Fair Use, GEMA weg und Creative Commons im öffentlich-rechtlichen Rundfunk
Die bayerische FDP-Jugend fordert eine "Anpassung des Urheberrechts an die Medienrealität"
Am 10. März findet im bayerischen Lindau ein Landesparteitag der FDP statt. Zu ihm wollen der Bundestagsabgeordnete Jimmy Schulz und der Jugendverband Junge Liberale einen Antrag mit dem Titel "Urheberrecht und Neue Medien liberal gestaltet" einbringen. Darin heißt es, das Internet habe zu einer Demokratisierung der Kultur, der Medien und des Informationsaustauschs geführt, weshalb das Urheberrecht "vollkommen neu gedacht und an die Medienrealität angepasst werden" müsse.
Konkret fordern die Antragsteller unter anderem die Anpassung der deutschen Schrankenbestimmungen an das amerikanische Fair-Use-Prinzip, wozu ihrer Auffassung nach "vor allem eine offene Generalklausel [gehört], die die Verwendung urheberrechtlich geschützter Materialien aus kulturellen, politischen und edukativen Gründen gestattet, solange kein direkter finanzieller Vorteil mit der Nutzung verbunden ist und sie grundsätzlich der Allgemeinheit zur Verfügung steht".
Hinsichtlich der aktuellen Verfolgung von Online-Immaterialgüterrechtsverletzungen in Deutschland konstatiert man, dass die finanziellen Forderungen von Rechteinhabern "in keinem Verhältnis zum im Einzelfall tatsächlich entstandenen wirtschaftlichen Schaden" stünden, weil die Methoden zur Streitwerts- und Schadensberechnung im Abmahnrecht "völlig realitätsfern" seien. Auch das in Frankreich eingeführte Three-Strikes-Modell wird als "vollkommen unverhältnismäßig" verworfen. Die Mandatsträger der FDP fordert man deshalb auf, "bei diesem Thema im Europäischen Parlament und im Ministerrat gegen einen drastischen europaweiten Bürgerrechtseingriff zu votieren", weil das Internet "ein zumindest sozial überlebenswichtiges Medium [ist], das einem nicht wegen kleinerer Verstöße vorenthalten werden darf".
Eine Providerhaftung für Immaterialgüterrechtsverletzungen, wie sie das ACTA-Abkommen enthält, sehen die Jungen Liberalen in Bayern als Gefahr für den Rechtsstaat, weil diese Haftung "umfangreiche Prüf- und Löschpflichten" und in deren Folge eine "Filterung des Datenverkehrs" nach sich zöge, die "nicht von rechtstaatlichen Befugnissen gedeckt" ist, "keiner rechtstaatlichen Kontrolle" unterliegt und eine erhebliche Missbrauchsgefahr in sich birgt. Eine Vorratsdatenspeicherung lehnt man aus ähnlichen Erwägungen als "nicht verhältnismäßige Maßnahme zur Durchsetzung von Urheberrechtsansprüchen" ab.
Das von Union und SPD im Wahlkampf 2009 versprochene neue Monopolrecht für Presseverleger sehen die Jungen Liberalen in Bayern ebenfalls kritisch. Das sehr irreführend "Leistungsschutzrecht" betitelte Privileg soll "verlinkte Überschriften samt kurzem Textanriss" zahlungspflichtig machen und ist ihrer Ansicht nach ein "nationaler Alleingang", der "Kernelemente des Internets einschränkt und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs widerspricht".
Noch überraschender ist, dass der nach Angaben aus der Partei "intern gegenwärtig sehr intensiv diskutierte" Antrag auch die Position der politisch ebenso gut vernetzten wie in der Bevölkerung und bei Musikern unbeliebten Verwertungsgesellschaft GEMA in Frage stellt. Der "nicht mehr zeitgemäßen […] monopolartigen Vermittlerfunktion des Rechteverwerters" zieht man "flexiblere Konkurrenzmodelle" oder gleich eine "direkte Vermarktung der Künstler" vor, die durch den Wegfall von teuren Mittelsmännern für wettbewerbsfähigere Preise sorgen könnte. Ebenfalls gegen die GEMA zielt die Forderung nach Abschaffung der Pauschalabgaben auf DVD-Brenner und andere Geräte, deren Legitimation man durch die in den letzten zehn Jahren eingeführten Kopierverbote ad absurdum geführt sieht.
Weiterhin sieht der Antrag ein bemerkenswert klares Bekenntnis zu Open Access vor: Wissenschaftliche Veröffentlichungen sollen danach "unabhängig von der wirtschaftlichen Verwertbarkeit" der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden, wenn sie staatlich gefördert wurden. Dies fördert dem Papier zufolge nicht nur den schnelleren wissenschaftlichen Austausch, sondern auch die Bildungs- und Informationsmöglichkeiten der breiten Öffentlichkeit. In "begründeten Fällen" will man allerdings Ausnahmen von diesem Prinzip erlauben. Weiterhin fordert das Papier, Produktionen für den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk "nach Möglichkeit" gemeinfrei oder unter einer Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht werden. Der Radiosender WDR5 hatte einen entsprechenden Vorschlag gegenüber dem Blogger Peter Piksa unlängst mit der Begründung abgelehnt, dies würde zu viel Arbeit machen.
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