Fast ein Pfingstwunder

Der Papst kehrt nach Luanda zurück - mit einer frohen Botschaft

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Bei seiner Fahrt vom Flughafen in die Innenstadt säumten zehntausende Angolaner die Straßen und jubelten Benedikt XVI. zu. "Ich bin gekommen, um unseren Papst zu sehen, weil er gut für die Kirche ist und die Kirche gut zu uns ist", sagte die 52-jährige Haushälterin Fatima de Castro. Sie war 14 Stunden unterwegs gewesen, um den Papst vor dem Flughafen zu begrüßen. Angola wird seit rund drei Jahrzehnten von Präsident Jose Eduardos Dos Santos regiert und ist trotz Ölvorräten und reicher Bodenschätze ein bettelarmes Land. Mehr als 60 Prozent der Angolaner, also etwa 8,5 Millionen Menschen, sind katholisch.

Vierzehn Stunden unterwegs in Angola. Vermutlich war Fatima bereits um Mitternacht aufgestanden. Mit 52 hat die Großmutter längst erwachsene Töchter und Söhne, denen sie die Enkel für ein oder zwei Tage zur Obhut überlassen kann. Sie packt Kleidung, Essen, Wasser, vielleicht auch einen Kulturbeutel mit Zahnpasta und Klopapier und etwas Parfüm, und macht sich auf den Weg. Ob sie 200 Kilometer mit dem Bus gefahren ist oder 40 Kilometer barfuss zu Fuß über schlechte Straßen gelaufen ist, verrät uns der Presse-Bericht nicht. Wie lange sie warten musste, am Rande des Flughafens oder in der Innenstadt, ob es dort eine Möglichkeit gab, Trinkwasser zu bekommen oder einen Abtritt zu benutzen, wissen wir nicht. Wo sie nach der kurzen Winke-Winke-Begegnung mit dem Herrn im weißen Mantel hingegangen ist, wo sie übernachtet hat, wie sie wieder zurückgekehrt ist, 14 Stunden zurück nach Hause, haben wir nicht erfahren.

Was der Grund für deine Reise war, Fatima, ob du selber hofftest eine Krankheit abzuschütteln, wenn du den heiligen Vater siehst, oder ob du hofftest, dass deine gemurmelten Gebete1 für eines deiner Kinder oder Enkelkinder, im Beisein des deutschen Herrn Ratzinger, besonders gnädig als Worte in Gottes oder Mariae Ohren dringen würden, hat offenbar niemanden weiter interessiert.

Nur diese olympische Leistung deines 14stündigen Fußmarsches erfuhren wir. Ob du selber heute noch lebst, wissen wir auch nicht. Schließlich stammt der Bericht bereits aus dem März.

Der Herr Ratzinger ist Deutscher, ich erwähne es gesondert noch einmal, und er ist Papst. Papst im Sinne einer Berufsbezeichnung, nicht als Künstlername. Die Künstlernamen "Papst" oder "Benedikt XVI" darf er als Deutscher unter Umständen gar nicht mehr führen, da seit November 2008 Künstler- und Ordensnamen nicht mehr in deutschen Pässen eingetragen werden. Freilich, sollte er sich einen neuen Pass noch im Oktober letzten Jahres ausfertigen haben lassen, dann ist er auf die nächsten zehn Jahre hinaus auch noch - nach wie vor - praktisch auf Lebenszeit LEGAL "Papst" und "Benedikt XVI". Die deutsche BILD-Zeitung durfte also völlig zurecht, damals am 20. April 2005, ("Führers Geburtstag!" sagen jetzt die Alt- und Jungnazis im Lande gleich im Chor, und nicken zustimmend) texten: "Wir sind Papst!"

Uta Ranke-Heinemann - die bessere Päpstin. (Bild: Wikimedia Commons Das Bild "Uta Ranke-Heinemann by Stuart Mentiply.jpg" und steht unter der GNU Free Documentation License. Der Urheber des Bildes ist Stuart Mentiply. Link auf /tp/r4/buch/wmc_gnu.html .)

