FAZ und Verfassungsschutz im "Fake News"-Strudel
Seite 2: Problematische Nähe zum Verfassungsschutz
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Die FAZ scheint das nicht weiter zu kümmern. Wenn der Verfassungsschutz etwas zuspielt, dann veröffentlicht man es offenbar, ohne weitere kritische Fragen zu stellen. Auch persönlich kennt man sich anscheinend gut. Markus Wehner, ein enger FAZ-Kollege von Eckart Lohse, mit dem er gemeinsam mehrere Bücher verfasst hat (Biographien zu Guttenberg und Steinbrück), moderierte schon auf Konferenzen des Verfassungsschutzes.
Am Sonntag letzter Woche legten Wehner und Lohse nach und veröffentlichten gemeinsam einen ganz ähnlichen Text mit der Schlagzeile: "Sicherheitskreise: Russland hackte geheime Bundestagsakten". Wiederum referierte man dort eine "Einschätzung deutscher Sicherheitskreise", insbesondere einen "hohen Sicherheitsbeamten", der anonym von einer "hohen Plausibilität" für eine Verwicklung Russlands sprach.
Doch plausibel ist hier zunächst wenig. Und die ganze seltsame Inszenierung rund um anonyme Informanten aus dem Halbdunkel der Geheimdienste und wilde Spekulationen gegen Moskau sind im Kern auch kaum mehr als eine Kopie ganz ähnlicher Vorgänge in den USA, wo derzeit die dortigen Geheimdienste mit Nachdruck behaupten, dass Putin die US-Wahl manipuliert habe. Ein entsprechender Artikel in der Washington Post erschien übrigens ebenfalls am Freitag vergangener Woche. Die Quelle dort: eine "geheime Einschätzung" der - für ihre Vertrauenswürdigkeit bekannten - CIA (Russische Einmischung in US-Wahl: Lächerlich, False-Flag-Aktion, bewiesen …, Sollen die USA gegen Putin und die "russische Cybermacht" zurückschlagen?)
Demokratie in Gefahr?
Die ganze aktuelle These "Russland manipuliert den politischen Prozess in Deutschland mit Computerhacks" ist darüber hinaus auch inhaltlich alles andere als schlüssig. Denn wie soll so eine Manipulation eigentlich genau funktionieren? Konkret gefragt: Durch die Veröffentlichung welcher geheimen Daten sollen deutsche Politiker so kompromittiert werden können, dass die Demokratie in Gefahr gerät? Sind angesehene Amtsträger etwa in dunkle Machenschaften verstrickt, von denen der Verfassungsschutz weiß und nun besorgt ist, dass auch Russland davon Kenntnis erlangen könnte? Wenn dem so sein sollte, dann ist die Frage erlaubt, worin aus demokratischer Perspektive eigentlich der Schaden einer Veröffentlichung liegen soll.
Diese Frage gilt ähnlich für die Debatte in den USA, wo womöglich durch die Leaks zum einen bekannt wurde, dass die Parteiführung der Demokraten hinter den Kulissen gegen den eigenen Kandidaten Bernie Sanders intrigierte, und zum anderen, wie eng und inzestuös die Kontakte des Clinton-Teams zu etablierten Medien im Wahlkampf waren.
Strittig ist bislang zwar, ob die Wikileaks-Enthüllungen sich ihrerseits auf russische Hacker stützen, wie die CIA es – ohne Belege und mit schlechter Reputation – behauptet, oder nicht vielmehr auf US-Whistleblower. Sowohl Julian Assange als auch Craig Murray behaupten letzteres und beteuern, die Quelle zu kennen, die nicht mit Russland in Verbindung stehe. Unabhängig aber vom genauen Ursprung der Informationen darf als unstrittig gelten, dass solche Enthüllungen von Missständen generell nicht etwa dem politischen Prozess schaden, sondern, ganz im Gegenteil, ihm nützen – zumindest, sofern man darunter ein faires und offenes, den Bürgern rechenschaftspflichtiges System versteht. Möglicherweise wird diese Definition jedoch nicht von allen geteilt. (Dieser Absatz wurde erweitert, die Red.)