Finanzgipfel: Es ist Zeit, dass der Westen seine Billionen-Schulden zahlt!

Seite 2: Geld ist da, nur der politische Wille fehlt

Doch bei aller Kritik an den üblichen Rede-Gipfeln wie der aktuelle, bei der die Zahlungsverweigerung der reichen Staaten oft nur mit rhetorischen Feigenblättern verdeckt wird, gibt es auch Positives zu vermelden. Viele der auf der Tagesordnung stehenden Themen greifen Vorschläge einer Gruppe von Entwicklungsländern auf, die von der Premierministerin von Barbados, Mia Mottley, angeführt und als "Bridgetown-Initiative" bezeichnet wird.

Mottley ist bereits zu einer Ikone auf Klimagipfeln geworden. In ihrer Rede auf der Konferenz in Glasgow im Jahr 2021 kritisierte sie in scharfen Worten die leeren Versprechen hinter den netten Worten der Regierungschefs der Industriestaaten.

Sowohl bei den Angeboten zur Emissionsreduktion, als auch bei der Klimafinanzierung und Unterstützung zur Bewältigung von Klimaschäden ließen die reichen die armen Länder im Regen stehen, so die Regierungschefin der Inselrepublik.

Die Ausrede, es gäbe kein Geld, lässt sie nicht gelten. So hätten die Zentralbanken der reichsten Staaten in den letzten zehn Jahren 25 Billionen Dollar zur Stimulierung der Wirtschaft mobilisiert, neun Billionen allein für den Kampf gegen die Pandemie in den ersten 18 Monaten. Mit diesen Summen, so Mottley, könnten die globale Energie-, Agrar- und Transportwende sofort umgesetzt werden und garantieren, dass die Obergrenze von 1,5 Grad Celsius Erderhitzung nicht überschritten werde.

Wie viele Schreie der Menschheit, wie viele Bilder des Leids müssen wir noch sehen, damit die 200 hier Versammelten endlich reagieren?

Der Druck von den Entwicklungsländern auf die Regierungen der reichen Staaten nimmt also zu. Das gestiegene Selbstbewusstsein von Schwellenländern wie Brasilien und China hilft, diesem Druck den nötigen geopolitischen Nachdruck zu verleihen.

Zudem wird die Forderung nach einer echten Kehrtwende auch in den Industrienationen lauter. Mehr als 140 Ökonomen und Politikexperten haben Anfang der Woche zum Paris-Gipfel einen offenen Brief veröffentlicht, in dem sie die Staats- und Regierungschefs der reichen Länder auffordern, die lebensbedrohlichen Krisen, die vom Klimawandel und der Ungleichheit ausgehen, durch eine Umverteilung von Billionen Dollar an die armen Länder zu bekämpfen.

"Den Klimazusammenbruch aufzuhalten ist keine Raketenwissenschaft", sagte der Wirtschaftsanthropologe Jason Hickel, der den Brief unterzeichnet hat, in einer Erklärung.

Die Regierungen müssen aufhören, die fossile Brennstoffindustrie zu subventionieren. Internationale Banken müssen den Ländern des Globalen Südens ihre Auslandsschulden erlassen. Und wir müssen extremen Reichtum besteuern.

Die ständige Behauptung, dass die öffentlichen Finanzen knapp sind, sei ein Mythos. Das zeigten die Billionen-Aufwendungen für Unternehmen im Zuge der Finanzkrise oder der Pandemie sowie die horrenden Summen, die für Militär und Rüstung jedes Jahr ausgegeben werden.

Die Unterzeichner des Briefs an die Regierungen der reichen Länder fordern drei zentrale Maßnahmen, um zusätzliche Mittel für die faire Schuldenbegleichung freizusetzen.

1. So sollte die Finanzierung von fossilen Brennstoffen eingestellt werden. Damit könnten 500 Milliarden Dollar pro Jahr allein in den G20-Staaten freigesetzt werden.

2. Die unrechtmäßigen Schulden des Globalen Südens müssten gestrichen werden, was circa 300 Milliarden Dollar jährlich einbringen würde.

3. Die Reichen sollten endlich besteuert werden. So haben die wohlhabendsten ein Prozent zwei Drittel des in den letzten zwei Jahren neu geschaffenen weltweiten Reichtums für sich beansprucht, während gleichzeitig die Ungleichheit und die Armut global enorm zunehme, so stark wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Progressive Steuern auf extremen Reichtum, beginnend bei zwei Prozent, könnten 2,5 bis 3,6 Billionen Dollar pro Jahr einbringen. Weitere Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung würden die Summe noch erheblich steigern.

Gemäß Experteneinschätzung "summieren sich diese bescheidenen Vorschläge auf 3,3 Billionen Dollar pro Jahr. Eine neue Studie in Nature Sustainability schätzt die fairen Klimaschulden der reichen Länder auf das Doppelte, nämlich sieben Billionen Dollar pro Jahr bis 2050".

Genügend Geld ist also vorhanden, ohne den Wohlstand in den Industriestaaten für die Normalbürger:innen zu gefährden. Moralisch gibt es zudem keinen Grund, die Tilgung der Schulden, die die reichen Länder aufgehäuft haben, vor dem Hintergrund des Verursacher- und Profiteurprinzips weiter zu verweigern. Die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen verlangt es zudem.

Es ist an der Zeit und dringend notwendig: Die Reichen müssen endlich zur Kasse gebeten werden. Das wird allen zugutekommen, da nur derart die Erde belebbar und sicher gehalten werden kann.

Außerdem werden die eskalierenden Krisen im Globalen Süden zunehmend die Krisen des Globalen Norden – und das gilt nicht nur in Hinsicht auf Flucht und Migration. Der Sondergesandte des US-Präsidenten für das Klima, John Kerry, sagte am 13. Juni 2023 vor dem UN-Sicherheitsrat:

Lassen Sie mich zunächst allen sagen, dass es inzwischen unbestreitbar ist, dass die Klimakrise eine der größten Sicherheitsbedrohungen darstellt, nicht nur für die Industrieländer, sondern für den gesamten Planeten, für das Leben auf der Erde selbst. Und es ist eine Krise, die die Länder schon heute jedes Jahr Milliarden von Dollar kostet, die wir nicht einmal zur Verhinderung, sondern nur zur Beseitigung des Schlamassels ausgeben. Und was am wichtigsten ist: Sie kostet die Welt Millionen von Menschenleben. Sie ist eine aktive Bedrohung für die Lebensgrundlagen und den Frieden der Menschen überall auf diesem Planeten.

Das sagt Kerry, Abgesandter der USA! Ist es also wirklich unmöglich, den politischen Willen zu finden, aus solchen Worten die entsprechenden Geldflüsse entspringen zu lassen?

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