"Wir sind Papst" stimmt auch insofern, als die Deutschen mit ihrer Kirchensteuer den Papst ganz wesentlich alimentieren, also ihm finanziell das Rückgrat stärken und es ihm und dem Vatikan damit erlauben, einen eigenen Staat zu unterhalten und beispielsweise den kindlichen Opfern kirchlicher Päderasten in Amerika und anderswo (Tasmanien, Irland, et cetera pp.) mehrere Hundert Millionen Dollar Entschädigung zu zahlen.

Das kann sich die katholische Kirche in Amerika beispielsweise aus eigener Kraft gar nicht leisten, weswegen sie braven Katholiken in den USA Spenden entlockt, die man dann wiederum von der Steuer absetzen kann. Kinderschänder werden also von Staats wegen finanziell gefördert. Eigentlich müssten die Amerikaner sagen, "Der Papst sind WIR!" Aber schnurz, einstweilen haben die Deutschen ihn, und die Amerikaner dürfen lästern, er sei "ein früherer X*** mit einer Vorliebe für X******* X***." Ob man so was in Deutschland ungestraft nachdrucken darf, bleibt fraglich, daher müssen meine geneigten Leser und Leserinnen an dieser Stelle ihr Schulenglisch bemühen.

Doch zurück, nicht ins schöne Lissabon im April, sondern nach Luanda im März. Als Herr Ratzinger an Fatima vorbei gefahren ist, begibt er sich als nächstes zu dem oben erwähnten Präsidenten des Landes. Dort speist man - es ist schließlich ein Freitag, es sind Katholiken unter sich - zunächst einmal, wie ich vermute, einen leckeren Fisch, und dann dankt der Gast mit unfreundlichen Worten. Ich zitiere:

Papst Benedikt XVI. hat eine "entsetzliche Gewalt" gegen Frauen in Afrika beklagt. Zugleich kritisierte er in Luanda am Freitag jene 45 afrikanischen Staaten, die unter bestimmten Voraussetzungen Abtreibung zugelassen haben. Abtreibungen seien auch bei einer Gesundheitsgefährdung der Mutter nicht zu rechtfertigen. Grund zur Sorge sei seiner Sicht "die Politik derjenigen, die im Selbstbetrug, die 'Gesellschaftsordnung' voranzubringen, die eigentlichen Grundfesten bedrohen", sagte der Papst am Freitag in einer Rede im angolanischen Präsidialpalast in Luanda. "Wie bitter ist die Ironie derjenigen, die aus Sorge um die Gesundheit der 'Mütter' für die Abtreibung eintreten", fügte er in Anspielung auf das Maputo-Protokoll hinzu.

Ich habe diesen Absatz mehrfach gelesen. Er ist mir völlig unverständlich geblieben. Was stellt man sich in München, oder in Niederbayern, wo der deutsche Papst ursprünglich herkommt, eigentlich unter dem Wort "Ironie" vor? Ich könnte sagen, dass Herr Ratzinger seinen theologischen Doktor mit einer Arbeit über Augustinus gemacht hat, DAS kommt mir ironisch vor, nachdem gerade dieser "heilige Augustinus" in Karl Heinz Deschners "Kriminalgeschichte des Christentums" als einziger unter dem Lemma "Päderast" aufscheint. Ein Dilemma. Aber ist DAS Ironie?

War es Ironie, das Wort "Mütter" in Anführungszeichen zu setzen, weil die besagten Schwangeren eine Abtreibung vornehmen ließen? Und was KANN der Mann gemeint haben, als er sagte: "Wie bitter ist die Ironie derjenigen, die aus Sorge um die Gesundheit der 'Mütter' für die Abtreibung eintreten" --??? Gibt es dafür ein Übersetzungsprogramm aus Katholischdeutsch in Normaldeutsch? Oder ist es sowieso eine Übersetzung? Des Portugiesischen nicht mächtig, sprach der Tischgast LATEIN? Und war es nur das Unvermögen des Reporters, das päpstliche Wortspiel auf "ceterum censeo" und "esse delendam" adäquat wiederzugeben? Schrieb er sich noch "IRONISCH?!!!" an den Rand seines Notizblocks, mit mehreren Ausrufezeichen, und ein "Gerundium????" mit mehreren Fragezeichen.

