Expertenbericht bestätigt Klimawandel – und stellt konkrete Forderungen an die Politik

Neues Ausmaß von Erderwärmung und extremer Wetterereignisse im Jahr 2023. Verbrauch fossiler Energieträger anhaltend hoch. Experten fordern gerechteres Wirtschaftssystem – und eine entscheidende Änderung.

Das Jahr 2023 war ein Jahr beispielloser Klimaextreme. Unter anderem gab es bereits 38 Tage, an denen die globale Durchschnittstemperatur um mehr als 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau lag, dem Wert, der laut Pariser Klimaabkommen nicht überschritten werden darf.

Bis zu diesem Jahr waren solche Tage eine Seltenheit, wie Klimaforscherinnen und -forscher unter Beteiligung von Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), in einem in der vergangenen Woche veröffentlichten Bericht darlegen.

Das internationale Forscherteam aus fünf Kontinenten mit den Leitautoren William J. Ripple und Christopher Wolf untersuchte 35 Vitalparameter der Erde, von denen 20 Extremwerte aufwiesen.

Ripple, Wolf und Kolleg:innen stellten bereits im Jahr 2020 den Klimanotstand fest, ihre Erklärung wurde mittlerweile von 15.000 Wissenschaftler:innen unterzeichnet. In der Einleitung des Klimaberichts 2023 heißt es nun:

Seit mehreren Jahrzehnten warnen Wissenschaftler immer wieder vor einer Zukunft, die von extremen klimatischen Bedingungen geprägt sein wird. Grund dafür sind die steigenden globalen Temperaturen, die durch die anhaltenden menschlichen Aktivitäten verursacht werden, die schädliche Treibhausgase in die Atmosphäre abgeben. Die Zeit ist leider abgelaufen. Wir erleben, wie sich diese Vorhersagen bewahrheiten, da eine alarmierende und noch nie dagewesene Reihe von Klimarekorden gebrochen wird, was zutiefst erschütternde Szenen des Leidens hervorruft. Wir betreten mit der Klimakrise ein unbekanntes Terrain, eine Situation, die in der Geschichte der Menschheit noch niemand aus erster Hand erlebt hat."

Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre belaufe sich mittlerweile auf 420 ppm (Teile pro Million), ein Wert, der weit über dem als planetare Grenze definierten Wert von 350 ppm liegt.

Wie an Land wurden auch an der Meeresoberfläche Temperaturen weit über dem bisherigen Durchschnitt gemessen, während die Eismassen der Gletscher, des Grönlandeises und des Meereises in der Arktis weiter zurückgingen.

Zu den katastrophalen und tödlichen Extremwetterereignissen des Jahres 2023 gehörten schwere Überschwemmungen in China, Sturzfluten und Erdrutsche in Nordindien, Hitzewellen in den USA und der Mittelmeersturm Daniel, der in Libyen tausende Menschenleben forderte.

Zu den Extremen des laufenden Jahres zählen auch die beispiellosen Waldbrände in Kanada, die mehr als eine Gigatonne Kohlendioxid freigesetzt haben – mehr als die gesamten Treibhausgasemissionen Kanadas im Jahr 2021.

Und nicht nur die extrem hohen Durchschnittstemperaturen des Jahres zeigten, dass die Menschheit nicht auf dem Weg ist, die Erderwärmung auf ein erträgliches Maß zu begrenzen.

"Grüner Wiederaufbau" bleibt aus

Ein "grüner Wiederaufbau", auf den viele nach der Covid-19-Pandemie gehofft hatten, habe nicht stattgefunden, wie die Autor:innen des Berichts konstatieren.

Der weltweite Kohleverbrauch erreichte im Jahr 2022 einen neuen Rekordwert, und obwohl der Verbrauch erneuerbarer Energien zwischen 2021 und 2022 um 17 Prozent gestiegen ist, ist der Verbrauch fossiler Energieträger immer noch 15-mal höher als der Verbrauch erneuerbarer Energien.

Die Subventionen für fossile Energieträger sind so hoch wie nie zuvor. "Obwohl diese Subventionen die Verbraucher teilweise vor Preiserhöhungen schützen können, sind sie oft nicht zielgerichtet und tragen dazu bei, die Nutzung fossiler Brennstoffe und die damit verbundenen Gewinne gegenüber kohlenstoffarmen Alternativen zu fördern", so die Autor:innen.

Die Auswirkungen der globalen Erwärmung werden immer schwerer, was auch einen weltweiten gesellschaftlichen Zusammenbruch in den Bereich des Möglichen rückt, resümieren die Wissenschaftler:innen und sprechen eine Reihe dringender Empfehlungen aus. Um Gerechtigkeit herzustellen, sollte allen Menschen auch ein gleiches Maß an Ressourcen und Energie pro Kopf zur Verfügung stehen.

Auf technischer Ebene sollte weiter an Methoden geforscht werden, um der Atmosphäre CO2 zu entziehen, ohne sich jedoch darauf zu verlassen, dass diese Techniken in der Zukunft erfolgreich sein werden, und ohne sie an die Stelle heutiger Emissionsreduktionen zu setzen.

Sie schlagen ein internationales Abkommen zum Kohleausstieg vor, da die Kohleverbrennung heute noch für rund 40 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich ist.

Besonderer Forschungsbedarf bestehe in Bezug auf Rückkopplungen im Klimasystem – hier schlagen die Wissenschaftler:innen einen neuen Sonderbericht des Weltklimarates IPCC vor.

Forschungs- und Handlungsbedarf sehen sie auch bei einer klimaangepassten Landwirtschaft, da sonst die Zahl der Hungernden weiter steigen werde, insbesondere bei gleichzeitigen Ernteausfällen in mehreren Weltregionen. In den Industrieländern müsse die Nahrungsproduktion zunehmend auf eine pflanzenbasierte Ernährung umgestellt werden.

Zudem soll die Weltbevölkerung langsam wieder schrumpfen. Um dies zu erreichen, müssten die Rechte und die Bildung von Frauen und Mädchen gestärkt werden.

Und nicht nur die Erderwärmung, sondern auch die Überschreitung ökologischer Grenzen müsse begrenzt werden. Nur so könnten die Herausforderungen des Klimawandels langfristig bewältigt werden.

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