Explosion nur durch Tritte gegen Tasche verhindert?

Generalbundesanwalt erhebt Anklage gegen vier Salafisten aus Nordrhein-Westfalen

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Am 10. Dezember 2012 stellten Polizisten am Gleis 1 des Bonner Hauptbahnhofs eine blaue Sporttasche sicher, in der sich eine Rohrbombe befand. Nun hat Generalbundesanwalt Harald Range Anklage gegen den 26-jährigen Bonner Salafisten Marco G. erhoben. Er wird beschuldigt, die Rohrbombe gebaut und explosionsbereit am Hauptbahnhof seiner Heimatstadt abgestellt zu haben, damit sie dort eine möglichst große Zahl von Menschen tötet.

Außerdem wirft man ihm vor, zusammen mit dem albanischen Staatsangehörigen Enea B. und den Deutschtürken Koray D. und Tayfun S. eine Terrorgruppe gegründet und im März 2013 einen Mordanschlag vorbereitet zu haben. Die Beweise und Indizien dazu füllen mittlerweile 350 Aktenordner. Kommt der Staatsschutzsenat des Oberlandesgericht Düsseldorf zum Ergebnis, dass sie stichhaltig sind, droht Marco G. lebenslange Haft wegen versuchten Mordes (§ 211 StGB) und versuchten Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion (§ 308 in Verbindung mit § 23 StGB). Seine Mittäter müssen wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung (§ 129 a StGB), Verabredung zum Mord und Verstößen gegen das Waffengesetz mit Freiheitsstrafen bis zu 15 Jahren rechnen.

Der Prozess könnte Aufschluss darüber bringen, ob ein Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel zutrifft, nach dem die von G. geplante Massentötung nur durch einen Zufall verhindert wurde: Danach funktionierte der ohne fundierte Fachkenntnis gebastelte Zündmechanismus bloß deshalb nicht mehr, weil er durch Tritte beschädigt wurde. Wer der Tasche diese Tritte beibrachte, ist bislang ebenso offen wie die Frage, ob dies absichtlich geschah. Möglicherweise wollten jugendliche Rowdys etwas zerstören – und bewirkten unbeabsichtigt das Gegenteil. Der Generalbundesanwalt will sich hierzu nicht näher äußern und verlautbart lediglich, das "Vorhaben des Angeschuldigten" sei "entweder aufgrund eines Konstruktionsfehlers oder einer instabilen Zündvorrichtung" fehlgeschlagen.

Mehr Klarheit herrscht über den von der Terrorgruppe geplanten Mordanschlag: Er galt dem Leverkusener Rechtsanwalt Markus Beisicht, der Vorsitzender der Partei Pro NRW ist, die im Landtagswahlkampf 2012 Mohammed-Karrikaturen der dänischen Tageszeitung Jyllands-Posten verwendete. Den Ermittlungsbehörden zufolge hatten sich die vier Salafisten bereits Waffen und Schalldämpfer besorgt, mit denen der Vater zweier zehn und vierzehn Jahre alter Kinder am 13. März 2013 ohne viel Lärm erschossen werden sollte. Außerdem "spähten [sie Beisichts] Wohnort […] aus und erkundeten mögliche Fluchtwege". Dabei machten sie jedoch den Fehler, sich im Auto von Marco G. über den Mordplan zu unterhalten, in dem die Polizei eine Abhörvorrichtung installiert hatte.

Welche Verteidigungsstrategie die Anwälte der Angeklagten wählen werden, ist noch nicht klar. Peter Krieger, der Strafverteidiger von Marco G., kritisiert bislang lediglich, dass der Generalbundesanwalt die Öffentlichkeit mit einer Presseerklärung informierte. Das, so Krieger, leiste einer "medialen Vorverurteilung" seines Mandanten Vorschub.

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