Jedenfalls war die Titelzeile über dem Beitrag dann nicht mehr ironisch:

Papst Benedikt XVI. kritisiert jene 45 afrikanischen Staaten, die unter bestimmten Voraussetzungen - etwa bei einer Gesundheitsgefährdung der Frau - Abtreibung zugelassen haben.

Das verstehe ich. Aber ich verstehe es natürlich auch NICHT. Was kann der Papst daran Kritikwürdiges gefunden haben? Da er sich auf das Maputo-Protokol bezieht, schauen wir uns noch einmal kurz an, was es mit diesem Ding auf sich hat:

Das Maputo-Protokoll zu Frauenrechten war 2003 von der Afrikanischen Union (AU) verabschiedet worden und ergänzt die AU-Charta. Im Artikel 14 werden die Regierungen aufgefordert, medizinische Abtreibungen zu erlauben "in Fällen von sexuellen Übergriffen, Vergewaltigung, Inzest oder wenn die Schwangerschaft die seelische oder körperliche Gesundheit der Mutter oder das Leben der Mutter oder des Fötus bedroht".

Ich kann an diesen Sätzen keine Ironie erkennen, keinen Humor, keinen "schwarzen" Humor (entschuldigt den Kalauer), und auch keine "bittere" Ironie. Die bittere Ironie sehe ich darin, dass Fatima so treu 14 Stunden lang nach Luanda gereist ist, und wieder zurück, um sich und allen Frauen im Lande von diesem Mann solche Dinge sagen zu lassen. Schließlich ist Angola ein Land, in dem seit 30 Jahren ein Bürgerkrieg herrscht, wo Vergewaltigungen wohl zum Alltag gehören. Das mit dem Bürgerkrieg war ihm übrigens bewusst, ich schummele es dem Papst nicht unter. Die (Wiener) Presse zitiert: "Er appellierte an die Angolaner, nach fast 30 Jahren Bürgerkrieg den Weg der Versöhnung weiter zu gehen. Konflikte und Spannungen müssten im Dialog gelöst werden."

Gerade bei dem Begriff "30 Jahre Bürgerkrieg" sollten doch bei ihm alle Glocken angefangen haben zu scheppern!? Oder? Schließlich dürfte es gerade einem deutschen Papst alltäglich gegenwärtig sein, welches Unheil seine Kirche einst über Deutschland und ganz Europa gebracht und ursächlich verschuldet hat. Dreißig Jahre Krieg in Deutschland, 1618 bis 1648, mit Folgen, die weit verheerender waren als die Nazi-Jahre oder die vier Jahrzehnte DDR (wobei Ostdeutschland damals, in Umkehrung der geschichtlichen Verhältnisse unserer Zeit, noch um eine Spur besser davon kam.) Als Goethe mehr als 100 Jahre später (1775) nach Weimar ging, tat er dies auch deshalb, weil DORT sich das deutsche Land von diesem Krieg bereits halbwegs erholt hatte. Die Kriegsgräuel jener Zeit kann doch ein halbwegs gebildeter Deutscher - dessen Lebensaufgabe die Seelsorge, die Sorge um das Seelenheil seiner Mitmenschen, gewesen ist - nicht einfach übersehen, vergessen, ausgeblendet haben?

Was hätte Herr Ratzinger, der deutsche Papst, diesen Leuten in Angola nicht alles sagen können! Welchen seelischen Zuspruch hätte er ihnen nicht leisten können! Was hätte er wohl der tiefgläubigen Fatima mit ihrem tiefkatholischen Namen in der ehemaligen portugiesischen Kolonie Angola alles Gutes tun können, indem er einfach nur verständnisvoll auf ihre Situation eingegangen wäre? Aber da musste sie noch ein wenig warten.

Nicht (nur) lächerlich

Anders als der amerikanische TV-Kabarettist Bill Maher, der fast schon wie ein professioneller Lachsack, ich meine, wie ein automatischer LAUGH TRACK, mühselig durch einen ganzen Film ("Religulous") hindurch die Schwarte krachen ließ, bin ich selber wenig geneigt, RELIGION einfach nur als RIDICULOUS (lächerlich & belachenswert) zu betrachten.

