Fake News und die Macht der Medien aus russischer Sicht

RT-Chefredakteurin Margarita Simonyan. Bild: Kreml

RT-Chefredakteurin sieht in den Mainstream-Medien Waffen und ruft russische und chinesische Medien zur Bekämpfung des "Informationsterrorismus" auf

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Trump-Regierung, zumindest der Präsident selbst, trägt einen Kampf mit den liberalen US-Medien aus, die ihn gleichzeitig trotz oder wegen negativer Berichterstattung zu Prominenz und zum Wahlsieg verholfen haben. Die Medien bezeichnet er generell als Fake News. Die Angst vor diesen, womöglich noch von Russland aus gesteuert, geht auch in manchen europäischen Ländern und in der Nato um, gelten doch die gegnerischen Medien als Teil der hybriden Kriegsführung.

Öffentlich-Rechtliche Sender üben sich in Deutschland bereits als Wahrheitsverkünder durch selektive Aufklärung von Fake News. Der deutsche Justizminister hat zumindest gegen Soziale Medien ein Gesetz zur Beseitigung von "Fake News und Hate Speech" erfolgreich durchs Parlament gebracht.

Die Angst vor den Medien geht offenbar auch in Russland um, wo es nicht nur eine gelenkte lupenreine Demokratie gibt, sondern auch weitgehend gelenkte Medien, vor denen wiederum der Nato-Westen Sorge hat, weil er sie auch als Fake-News-Medien betrachtet. Eigentlich also sollten weder Russland noch China vor den nationalen Medien Angst haben. Ein wenig schwieriger ist die Kontrolle des Internet - und da gibt es natürlich auch noch die Auslandssender.

Am Mittwoch ließen sich der russische Präsident Putin und sein chinesischer Kollege Xi Jinping, die vor dem G20-Gipfel in Moskau große Verbrüderung demonstrierten, von RT-Chefredakteurin Margarita Simonyan auf dem 3. russisch-chinesischen Medienforum über die Macht und die Bedrohung der Medien aufklären. Obgleich sie mit RT just die Aufgabe verfolgt, die Meinung im Ausland zugunsten von russischen Interessen zu beeinflussen und Kritik an Russland zu vermeiden, sondern sie gegen konkurrierende Sender im Ausland zu richten, die der Einseitigkeit beschuldigt werden, warnte sie in ihrer Rede vor der zunehmenden Macht der Medien, gemeint ist natürlich die der anderen.

Sie stellte dabei RT, wo man ebenfalls in öffentlich-rechtlicher Manier "Fakten von Fiktionen" zumindest bei den anderen trennt, als heroischen Fels in der westlichen Brandung dar: "Wir stehen alleine der Armee des westlichen Mainstream-Journalismus gegenüber." Auf dem Forum ging es denn auch um eine stärkere Kooperation der staatlichen russischen und chinesischen Medien, um sich besser diesem "Informationsterrorismus" entgegenstellen zu können.

Tatsächlich haben seit Beginn des Kalten Kriegs Westsender versucht, die Bevölkerung der vom Verbündeten im Zweiten Weltkrieg zum großen Feind gewordene kommunistischen Sowjetunion und dann auch Chinas zugunsten des Westens zu beeinflussen - und dabei die Doktrin des freien Informationsflusses propagieren, die man seitdem weniger schätzt, als Russland, China und andere Auslandssender einrichteten, die Gegenpropaganda leisteten.

Die Medien werden von der vierten Macht zur ersten

Die Chefredakteurin setzt die Bedeutung von Medien sehr hoch ein und sieht in ihnen eine wichtige Kriegswaffe: "Wir leben in einzigartigen Zeiten, wo die Medien - die so genannte vierte Macht - in vielen Ländern versuchen, die erste Macht zu werden und manchmal dies auch werden: Sie legt die Spielregeln fest, kontrolliert die öffentliche Meinung und verändert nicht nur Haltung der Menschen zu einem Führer oder einem Staat, sondern verändert auch die Werte ganzer Gesellschaften." Zu all dieser Macht, die Medien zugeschrieben wird, als könnten die Menschen gar nicht kritisch rezipieren, sondern würden wehrlos von den medialen Memen infiziert und ihre Gehirne gewaschen.

Zur Waffe seien Medien geworden, allerdings waren das Medien spätestens seit der ersten Buchreligion mit der Bibel auch immer Macht- und Mobilisierungsmittel: "Kein einziger Krieg in den letzten Jahren", so weiß Simonyan, "ist ohne eine mächtige Artillerie der Weltpresse gestartet, kein einziger Kampf ereignete sich ohne Präzisionsbomben des Fernsehens, des Radios, der Zeitungen und der Online-Ressourcen." Die Medien könnten auch die Wahrnehmung öffentlicher Personen verändern. So sei beispielsweise "eine unbekannte, gewöhnliche Person wie Barack Obama über Nacht zum Helden einer Generation geworden oder umgekehrt ein Held der Generation wie Julian Assange zu einem Aussätzigen und Schurken geworden".

