Explosionsartige Ausweitung der Finanzmärkte in der Clinton-Ära

Seite 4: Krise der Arbeitsgesellschaft

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Von einem "unüberbrückbaren Konflikt im Herzen der Marktwirtschaft" spricht beispielsweise Jeremy Rifkin in einem Bericht, in dem er die globale Zunahme der Arbeitslosigkeit beschreibt. Zwischen 1998 und 2004 haben beispielsweise Großbritannien 14 und die USA 12 Prozent aller Arbeitsplätze in der Industrie verloren, so der Chef der Washingtoner Foundation on Economic Trends. Global sei die Arbeitslosenzahl von 800 Millionen in 1995 auf über eine Milliarde in 2004 gestiegen. Laut Rifkin gingen zwischen 1995 und 2002 über 31 Millionen Industriearbeitsplätze in den 20 größten Volkswirtschaften verloren, wobei jede Region der Welt einen Rückgang der Beschäftigtenzahl in der Industrie verbuchte - und das in einem Zeitraum, in dem die globale Industrieproduktion um 30 Prozent anstieg.

Eine ähnliche Entwicklung prognostiziert Rifkin für den Dienstleistungssektor, wo "intelligente Technologien" Arbeitskraft zusehends überflüssig werden lassen. "Selbst wenn die Produktion ihren Anteil am BSP halten sollte, werden wir aufgrund der Produktivitätssteigerung weiter Jobs verlieren", erläuterte Donald Grimes, Ökonom der University of Michigan. "Es ist, als ob man gegen einen großen Gegenwind ankämpft." Die amerikanische Stahlindustrie hat beispielsweise in den vergangenen 20 Jahren ihre Produktion von 75 Millionen Tonnen auf 102 Millionen Tonnen steigern können, während die Anzahl der US-Stahlarbeiter von 289.000 auf 74.000 gefallen ist.

Die deutsche Wochenzeitung Die Zeit berichtete über die Auswirkungen erhöhter Produktivität auf die deutsche Autowirtschaft:

Die Krux an der Situation: Selbst wenn die deutschen Hersteller die Verkäufe ihrer Fahrzeuge konstant halten können, wächst mit jedem neuen Modell der Druck auf die Arbeitsplätze. Die Produktivität beim Wechsel von Golf V auf Golf VI sein in Wolfsburg um mehr als zehn Prozent und in Zwickau sogar um mehr als 15 Prozent gestiegen, verriet ein stolzer VW-Chef Winterkorn bei der Präsentation der Neuauflage des wichtigsten Konzernfahrzeugs. Das bedeutet, dass für die Montage der gleichen Zahl von Autos fünfzehn Prozent weniger Leute nötig sind. Wenn also vom Golf VI nicht entsprechend mehr abgesetzt wird, sind Jobs in Gefahr. Genauso läuft es bei neuen Modellen von BMW, Mercedes oder Opel. Teilweise werden dort Produktivitätssprünge von 20 Prozent erzielt.

Das bedeutet somit, dass VW, Mercedes oder Opel auch ihren Absatz entsprechend der Produktivitätsfortschritte steigern müssen - der bereits in Teil 1 erläuterte Zwang zur kapitalistischen Expansion -, wollen sie keine Mitarbeiter entlassen und dieselben Gewinne generieren.

Das seit Jahren mit zweistelligen Zuwachsraten beim BSP im Dauerboom befindliche China, die neue "Werkstatt der Welt", bildet hier keine Ausnahme. Zwischen 1995 und 2002 verlor das Reich der Mitte 15 Millionen Arbeitsplätze in der Produktion, das waren 15 Prozent der gesamten Industriearbeiterschaft. Das Wirtschaftsfakultät der University of Michigan bemühte sich 2004 in Kooperation mit der chinesischen Akademie der Wissenschaften, die wahre Arbeitslosenquote im Reich der Mitte zu ermitteln (die offiziellen Zahlen Chinas haben in etwa den selben Wahrheitsgehalt, wie die deutschen oder amerikanischen Statistiken). In den Jahren des stürmischen chinesischen Wirtschaftsaufschwungs, zwischen 1996 und 2002, stieg laut der Studie die Arbeitslosenquote in ganz China von 6,1 auf 11,1 Prozent bei den angemeldeten Stadtbewohnern, und von 4,0 auf 7,3 bei den Arbeitsmigranten.

Diese schleichende Erosion der Arbeitsgesellschaft wirkt sich verstärkend auf die Überproduktionskrise aus, die ohnehin aufgrund der oben dargelegten Widersprüche der neoliberalen Reformen bereits seit den 80ern virulent ist.