Genauso gut könnte ich Fußball als lächerlich betrachten. Fußball IST doof. Fußball IST lächerlich. Das kann ich aufzeigen, darüber kann ich lachen. Die Kritik am Fußball wird mich (oder wenigstens viele andere Leute) NIE dazu bringen, Fußball aufzugeben. Fußball und Katholizismus sind gewissermaßen das Gleiche. Sie basieren auf den gleichen psychologischen Mechanismen. Auf menschlichen Eigenschaften. "Gott" steckt ebenso in der Religion wie im Fußball.

Ich bin allen Ernstes der Ansicht, dass Religiosität, oder Spiritualität, oder wie immer man diese spezielle menschliche Fähigkeit bezeichnen möchte, zu uns Menschen dazu gehört, ebenso wie die Fähigkeit zur Sprache und zum Gesang, zur Musikalität. Es ist eine Fähigkeit, das eigene Bewusstsein im Andern gespiegelt zu sehen - selbstverständlich in jeder Form von Empathie, in jeder Form von Betrug oder Spiel (Schere, Stein, Papier & Brunnen).

Dito im Sexualakt. Aber eben auch im gemeinschaftlichen Zusammenkommen, Solidarität in der Betriebsversammlung, Weihnachtsmesse in der Kirche. Nicht umsonst werden The Workers Flag und O Tannenbaum nach der gleichen Melodie gesungen.

Religion ist die menschliche Variante dessen, was einen Vogelschwarm gemeinsam wie eine lebendige Wolke durch die Lüfte schweben lässt. Es ist das Ineinander-Verhaken des Bewusstseins einer Gruppe von Menschen, das wir genauso auch im "Massenbewusstsein", im "Mob-Bewusstsein", in der "Massenpanik" und in der großen kollektiven Trauer (Prinzessin Diana) erleben. Die Aufmärsche der Faschisten einst (und heute), die Kirchenprozessionen, die Demonstrationen ehrlich besorgter Menschen oder streikender Arbeiter, Hochzeiten, Jahrmärkte, Begräbnisfeiern, Kino und Theaterpublikum, das fröhliche Losziehen in den Ersten Weltkrieg - dies alles sind "religiöse" Akte menschlichen Bewusstsein-Verwebens - und so funktionierte auch einst das Radio, heute das TV und gerade auch das Handy, wenn es den Vogelflug ganzer Menschenscharen organisiert, die dann punktuell an einem Ort zu einer Uhrzeit einfallen.

Es gibt Gott, real, in den großen, unsichtbaren, kollektiven Funktionalismen, die wir errichten, Gott ist in der U-Bahn, in der Strom- und Wasserleitung, in der Milchversorgung, aber ebenso in der Musik, in der Mathematik, in unserer Wahrnehmung des Universums, oder selbst in einem kleinen, perfekt geformten Katzennäschen. Wir sehen Gottesbeweise zuhauf. Es gibt sie, weil wir sie sehen. Nur hat nie und keiner davon jemals irgendetwas mit den organisierten Verbrechens- und Machtmechanismen zu tun, die sich in und über unsere Gesellschaften türmen im Namen eines irgendwie genannten Gottes. Gott will nicht, dass wir Köpfe abhacken, er will nicht, dass wir Schwänze kupieren oder abfaulen lassen, er will nicht, dass wir kleinen Mädchen mit Rasierklingen die äußeren Schamlippen und die Klitoris abschneiden und ihnen dann die Mösen zunähen.

