Fällt Arafat Abou-Chaker wie Al Capone?
Dem Berliner Clanchef könnten "Managementleistungen" zum Verhängnis werden, für die dem Verdacht der Berliner Staatsanwaltschaft nach keine Steuern gezahlt wurden
Al Capone war in den 1920er und frühen 1930er Jahren die bekannteste Figur des Organisierten Verbrechens in den USA. Trotz dieser Bekanntheit konnten ihm lange keine Straftaten gerichtlich nachgewiesen werden, was auch damit zusammenhing, dass sich seine Reputation im Zusammenhang mit Todesfällen negativ auf die Aussagebereitschaft von Zeugen auswirkte. 1931 gelang es schließlich doch, ihn hinter Gitter zu bringen: aber nicht wegen Mordes oder anderer Gewaltdelikte, sondern weil er seine illegalen Einnahmen nicht versteuert hatte.
"Mehrere Millionen Euro vorläufig sichergestellt"
Heute ist der Berliner Arafat Abou Chaker in Deutschland ähnlich berüchtigt wie damals Al Capone in den USA. Auch er saß trotz mehr als 30 Ermittlungen bislang nur in Untersuchungshaft. Und auch ihm könnte nun das Steuerstrafrecht zum Verhängnis werden. Die Steuerfahndung ließ nämlich wegen des Verdachts auf "Steuerstraftaten in erheblichem Umfang" mit insgesamt mehr als 300 Polizeibeamten 18 Objekte in Deutschland und der Schweiz durchsuchen - darunter auch Arafat Abou Chakers Villa in Kleinmachnow, ein Bürokomplex in der Puderstraße und eine Rechtsanwaltskanzlei in der Charlottenburger Meinekestraße.
Medienberichten nach sollen dabei neben schriftlichen Unterlagen und Datenspeichern auch "mehrere Millionen Euro vorläufig sichergestellt" worden sein. Festgenommen wurde jedoch niemand. Offiziell bestätigt hat die Staatsanwaltschaft bislang, dass sich der Verdacht gegen vier Personen richtet, die "teilweise" der Organisierten Kriminalität zugerechnet werden. Außerdem stünden die Steuerstraftaten "im Zusammenhang mit Managementleistungen innerhalb der Rap-Szene".
Genretypisch
Um die geht es auch in einem Prozess, über den deutsche Medien seit Wochen sehr ausführlich berichten. Die beiden Hauptfiguren in diesem Gerichtsverfahren sind Arafat Abou Chaker und der Rapper Anis Ferchichi, bekannt als "Bushido". Der Musiker, über dessen Talent sich streiten lässt, verdient seit den frühen Nullerjahren viel Geld, indem er sich - wie Serdar Somuncu es formulierte - als "Türken-Surrogat" präsentiert und mit Straftaten, Antisemitismus und Homophobie kokettiert (vgl. Kein sehr höflicher junger Mann).
Bis 2004 machte er das auf dem Label Aggro Berlin. Als ihm lukrativere Angebote aus der Musikindustrie winkten, wollte er dieses Label, das ihn groß gemacht hatte, verlassen. Deshalb ließ er sich mit Arafat Abou Chaker ein, der seiner und der Darstellung der drei Aggro-Berlin-Chefs nach mit Gewalt und Gewaltandrohung Unterschriften unter einen Auflösungsvertrag erzwang. Danach musste "Bushido" seiner Schilderung nach jedoch 30 Prozent seiner Einnahmen an den Clanchef abtreten, was dem Rapper mit der Zeit immer unbilliger erschien, weil sich die Summe innerhalb von zehn Jahren auf neun Millionen Euro belaufen haben soll.
Als Ferchichi 2017 schließlich auch auf die "Leistungen" Arafat Abou Chakers verzichten wollte, soll das "Familienoberhaupt" Bushido eingesperrt, mit einer Wasserflasche geschlagen und bedroht haben. In der Öffentlichkeit begründet der auch mit Politikern vernetzte Rapper den Entschluss, sich vom Clanboss zu trennen, mit dem Einfluss seiner Ehefrau. Eine andere Möglichkeit, über die spekuliert wird, ist ein Wechsel zum Remmo-Clan.
Der gerichtlich überführte Plagiator (vgl. Die Geister, die er rief ...) und Massenabmahner (vgl. Vom "Abziehen" zum Abmahnen) Ferchichi ist nicht der einzige Deutschrapper in einem mutmaßlich kriminellen Umfeld (vgl. Die Rückkehr der Eigentlichkeit). Auch andere Protagonisten des Genres, das Gewalttätigkeit mit Weinerlichkeit verbindet (vgl. Alkoholwarnungen und die wahre Geschichte des deutschen Hip Hop), fallen diesbezüglich auf: Denis Cuspert alias "Deso Dogg" schloss sich dem Islamischen Staat an (vgl. Finanziert die GEMA indirekt den IS-Terror mit?), "Xatar" überfiel einen Goldtransporter und schaffte 1,7 Millionen Euro Beute ins Ausland, "Schwesta Ewa" wurde 2017 wegen 35-facher Körperverletzung und sexueller Verführung Minderjähriger zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt, bei "Veysel" waren es drei Jahre wegen Körperverletzung mit Todesfolge, und der vielfach vorbestrafte "Gzuz" von der "187 Strassenbande" ließ sich von Bewährungsstrafen bislang nicht beeindrucken, weshalb das Hamburger Amtsrichter gerade erneut verhandelt - unter anderem wegen Waffenbesitzes, Körperverletzung und versuchtem Diebstahl.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.