Fiktionen zur Extremismusforschung

Geheimdienstler, Wissenschaftler – oder beides?

Eine Replik auf Maximilian Fuhrmanns Buchauszug bei Telepolis

"Extremismusforschung: Blick auf einen wissenschaftlich-staatlichen Komplex", so überschrieben ist ein Buchauszug auf Telepolis von Maximilian Fuhrmann und Sarah Schulz. Suggeriert wird in der Ünerschrift nahezu verschwörungsideologisch eben die Existenz eines "wissenschaftlich-staatlichen Komplexes".1

Bei den Ausführungen handelt es sich um einen Auszug aus dem Buch "Strammstehen vor der Demokratie. Extremismuskonzept und Staatsschutz in der Bundesrepublik", Stuttgart 2021, dort S. 75-82. Maximilian Fuhrmann ist dafür der Alleinautor, insofern wird er fortan auch nur angesprochen.

Das Buch enthält im Klappentext die folgende Angabe zu den Verfassern: "Beide schreiben seit Jahren gegen das Extremismuskonstrukt und die wehrhafte Demokratie an." Das ist ein legitimes Anliegen im öffentlichen Diskurs. Indessen darf gefragt werden: Geht es um Gesinnungsbekundungen oder um Wissenschaft? Es dominiert indessen die erstgenannte Blickrichtung, was sich aus den erkennbaren Fehlwahrnehmungen und Zerrbildern ergibt.

Die Ausführungen von Fuhrmann argumentieren hier auch nicht inhaltlich, sondern begnügen sich in dem Auszug aus dem Buch damit, auf Gemeinsamkeiten von Extremismusforschung und Verfassungsschutz hinzuweisen. Diese gibt es durchaus, richten sich beide doch gegen Extremismus mit einem ähnlichen, aber nicht identischen Analyseinstrumentarium und Normenfundament.

Fuhrmann aber lässt die genannten Extremismusforscher dabei als deren willfährige Akteure erscheinen. Von derartigen Andeutungen ist auch der Autor betroffen, was ihn mit zu dieser Replik motivierte. Es ergibt sich so die Chance, falsche bis schiefe Behauptungen geradezurücken.

Dabei kann ein aufmerksamer Betrachter jeweils darüber nachsinnen, ob die kritisierten Einschätzungen bloße Fehldeutungen sind oder bewussten Manipulationsabsichten entspringen. Durchgängig kommt einem aber Goethe in den Sinn: "So fühlt man Absicht und man ist verstimmt."

Pauschale Einschätzung trifft nicht zu

Zunächst fällt auf, dass Fuhrmann zur Darstellung der Extremismustheorie fast nur auf ältere Publikationen von Uwe Backes und Eckhard Jesse, insbesondere im Jahrbuch Extremismus & Demokratie, verweist. Es gibt darüber hinaus gehende Ansätze und Ergänzungen, die Fuhrmann gar nicht zur Kenntnis genommen hat.

Der Autor dieser Replik verweist hier einmal auf die Fülle von Beiträgen in dem von ihm seit 2008 herausgegebenen Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismusforschung. Warum ignoriert Fuhrmann die dortigen Inhalte, die eben nicht zu seinen Thesen passen? Kennt er sie nicht, dann hat er schlecht recherchiert. Kennt er sie und schweigt, dann manipuliert er das Lesepublikum.

Dies lässt sich bei den Aussagen zu den "personellen Verflechtungen" immer wieder feststellen. Da geht es um ehemalige Mitarbeiter in den Verfassungsschutzbehörden, die später an Hochschulen als Dozenten arbeiteten. Auch der Autor dieser Replik gehört dazu. Aber darüber später mehr.

Hier sei zunächst ein anderes Beispiel zur Veranschaulichung aufgegriffen: Fuhrmann unterstellt, dass diese "den Verfassungsschutz verteidigen". Die Einschätzung trifft in dieser Pauschalität nicht zu, ignoriert sie doch die veröffentlichte Kritik. Ist man nicht nur einer rigorosen Gesinnung verpflichtet, sondern einer wissenschaftlichen Perspektive, sind auch differenzierte Einschätzungen und Positionierungen möglich. So nennt Fuhrmann beispielsweise Thomas Grumke und Rudolf van Hüllen. Beide haben ein umfangreicheres Buch zum Verfassungsschutz veröffentlicht. Fuhrmann ist dies bekannt, denn es kommt in seinem Literaturverzeichnis vor.

In diesem Buch wird aber auch eine intensive Kritik an den Verfassungsschutzbehörden vorgetragen, wobei es etwa um die Analysekompetenzen oder das Führungspersonal geht. Fuhrmann suggeriert indessen, dass Grumke und van Hüllen hier nur "verteidigen". Hat er deren Buch nicht gelesen, dann hat er schlecht gearbeitet. Oder hat er das Buch gelesen und schweigt über die dortige Kritik, weil sie ansonsten nicht zu seiner Einschätzung passen würde? "So fühlt man Absicht und man ist verstimmt."

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