Wir sind Gott und Gott ist in uns, Gott hat keinen Namen und kein Geschlecht, Gott hat keinen Willen und keine Absichten, kein Mitleid, keinen Zorn. Gott ist inhaltsleer wie das Wetter. Eine Religion, die auf Gott aufbaut, gibt es nicht. Einen Gott, der durch irgendeine Religion vertreten wird, gibt es ebenso nicht. Das katholische Glaubensbekenntnis2 ist eine Gebetsformel, nichts weiter, Wind in den Ohren Gottes. Ob Katholizismus, Judentum, Hinduismus, Zeugen Jehovas, Scientology oder wie immer die Religionen der Welt heißen mögen - sie alle sind gleichwertig, keine besser, keine schlechter, alle, alle, alle, basieren auf einer Chimäre. Auf menschlichen Traditionen und Phantasien, die dazu entwickelt und bereitgestellt wurden, um die Leere zu füllen, um Inhalte zu schaffen, um Macht auszuüben.

Göttlich, in diesem fast abstrakten Sinn, auch wenn es von sehr zweifelhaften menschlichen Gruppen und Organisationen betrieben wird, ist dagegen das Internet, obwohl ich das Internet eher als eine Art mystisches Overmind sehe, als einen Rückkoppelungsakt des Bewusstseins auf sich selbst, also als milliardenfach potenzierte Individualität statt als eine global verstärkte Kollektivität. Weswegen etwa dem Internetbenutzer ein Gefühl für "Solidarität" fremd ist, während man ein TV Programm durchaus dazu benutzen kann, für ein wenig Rockmusik oder dergleichen relativ viel Geld für irgendeinen wohlgemeinten Zweck zu stiften.

Wie und in welchen Formen sich diese Verhakungen nachher manifestieren - das ist eine reine Frage der Mode. Heutige Männer würden keine Allongeperücken mehr tragen, sie würden sich nicht mehr mit Säbeln duellieren, Frauen tragen keine Cloche-Hüte mehr, sie erwarten nicht mehr, dass irgendjemand bei ihren Vätern um ihre Hand anhält. Die Mode ändert sich, einzig die katholische Geistlichkeit läuft noch in Caesars Nachthemd spazieren. Ha. Ha. Wer könnte sich enthalten, darüber KEINE kleinen Witzchen zu reißen?

Doch nein - gehen wir noch mal zurück. Das wirklich evolutionär Neue vor 5000 Jahren war, dass die hebräischen Sklaven in Ägypten ein kollektives Bewusstsein entwickelten, dem sie einen Namen geben konnten: Der Gott Israels. Die Erfindung des Monotheismus war eine menschliche Großtat, eine geistige Pionierleistung. Das Internet seiner Zeit. Ihr "Es gibt nur einen Gott" bedeutete allerdings ausschließlich: "FÜR UNS!" Der Gott Israels war nie dazu gedacht, mit allen möglichen anderen Leuten und Völkern geteilt zu werden, portioniert wie ein Kantinengericht, an dem alle teilhaben können.

Die katholische Kirche hat sich den gleichen Spruch zu Eigen gemacht, nur lautet er dort: "Es gibt nur den einen Gott, und zwar den unseren. Er ist allumspannend, daher 'katholisch'. Deswegen können wir uns zwar zu anderen Leute dazu setzen, die 'Gott' anbeten, aber wir wissen natürlich, dass ihr 'Gott' nur ein Götze ist. Solange sie nicht bei uns zahlen, zählt ihr 'Gott' für uns rein gar nicht. Wir kennen keine Ökumene, wir kennen nur die Ökonomie."

In Wirklichkeit ist denn auch der Katholizismus keinesfalls eine monotheistische Religion. Bill Maher führt in seinem Film ("Religulous") einen katholischen Geistlichen an, der ihm erzählt, dass in Italien, dem Basisland des Katholizismus, Jesus ("der Sohn Gottes", also die wichtigste Person im katholischen Götterhimmel nach Gott-Vater selbst) unter den von Italienern angerufenen Heiligen erst an sechster Stelle rangiert. Ein Witz. Aber so und ähnlich darf man sich das auch in allen anderen Religionen der Welt vorstellen. Sie dienen einzig als Systeme zur Kontrolle und zum Machtgewinn. Zum Machtgewinn für eine bestimmte Kaste. Das wichtigste am Vatikan ist daher auch die Bank des Vatikans. Und die Kontrolle über staatliche & politische Systeme in aller Welt. Am besten natürlich undemokratische. Der Faschismus ist die ideale Ausprägung des vatikanischen Bruderstaates.