Medien könnten auch das Schicksal von Ländern verändern. Das sei der Fall beim Kosovo gewesen. Das Land hätte "ohne einseitige und vorurteilsbeladene Berichterstattung von ausnahmslos allen Weltmedien, dem so genannten Mainstream", nicht seine Unabhängigkeit erlangt. Medien könnten Gutes tun - "Unschuldige retten, Ungerechtigkeit, Tyrannei und Korruption bekämpfen", aber auch Schaden anrichten, "wenn sie eine aggressive Außenpolitik eines Landes durch die Illustrierung mit passenden Bildern unterstützen". In der Tat handeln auch nichtstaatliche, auf dem Markt um Kunden/Zuschauer/Leser oder auch nur Aufmerksamkeit konkurrierende Medien eines Landes oft kollektiv als eine Art Rudel, Simonyan scheint aber nicht an einer Erklärung gelegen zu sein, wie so etwas zustande kommt, wenn das nicht staatlich, sondern etwa ökonomisch oder durch Monopole geschieht. Es geht um Feindbilder, als die Fortsetzung der Logik, dass die Propganda des einen die Fake News der anderen ist.

Das Wahrheitsspiel

Während man in Deutschland beispielsweise auf den Fall Lisa verweist, der von russischen Medien wie Sputnik und dann vom russischen Außenminister hochgespielt wurde, weil die 13-jährige Deutsch-Russin im Januar 2016 angeblich von drei "Türken oder Arabern" verschleppt, festgehalten und vergewaltigt worden sei, weist die Chefredakteurin auf den Fall Omran hin, der in westlichen Medien über Bilder des syrischen fünfjährigen Jungen zirkulierte.

Omran war im August 2016 aus einem angeblich durch syrische oder russische Luftangriffe zerstörtes Haus im von "Rebellen" (tagesschau) gehaltenen Teil Aleppos gerettet und verschmutzt und blutend in ein Krankenhaus gebracht worden. Der Vorfall wurde etwa von der US-Regierung als Beispiel für das grausame Vorgehen der Assad-Regierung oder von Medien als "Symbol von Aleppos Leiden" bezeichnet.

Ein Jahr später sendete RT ein Interview mit dem Vater des Jungen, der angeblich Assad unterstützt und erzählt, die "Rebellen" und Weißhelme hätten ihn ihm entrissen und ihn dann, ohne Erste Hilfe zu leisten und ohne um Erlaubnis zu fragen, im Krankenhaus gefilmt, um dann die Bilder an die Medien zu geben.Die Geschichte wurde als Fake News bezeichnet. Der ARD-Faktenfinder hat versucht, den Fall einigermaßen neutral darzustellen, breit wird allerdings die Glaubwürdigkeit der mit den "Rebellen", darunter Kämpfer von al-Nusra und Ahrar al-Sham, verbundenen Aleppo Media Centers geschildert und gemutmaßt, der Vater, der nicht mit den "Rebellen" Aleppo verließ, sei von der syrischen Regierung erpresst worden.

Für Simonyan zeigt der Fall, dass einige Medien mit allen Mitteln versuchen würden, ihre Agenda zu retten und dann eben auch zu Fake News greifen. Hier seien nur wenige Länder so oft und so konsistent unter Angriff wie China und Russland. Fake News seien eine Falle geworden, in die Millionen von Menschen gelockt werden, die den großen Mediennamen vertrauen. Da kämpft man praktischerweise Seite an Seite mit Trump. Sie versichert, niemals Fake News zu veröffentlicht zu haben: "Das ist einfach nicht geschehen." Aber daran sei ja niemand interessiert, weswegen jetzt russische und chinesische Medien an einem Strang ziehen sollten, um ein Bild zu schaffen, "das weit entfernt von dem der Mainstream-Medien, aber näher an der Wahrheit sein kann".

Eine Welt, in der andere Stimmen nicht gehört werden, sei gefährlich: "Sie bombardieren Irak, Libyen, Syrien, sie erschaffen Al-Qaida oder ISIS und geraten dann in Panik." Russland habe oft angeboten, den Terrorismus gemeinsam zu bekämpfen, aber der Westen wolle dies nicht. Also müsste man zusammen mit den chinesischen Kollegen den "Informationsterrorismus" bekämpfen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.