Fake Politicians

Seite 2: Neue Jobs in der Manipulativbranche: Polit-Söldner & False Flag-Contentproduzenten

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Spin-Doktoren und Politberater waren gestern. In der Figur des Polit-Söldners steht der typisch österreichische Nachkriegswendehals wieder auf, dem Ideologie, Gesinnung oder Inhalte egal sind. Einer von diesen hat bereits für die ÖVP und die NEOS gearbeitet, hat bei den NEOS Silberstein kennengelernt und arbeitet nun für die SPÖ - ohne, siehe SMS-Affäre, die Kontakte zur ÖVP abgebrochen zu haben.

Voraussetzung für dieses "Handwerk" ist es also, selbst keine Gesinnung zu haben oder diese von der Arbeit strikt trennen zu können. So oder so produziert der Polit-Söldner damit Lügen im klassischen Sinne der Definition: Er redet und handelt anders, als er denkt. Das Ergebnis eines solchen Tuns ist ungemein dürftig, ja erbärmlich, wie die Facebook-Seiten zeigen.

Peter Puller wurde, angeblich mit einem 11 Personen starken Team, von Silberstein bezahlt und nicht von der SPÖ. Das mag wiederum ein bewusster Schachzug der Partei gewesen sein. Denn die SPÖ hat an Silberstein innerhalb eines Jahres 360.000 Euro Honorar überwiesen. Vielleicht wollte die SPÖ ja genau das so tarnen: dass ein Teil dieses Geldes für Dirty Campaigning verwendet wird?

Neben Polit-Söldnern, die die Farben der Parteien wie Unterwäsche wechseln, braucht es auch False-Flag-Contentproduzenten, die ihre demagogischen und nicht einmal lustigen Sprüche und ihre plumpen Photoshop-Montagen genauso produzieren, dass es den Anschein erweckt, ein anderer - in diesem Fall die FPÖ - stecke hinter der ganzen Sache. Man wird nicht die Intelligentesten der Branche für ein solches Vorhaben gewinnen können.

Geleakte SMS, Signal-Messenger-Gruppen, Facebook-Fakes: Die Rolle der neuen und sozialen Medien

Bei der Affäre geht es immer auch um den Mediengebrauch: sei er manipulativ, sei er unklug, sei er selbstdestruktiv. Es geht etwa um die Möglichkeit, Vertraulichkeit zu dokumentieren und zu brechen (siehe Veröffentlichung von SMS-Kommunikation), es geht um die Möglichkeit zur verschlüsselten Kommunikation, wenn es um verdeckte Operationen geht (etwa über die Kommunikationsapp Signal), es geht um die Möglichkeit, eine Facebook-Seite ohne Impressumspflicht anonym ins Leben zu rufen und mit Facebook Ads für virale Verbreitung innerhalb der Zielgruppen zu sorgen. Es geht also um ein Versagen oder Beherrschen des Spiels auf der Klaviatur der modernen Netzmedien und der sozialen Medien. Facebook ist nicht schuld an der österreichischen Facebook-Affäre. Aber Facebook täte gut daran, in Konsequenz aus den Vorkommnissen in Österreich einige Spielregeln zu ändern, etwa die Impressumspflicht einzuführen oder Kreditkarten-Besitzer genauer zu überprüfen.

Historisch einmaliges Anschauungsmaterial für die empirische Medienforschung

Der Medienwissenschaft liegen mit dem gesicherten Material der drei Facebook-Seiten "Wir für Sebastian Kurz", "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" und "Die Wahrheit über Christian Kern" jedenfalls hunderte Seiten historisch einmaliges Anschauungsmaterial für Inhaltsanalysen und Autorschaftsanalysen vor. Einen ersten Versuch gibt es bereits.

Die Berichterstattung zu den Affären seit 29.09. ist zusätzlich ein einmaliger Gegenstand für die Wissenschaft. Das Ziel kann auch hier nur sein: Kluge Aufarbeitung in der Hoffnung, dass es so weit nie wieder kommen wird. Das, was in Österreich am 29.09.2017 publik gemacht wurde, zerstört die Demokratie und alle Hoffnungen auf ein rationales Agieren unserer "Volksvertreter". Nicht dass es publik gemacht wurde, ist das Problem, sondern das Was.

Stefan Weber ist Uni-Dozent, Medienwissenschaftler und Plagiatsgutachter in Österreich.

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