Alle Manifestationen der organisierten Religion, einschließlich der zu Hunderttausenden in Stein gefrorenen menschlichen Leiden und Entbehrungen, "Kathedralen" genannt, zu denen unsere Touristen in aller Welt hinpilgern, sind nur ein Ausdruck der menschlichen Niedertracht, die sich in den bizarrsten Formen äußert und üblicherweise in Grausamkeit endet. Es ist für mich nicht verwunderlich, dass der Faschismus sich einst in erster Linie durch die katholischen (weil autoritär-autokratisch regierten) Länder verbreiten konnte - Italien, Spanien, Portugal, Südamerika, und in Deutschland schließlich unter dem Banner des "Haken-Kreuzes" kulminierte - das in Brechts "Kälbermarsch" dann, mit agitatorischer Absicht, so erklärt wurde:

Sie tragen ein Kreuz voran
Auf blutroten Flaggen
Das hat für den armen Mann
Einen großen Haken.

Eine Kabarett-Pointe mit Augsburger Reim, die aber, so gut gemeint sie sein mochte, genauso ins Leere lief, wie die musikästhetischen Kritiken am Horst-Wessel-Lied. Die schäbige Nazi-Hymne diente, genau wie jedes linke Arbeiter- und Kampf-Lied, wie jede fromme Kirchen-Hymne "religiösen" Inhalts, jeweils immer nur dem gleichen Zweck: dem mentalen Verschweißen der jeweiligen Gruppe.

Die Nazis konnten bruchlos auf das katholische autoritäre Reservoir an Verhaltensweisen zurückgreifen, und natürlich in Deutschland auch noch auf besonders viehische Grausamkeitsrituale regredieren. Wer weiß, ob man so ein Erlebnis wie den Dreißigjährigen Krieg jemals wirklich aus seinen kulturellen Memen herauschütteln kann? Das große deutsche Judenpogrom des 20. Jahrhunderts war auf alle Fälle die massive ERBsünde des Katholizismus, genauer: das vom Katholizismus Ererbte im Nationalsozialismus, und so viele schreckliche Dinge im Namen des Katholizismus auch in aller Welt (nehmen wir mal: seit 1492) passiert sind - hier steht der gigantische Schwarze Granit in der Geschichte der Menschheit. Für alle Zeiten unauslöschlich nicht nur mit dem Namen Deutschland (und Österreich, et cetera) sondern besonders eben auch mit dem Katholizismus zusammengeschweißt.3

Dazu, bitte nicht unterschlagen, der parallele Massenmord an Zigeunern, Russen, Polen, Deutschen, Schwulen, Kommunisten, Schwarzen - die Tausenden von deutschen Zirkusnegern, die Exoten im "Münchhausen"-Film, die quasi direkt von Münchhausen nach Mauthausen wanderten. Entschuldigt den bösen Scherz, ich möchte nur eine kleine Eselsbrücke für euer Gedächtnis hier hersetzen. Doch es gibt, auch wenn der ex-katholische Jude Bill Maher (in Amerika gibt's so was!) meint, über alles, was mit Religion zusammen hängt, nur lachen zu können - nein, es gibt darüber nichts zu lachen. Alles das steht, fein detailliert hingemalt, im Hintergrund des Bildes, wenn der deutsche Papst in Angola schließlich mit der Pilgerin Fatima zusammen trifft.

Wo das Leben tödlich ist

Unterdessen lese ich in der Online-Ausgabe der New York Times. Denise Grady berichtet aus Berega, in Tansania, mehrere hundert Kilometer landeinwärts von der Hauptstadt, Dar-es-Salaam.4 Die Reporterin schreibt über eine junge Frau, die bereits seit zwei Tagen in den Wehen steht. Jetzt ist sie im örtlichen Krankenhaus angekommen. Es bleibt, weil ZWEI Leben in Gefahr sind, nur die Option, das Baby sofort per Kaiserschnitt zu entnehmen.

