nein, er ist in keiner Weise hochtechnologisch oder ausgeklügelt wie der amerikanische Abrams oder der deutsche Leopard-2. Aber er erledigt seinen Job.
The National Interest
Diese provokante Bewertung stützt sich auf konkrete Beobachtungen aus dem Ukraine-Krieg, wo der T-72 seine Stärken ausspielen konnte: geringe Komplexität, kosteneffektive Upgrademöglichkeiten durch gewichtseffiziente Bauweise und robuste Leistung unter intensiven Kampfbedingungen.
Im Gegensatz dazu mussten westliche Panzer wie der amerikanische Abrams teilweise von der Front abgezogen werden, da sie nicht die erwartete Wirkung erzielten – laut National Interest dominiert der T-72 das Schlachtfeld in der Ukraine.
Diese Einschätzung gewinnt zusätzliches Gewicht durch Russlands jüngste Entscheidung, die T-72B3M-Panzer mit dem Arena-M Active Protection System auszustatten – eine Maßnahme, welche die Publikation Army Recognition als bedeutenden Schritt zur Steigerung der Überlebensfähigkeit dieser Plattform wertet.
Diese Renaissance des T-72 stellt damit nicht nur die europäischen Milliarden-Investitionen infrage, sondern bestätigt auch die Rationalität der von Indien und den VAE verfolgten Modernisierungsstrategie.
Für einen Bruchteil der Kosten eines Neukaufs erhalten diese Länder Fahrzeuge mit deutlich verbesserten Fähigkeiten. Indiens Investition von 248 Millionen Dollar in neue Motoren für die T-72-Flotte kostet weniger als der Kauf von zehn modernen westlichen Kampfpanzern.
Kritischer Faktor Zeit
Dem gegenüber steht Europas Strategie massiver Neuinvestitionen in schwere Kampfpanzer wie den Panther oder modernisierte Leopard-Varianten. Diese Fahrzeuge kosten ein Vielfaches der modernisierten T-72 oder T-90, bieten aber nicht zwangsläufig einen proportional höheren Kampfwert – besonders unter den Bedingungen der drohneninduzierten molekularen Kriegsführung, die in der Ukraine zu beobachten ist.
Ein weiterer kritischer Faktor ist die Zeit. Während die Modernisierungsprogramme von Indien und den VAE relativ schnell Ergebnisse liefern können, werden viele der europäischen Neubeschaffungen erst in fünf bis zehn Jahren einsatzbereit sein.
Denn die zentrale Frage ist: Sind moderne Kampfpanzer bereits veraltet, bevor sie ausgeliefert werden? Die Erfahrungen aus der Ukraine deuten darauf hin, dass selbst die modernsten Panzer wie der Leopard 2 oder der Abrams gegen die allgegenwärtige Drohnenbedrohung hochverwundbar sind.
Aktive Schutzsysteme wie das russische Arena-M oder das israelische Trophy bieten zwar einen gewissen Schutz gegen Panzerabwehrraketen, haben sich aber gegen Drohnenangriffe bisher nicht überzeugend bewährt.
Die neue Richtung: Unbemannte Systeme
Die Zukunft der gepanzerten Kriegsführung könnte deshalb in eine völlig andere Richtung gehen. Wie Telepolis berichtete, präsentierte das estnische Unternehmen Milrem Robotics mit dem Havoc ein unbemanntes Kampffahrzeug, das einen fundamentalen Wandel im Panzerbau einleiten könnte.
Mit 15 Tonnen ist der Havoc deutlich leichter als konventionelle Kampffahrzeuge wie der GTK Boxer, bietet aber mit seiner 30-mm-Kanone und modularen Bewaffnungsoptionen eine vergleichbar substantielle Feuerkraft.
Solche unbemannten Systeme haben entscheidende Vorteile: Sie können in hochriskanten Umgebungen eingesetzt werden, ohne Menschenleben zu gefährden, sind kostengünstiger zu produzieren als schwere Kampfpanzer und bieten durch ihr geringeres Gewicht eine höhere taktische Mobilität.
Mit fortschreitender KI-Technologie könnten aktuelle Einschränkungen unbemannter Systeme schrittweise überwunden werden, sodass in nicht allzu ferner Zukunft Schwärme koordinierter unbemannter Kampffahrzeuge komplexe militärische Aufgaben bewältigen könnten.
So könnten sowohl die europäischen Milliarden-Investitionen in schwere Kampfpanzer als auch die Modernisierungsstrategien von Indien und den VAE lediglich Übergangslösungen darstellen. Die Zukunft des Panzerbaus könnte in Richtung leichterer, agilerer und netzwerkfähiger Systeme gehen, die in Schwärmen operieren und durch fortschrittliche KI koordiniert werden.
So könnte der Modernisierungsansatz von Indien und den VAE unter kurzfristigen Gesichtspunkten der rationalere sein: Er bindet weniger Ressourcen in möglicherweise bald veralteten Technologien und erlaubt eine flexiblere Anpassung an die sich schnell entwickelnde Bedrohungslage – während gleichzeitig Zeit gewonnen wird, um die wahrhaft disruptiven Technologien wie unbemannte Kampfsysteme zu entwickeln und zu integrieren.