Fleischlos glücklich: Ein Trend aus mehreren Gründen

Es muss nicht immer Seitan oder Tofu sein. Foto: Telepolis / claw

Ob Klimaschutz, Tierwohl oder die eigene Gesundheit das Hauptmotiv sind: Die Beliebtheit vegetarischer und veganer Ernährung nimmt stetig zu

Auch wenn manche Schnitzelfreunde nicht verstehen, wer sich das aus welchen Gründen freiwillig antut, solange es Billigfleisch gibt: In Deutschland ernähren sich immer mehr Menschen vegetarisch oder vegan. Aktuell essen in der Bundesrepublik rund acht Millionen Menschen kein Fleisch - was knapp zehn Prozent der Bevölkerung entspricht. In der jungen Generation ist der Anteil allerdings höher: Er liegt bei knapp 13 Prozent der 15- bis 29-jährigen, wie im "Fleischatlas 2021" der Heinrich-Böll-Stiftung, des Umweltverbands BUND und der deutschen Ausgabe von Le Monde diplomatique (taz-Verlag) aufgeschlüsselt wurde.

Im Jahr 2020 ordneten sich etwa 1,3 Millionen mehr Menschen als Vegetarier ein als im Jahr 2016. Dieser Wert entspricht einem Zuwachs von 23 Prozent. In absoluten Zahlen fällt das Plus mit rund 300.000 Personen bei den Veganern geringer aus - was aber prozentual einem Anstieg um rund 41 Prozent entspricht.

Unter Vegetarismus kann jede fleischlose Ernährung verstanden werden. Veganismus bezeichnet den Verzicht auf alle tierischen Erzeugnisse - auch Ei- und Milchprodukte fallen dann weg. Über die Verbreitung dieses Ernährungsstils kursieren verschiedene Angaben. Eine Statista-Grafik auf Basis einer Umfrage des Allensbach-Instituts für Demoskopie zeigt aber für diese Zielgruppe einen eindeutigen Wachstumstrend.

Warum ernähren sich Menschen vegetarisch oder vegan?

Die persönlichen Motive für eine vegane oder vegetarische Ernährung sind durchaus verschieden. In Zeiten des Klimawandels spielt ökologische Nachhaltigkeit eine immer größere Rolle. Die Klimabilanz fällt bei tierischen Produkten im Vergleich zu pflanzlichen deutlich negativer aus.

Der reine Tierschutzaspekt wird von Veganern und Vegetariern zum Teil unterschiedlich bewertet: Für Veganer, deren Hauptmotiv die Vermeidung von Tierleid ist, gibt es keine artgerechte "Nutztierhaltung", da letztere in jedem Fall als ausbeuterisch betrachtet wird, während Vegetarier zum Beispiel mit einem Stück Ziegenkäse vom Bio-Bauernhof kein Problem haben. Wenn das "Tierwohl" für Vegetarier ein Beweggrund ist, kommt es ihnen darauf an, keine qualvolle Massentierhaltung zu unterstützen.

Hierbei spielt aber in einigen Fällen auch der Schutz der eigenen Gesundheit eine Rolle, da durch den großzügigen Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung immer wieder resistente Keime entstehen - auch solche, gegen die Reserveantibiotika wirkungslos sind.

Immer mehr Nachfrage für Fleischersatzprodukte

Im Vergleich zum Jahr 2019 stellten Unternehmen in Deutschland 2020 etwa 39 Prozent mehr Fleischersatzprodukte aus Soja, Weizen- oder Erbsenproteinen oder auch Lupinen her. Dabei stieg die Produktion von ungefähr 60,4 Tausend Tonnen auf etwa 83,7 Millionen Tonnen, was das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt. Im gleichen Zeitraum erhöhte sich der Wert dieser Produkte von 272,8 Millionen Euro sogar auf 374,9 Millionen Euro, was ein Plus von 37 Prozent darstellt.