Kurz vor Sonnenaufgang, der Operationsraum wird von einem rumpelnden Stromerzeuger erleuchtet, dem einzigen Lichtfleck in diesem Dorf aus Lehmhütten und Maisfeldern. Eine Maske mit ausgeleierter Schnur wird der Frau übers Gesicht gelegt. Bald darauf verbreitet sich der aufdringliche Geruch von Äther, dann ergreift Emmanuel Makanza seine Instrumente und macht den ersten Schnitt. Herr Makanza ist kein Arzt, stellt Denise Grady fest.

Ein Fakt, sagt sie, der sowohl die Verzweifelung und die Kreativität (sie meint, die Improvisierbereitschaft) der Tansanier illustriert, in ihrem Kampf, die Zahl der Toten und Verletzten unter den Schwangeren und Neugeborenen herunterzubringen. Grady zitiert aus einer World-Health-Organization-Statistik die Zahl von 536.000 Frauen pro Jahr, die während der Schwangerschaft oder Geburt sterben, davon mehr als die Hälfte in Afrika.

Die meisten dieser Todesfälle seien vermeidbar, lese ich, sofern eine elementare geburtshelferische Betreuung zur Verfügung stünde. Tansania, mit rund 13.000 Todesfällen pro Jahr, weist weder die beste noch die übelste Bilanz auf. Politisch stabil, ist das Land aber auch eines der ärmsten. Es fehlt an allem - an Ärzten, Krankenschwestern, Medikamenten, an Ausrüstung, Straßen und Transportmitteln. Die Folge davon ist die hohe Müttersterblichkeit.

Aber es gibt nicht einmal genug Leute vom Schlage eines Emmanuel Makanza. Er beginnt mit der Operation. Ein rascher vertikaler Schnitt abwärts von knapp unterhalb des Nabels - dann in den Uterus, und das betäubte, stille Kind, ein Junge, erschöpft von der langen Anstrengung der Geburt, wird herausgezogen. Eine Krankenschwester benötigt fünf bis zehn Minuten energischer Belebungsversuche, um den Kleinen zu normaler Atmung und dem üblichen Geschrei eines Neugeborenen zu animieren.

Ich lese es sei nicht ungewöhnlich, dass eine Schwangere hier bereits in den Wehen eintrifft, nachdem sie eine knochenschüttlerische Tagesreise auf dem Soziussitz eines Fahr- oder Motorrads hinter sich hat, wobei nicht selten ein Arm oder Bein des noch ungeborenen Kindes bereits aus ihrem Leib heraushängt.

Manche Frauen kommen einfach zu spät. Im Oktober starb eine Frau, die zwei Tage in den Wehen gelegen hatte, an der Infektion. Im November und Dezember verbluteten jeweils zwei. Die Ärzte meinen, dass vermutlich noch weit mehr Frauen bei der Geburt sterben - unter den vielen Frauen, die versuchen, ihre Kinder zu Hause zur Welt zu bringen. Wenige Minuten zu Fuß vom Krankenhaus entfernt gibt es ein Waisenhaus, das die Tatsachen an diesem Ort zusammenfasst: 20 Kinder, alle unter 3 Jahren, bei fast allen starb die Mutter während der Geburt.

Nach einigen Tagen in Berega, wird der Reporterin klar, welche Schwierigkeiten es dort gibt. Zuweilen führt Herr Makanza eine Kaiserschnittoperation nach der anderen aus, manchmal mitten in der Nacht. Eine Mutter ist erst 15. Eine andere hat schon zwei Kaiserschnitte hinter sich, was ein größeres Risiko für die anstehende Operation und alle zukünftigen Schwangerschaften in sich birgt, aber als Herr Makanza ihr eine Sterilisation empfiehlt, spricht sie sich dagegen aus.

Andere haben gehofft, ihre Wehen abzukürzen, indem sie Heilkräuter schluckten; jetzt leiden sie an lebensgefährlichen Krämpfen. Die Beschäftigten im Krankenhaus bemühen sich, mit den Operationen Schritt zu halten, sie waschen die blutigen Binden, ebenso die Operationsabdecktücher, mit der Hand in Waschschüsseln aus und wischen das Blut mit einem Mopp zwischen den Operationen vom Fußboden auf.

