Fantasien auf dem Pferderücken

Die Pläne einer US-amerikanischen Militärreform nehmen Gestalt an

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Mehreren neue Zielstellungen stehe der nordamerikanische Militärapparat in Zukunft gegenüber, meint US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Das eigene Territorium und die Militärbasen in aller Welt sollen geschützt, die eigenen Interessen gesichert und die Feinde "ohne Ausnahme" gejagt werden. In den Fokus des Reformers rücken dabei vor allem neuen Technologien. Nach den Plänen von Rumsfeld soll von Washington aus künftig ein wahrer Cyber-warfare geführt werden. Nicht nur über irdische Computernetze, sondern auch im All, denn die dortigen Satelliten müssten "vor Feindattacken geschützt werden". Am weitreichendsten dürfte aber die Abkehr von der bisherigen Militärstruktur hin zur Umrüstung auf Hochtechnologien sein. Was der US-Verteidigungsminister bereits Ende Januar in einer Rede vor Mitgliedern der "National Defense University" ankündigte, lässt sich nun in einem Aufsatz in der zeitschrift Foreign Affairs nachlesen.

Angehörige einer US-Spezialeinheit ziehen am 12.11.2001 zusammen mit Kämpfern der Nordallianz in den Kampf

Mit einem solchen Modernisierungsprojekt war George W. Bush bereits zu den Wahlen angetreten. In einer Welt mit nur einer Supermacht sollen die USA künftig befähigt werden, weltweit die eigenen Interessen mit Waffengewalt zu sichern. Nach Einschätzung von Rumsfelds Stellvertreter Paul Wolfowitz steht dem US-Militär daher ein "sehr signifikanter Paradigmenwechsel" bevor, in dessen Konsequenz nicht nur "zwei große Kriege" zugleich gefochten werden, sondern parallel "zahlreiche kleinere Aktionen" auf dem ganzen Globus stattfinden könnten.

Der Schlüssel ist der Einsatz hochmoderner Trägersysteme. Nach einer ersten Bilanz des Krieges in Afghanistan sieht Rumsfeld das größte Problem in der Logistik. Schon im Fall der "Operation Wüstensturm" gegen den Irak Anfang der Neunziger Jahre habe es sechs Monate gedauert, die Truppen in der Region zusammenzuziehen. Neue Waffen sollen daher weiter reichen und schneller einsetzbar sein. Gewünscht wird ein Bomber, der dank eines globalen Netzes von Militärbasen binnen 30 Minuten an jedem Ort der Erde zum Einsatz kommen kann. Dem Pentagon liegen auch Pläne für ein Transportflugzeug vor, das innerhalb von maximal vier Tagen das Siebzehnfache der Last eines C-17 Flugzeuges über 5000 Meilen transportieren kann. Dank neuer computergestützter Systeme sollen dazu in erster Linie unbemannte Flugzeuge zum Einsatz kommen.

Auf dem Boden würden nur noch kleine Elitetruppen die Lage auskundschaften. "Wie unsere Jungs in Afghanistan, die auf dem Pferderücken die Ziele für die Bomber markierten, so werden künftig Kriege geführt werden", schwadroniert Rumsfeld in "Foreign Affairs". Zum Einsatz kämen in dem jeweiligen Kriegsgebiet nur eine kleine Gruppen von Elitesoldaten, die Angriffe führen unbemannte Bomber durch. Ein bisschen Wildwest-Romantik gepaart mit Großmachtswahnsinn.

An der Basis für einen derart transformierten Militärapparat der USA wird schon seit längeren gearbeitet. Zwar rückte im Kontext des Krieges in Afghanistan vor allem die asiatische Region ins Zentrum des Interesses, in Lateinamerika und dem karibischen Raum wird indes schon sein Jahren an dem Ausbau eines Netzes von Militärstützpunkten gearbeitet. Was bislang nur als Indiz für ein bevorstehendes verstärktes Engagement in regionalen Konflikten wie etwa dem bewaffneten Konflikt in Kolumbien gedeutet wurde, bekommt nun eine globaleres Ausmaß.

"In den kommende fünf Jahren werden wir die Mittel für US-Stützpunkte in den USA und aller Welt um 47 Prozent erhöhen", schreibt Rumsfeld.

Für Programme, "die den Feinden Zuflucht verwehren", wird der Etat um 157 Prozent erhöht. Der Ausbau von Informationstechnologie kann mit 125 Prozent mehr Finanzmitteln rechnen.

Die von langer Hand geplante Militärreform war erst im Sommer vergangenen Jahres durch den massiven Widerstand der konventionellen US-Rüstungsindustrie ins Stocken geraten. Die Differenzen in dem von Dwight Eisenhower definierten "militärisch-industriellen-parlamentarischen Komplex" konnten erst gelöst werden, als nach der Erklärung des sogenannten Krieges gegen den Terrorismus der Rüstungsetat für das kommende Fiskaljahr 2003 um knapp 15 Prozent erhöht wurde, was rund 48 Milliarden Dollar entspricht.

Nachdem die letzten Barrieren im eigenen Land beigelegt sind, stehen den neuen Rüstungexperimenten des Pentagon im eigenen Land kaum mehr etwas im Weg. Die ersten Waffentests werden nicht lange auf sich warten lassen.