FBI verhört mutmaßlichen Milzbrand-Attentäter

Ein "Mitglied der biochemischen Gemeinde"

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Wie die Washington Times berichtet, befragt die amerikanische Bundespolizei zurzeit einen Hauptverdächtigen. Der Wissenschaftler arbeitete in einem staatlichen Biowaffen-Labor.

Polizisten durchsuchen die Post ans Capitol Hill, Foto: FBI

Seit Oktober vergangenen Jahres geht die Angst um in den USA, denn Briefe mit Milzbrand-Sporen wurden an Politiker und Journalisten versandt. Infiziert wurden aber auch Personen, durch deren Hände die Kuverts in verschiedenen Poststellen gingen. Die Erreger rieselten aus den zugeklebten Umschlägen und verbreiteten sich in der Luft. Insgesamt starben fünf Menschen an Milzbrand (Anthrax), 13 wurden infiziert. Ernesto Blanco, der Postbote des Verlages American Media Inc. in Boca Raton, ist vergangene Woche nach fünf Wochen Rekonvaleszenz wieder an seinen Arbeitsplatz zurück gekehrt. Er hatte sich mit Lungenmilzbrand infiziert. Sein Kollege Bob Stevens, ein Foto-Redakteur, starb am 5. Oktober 2001 als erstes Opfer des Milzbrandattentäters (Vgl. CNN).

Das FBI sucht fieberhaft nach dem Absender der mit Anthrax verseuchten Briefe. Die Gerüchte, es handle sich um einen Araber aus dem Dunstkreis der Ibn-Ladin-Terroristen, ist inzwischen vom Tisch. Der Stamm der Bazillen kommt mit großer Wahrscheinlichkeit aus einem US-Militärlabor und die Profiler des FBI skizzierten den Gesuchten als möglicherweise rechtsextremen (ehemaligen) Mitarbeiter eines einheimischen Biowaffenlabors, also als Insider. Der Attentäter muss mit den Verfahren zur Herstellung waffentauglicher Milzbrand-Sporen vertraut sein, es kam folglich nur ein Wissenschaftler in Frage (Vgl. Auf der Spur der Anthrax-Briefe). Für Hinweise zu seiner Ergreifung wurde eine Belohnung von 2,5 Millionen Dollar ausgesetzt (Vgl. FBI Fahndung).

Wie die Washington Times aus einer nicht genannten Quelle des FBIs erfahren hat, wurden von der Sondereinsatz-Truppe der Bundespolizei insgesamt mehr als 300 Personen befragt, die mit dem Anthrax-Programm der Regierung zu tun hatten. 50 davon haben das nötige technische Wissen, um die waffenfähigen Milzbrand-Erreger herzustellen. Der Wissenschafter, der momentan verhört wird, war in einem Militärlabor beschäftigt und zwar im U.S. Army Medical Research Institute of Infectious Diseases in Fort Detrick (USAMRIID). Das USAMRIID ist genau das Labor, in dem der Anthrax-Stamm gezüchtet wurde, aus dem die Erreger in den Briefen stammen. Es ist nicht mehr nachvollziehbar, wie viele andere wissenschaftliche Labors Bakterien aus diesem Stamm erhielten, zudem hat sich gezeigt, dass dort geschlampt wurden, und viele Proben schlicht verschwanden (Vgl. Aus US-Militärlabor verschwanden Anthrax-Bakterien).

Der Hauptverdächtige arbeitet heute in der Privatindustrie, war aber vorher zweimal aus dem Staatsdienst entlassen worden. Er soll nach dem 11. September mit einem Milzbrand-Anschlag gedroht haben. Sein Name wurde bisher nicht genannt, noch liegt kein Haftbefehl vor, aber er wurde bereits mehrfach verhört und bei der Durchsuchung seines Hauses wurden verschiedene Chemikalien sicher gestellt. Milzbrand-Sporen fanden sich dort nicht.

Barbara Hatch Rosenberg, eine Mikrobiologin an der State University of New York und Vorsitzende des Biowaffen-Kontrollgremiums der "Federation of American Scientists" (FAS) sagte der Washington Times, dass das FBI seine Liste der Verdächtigen abgearbeitet habe und dieser Hauptverdächtige, ein "Mitglied der biochemischen Gemeinde" übrig blieb. Rosenberg ist erstaunt, dass das FBI so viel Zeit gebraucht hat, um einen Hauptverdächtigen zu ermitteln, da der Kreis der Wissenschafter, die als Täter in Fragen kommen, sehr klein sei. Schließlich muss die Person sowohl mit Milzbrand wie mit biologischer Waffenforschung zu tun gehabt haben. Sie meint - ebenso wie manche ihrer Kollegen - dass die bisherige Erfolglosigkeit des FBI mit dem Widerwillen der Regierung zusammen hängen könnte, ihre biochemischen Forschungen in diesem Bereich bekannt zu geben.

Die nicht genannte Quelle des FBI bestätigte, dass die Sporen in den Briefen an die Senatoren Daschle und Leahy "waffenfähig" sind, eine Tatsache, die offiziell lange dementiert wurde (Vgl. Der letale Faktor). Die Partikel seien von sehr feiner Konsistenz und speziell behandelt worden, um statische Ladungen zu vermeiden. Dadurch verklumpen die Erreger nicht und können in der Luft schweben. Die Reinheit der Sporen weist nach Auskunft dieser Quelle klar daraufhin, dass sie in einem US-Labor entstanden sind. Typisch für in den USA hergestelltes Anthrax sei außerdem, dass die Sporen nicht gemahlen wurden. Zudem enthielt die pudrige Substanz in den Briefen als Trocknungsmittel Silica (Kieselsäure), während ausländische Labors, wie z.B. die im Irak, Bentonit (Tongranulat) verwenden. Dieses Indiz hat schon vergangenes Jahr als Gerücht die Runde gemacht, war aber nicht offiziell bestätigt worden (Vgl.Ruhe vor dem Wüstensturm).