Zwei Frauen haben extreme Probleme mit ihrem Bluthochdruck. Eine ist ins Krankenhaus gebracht worden, nachdem sie zu Hause ihr Kind geboren hat und anschließend in Krämpfe verfiel. Eine andere brachte ein Kind termingerecht zur Welt, das bereits eine Woche vor der Geburt im Mutterleib verstorben war. Ihre einzige frühere Schwangerschaft hatte ebenso geendet. Eine Mutter erreichte den Kreißsaal mitten im Geburtsprozess, als sie Zwillinge zur Welt brachte. Der eine war bereits gestorben, der andere wurde durch Kaiserschnitt gerettet.

Dieser Artikel geht immer so weiter. Eine Horrornachricht nach der anderen. In der tansanischen Stadt Moshi verwandelte sich eine scheinbar normale Geburt plötzlich in einen Notfall, bei dem jede Sekunde zählte. Hawa Khalidi, 36, hatte bereits fünf normale Geburten hinter sich, und brachte ihr sechstes Kind am 19. November letzten Jahres in den frühen Morgenstunden zur Welt. In einem Gesundheitszentrum mit lediglich ein paar Krankenschwestern in einem der ärmeren Stadtviertel. Dann begannen die Blutungen. Bei Tagesanbruch war die Frau tot.

Die Autopsie ergab, dass Hawa Khalidi starb, weil die Krankenschwester, die ihrem Kind auf die Welt verholfen hatte, anschließend die eine wichtige Sache vergaß oder unterließ, die diese Blutungen hätte stoppen können: die Nachgeburt, die Plazenta, nach der Geburt zu entfernen. Normalerweise reicht es hierfür, an der Nabelschnur zu ziehen. Die Autopsie zeigte, dass die Schnur gerissen war.

Die Krankenschwester wusste offenbar nicht, wie sie in den Mutterleib hineingreifen und die Plazenta beseitigen könnte. Sie schickte Hawa Khalidi in ein Krankenhaus, doch bis dahin hatte die Frau so viel Blut verloren, dass die Ärzte sie nicht mehr retten konnten. Der Witwer, Herr Khalidi, berichtete der Reporterin, die Krankenschwestern hätten mit seiner Frau geschimpft, weil sie zu arm gewesen sei, um ihr eigenes "Geburtsköfferchen" mitzubringen, in dem sich Einweghandschuhe, Klammern und andere Dinge dieser Art hätten befinden sollen.

Einige Geburtsstationen, berichtet die Reporterin, seien so überfüllt, dass die Frauen zu zweit oder zu dritt in einem Bett, oft auch auf dem Fußböden schliefen, gemeinsam mit ihren Neugeborenen. Obwohl die Regierung versprochen hätte, weitere Kliniken zu errichten, und jeweils eine in drei Meilen Entfernung eines jeden Dorfes aufzustellen, gelänge es der Regierung nicht einmal, die bestehenden Kliniken mit genug Personal zu versehen. Die Gesundheitsarbeiter, überarbeitet, unterbezahlt, manchmal nur wenig ausgebildet, verlieren oft jeden Mut und finden sich einfach damit ab, dass so viele Mütter sterben.

Aber nein: "Man kann sich an die Todesfälle der Mütter nie gewöhnen," zitiert Grady einen Dr. Siriel Nanzia Massawe; es kann auch eine Ärztin sein, das Geschlecht kann ich aus dem Namen nicht erkennen. Ein Geburtshelfer und Leiter der Postgraduate Studies an der University of Health and Allied Sciences in Dar-es-Salaam. "Einen Moment lang spricht sie noch mit ihrem Mann, dann verblutet sie und es ist vorbei mit ihr. Sie ist gestorben, noch ganz jung. Du kannst eine Woche lang nicht mehr schlafen. Dieses Gesicht sucht dich immer wieder heim. Es sterben zu viele, zu jung. Aber die Leute, die die Macht haben, die haben das nicht gesehen. Wir müssen ihnen das zu Bewusstsein bringen", sagt Dr. Massawe.

Ich lege den Artikel beiseite. Ob der Papst so was liest? Frage ich mich.

Fortsetzung folgt.