Eine Umfrage bei Berufsköchen bestätigt das Bild, seit 2014 steigt die Zahl der Restaurants, die extra vegane Gerichte ausweisen beziehungsweise ergänzen, um durchschnittlich rund vier Prozent. Erst seit 2013 werden diese Daten erhoben, weshalb nun zum ersten Mal ein Vorjahresvergleich möglich ist.

Seit 1978 ist der Fleischkonsum in Deutschland stark gesunken

Der Konsum von Fleisch zum Braten oder Kochen pro Haushalt ist in Deutschland langfristig betrachtet zurückgegangen. Ein Haushalt verbrauchte im Jahr 1978 im Durchschnitt ungefähr 6,7 Kilogramm Fleisch pro Monat - hier wurden Räucher- und Trockenfleisch, Wurstwaren oder anderes verarbeitetes, konserviertes Fleisch nicht mitgerechnet. Mit etwa 2,3 Kilogramm war es 40 Jahre später nur noch ein gutes Drittel dieser Menge - hierbei ist zwar zu berücksichtigen, dass die Größe eines Haushalts in gut vier Jahrzehnten von durchschnittlich 2,5 Personen pro Haushalt auf zwei Personen im Jahr 2018 gesunken ist. Allerdings wäre bei gleichbleibendem Fleischverzehr pro Person der entsprechende Konsum pro Haushalt nur um 20 Prozent und nicht um fast zwei Drittel gesunken.

Besonders stark ging im genannten Zeitraum der Konsum von Schweinefleisch zurück: Im Jahr 1978 verbrauchte ein Haushalt im Durchschnitt noch 3,1 Kilogramm im Monat und 2018 waren es rund 900 Gramm. Zudem sank der Verbrauch von Rindfleisch von 1,5 Kilogramm auf nur noch 600 Gramm und der Verbrauch von Geflügel von 1,3 Kilogramm auf rund 800 Gramm.

Auch pflanzliche Milchersatzprodukte immer beliebter

In Deutschland wurden im Jahr 2020 mit pflanzlichen Drinks, Desserts, Kochcremes und Joghurtalternativen etwa 536 Millionen Euro umgesetzt. Die Warengruppe von diesen pflanzlichen Produkten konnte in den vergangenen Jahren somit einen Bedeutungszuwachs verzeichnen. Die Umsätze lagen 2018 noch bei rund 316 Millionen Euro. Vor allem bei Veganern sowie Personen mit Laktoseintoleranz sind solche Produkte beliebt, weil diese als ein Ersatz für tierische Milch dienen.

Besonders gefragt sind pflanzliche Milchersatzprodukte, die inzwischen nicht nur aus Soja hergestellt werden. Auch Hafer, Mandeln, Reis, Erbsen oder Kokosnüsse werden inzwischen zu pflanzlichen Drinks verarbeitet, die ihren festen Platz in großen Supermarktketten haben. Dabei ist in Deutschland jeder zehnte verkaufte Liter "Milch" keine Kuhmilch, sondern ein pflanzlicher Milchersatzdrink. Deshalb sinkt auch der Milchverbrauch: von durchschnittlich 54 Litern pro Person im Jahr 2000 auf 50 Liter im Jahr 2019.

Kunstfleisch - in Zukunft eine weitere Alternative

Zwar machen Fleischersatzprodukte und erst recht im Labor gezüchtetes Fleisch bisher nur einen kleinen Anteil am weltweiten Markt aus, der sich auf ungefähr eine Billion Dollar beläuft - doch das dürfte sich ändern. Zum Beispiel geht die Unternehmensberatung AT Kearney davon aus, dass in 20 Jahren nur noch 40 Prozent des weltweit konsumierten Fleisches aus "konventionellen" Fleischquellen, also von Tieren stammen werden.

Der Markt für Milch- und Fleischalternativen dürfte ebenfalls in Europa weiter wachsen. Der Umsatz in beiden Segmenten erhöhte sich von 2010 bis 2020 in den EU-Mitgliedsstaaten sowie dem Vereinigten Königreich sogar um zehn Prozent. In den 28 Ländern wurden im Jahr 2019 mit Fleischalternativen etwa 1,4 Milliarden Euro umgesetzt und drei Milliarden Euro mit pflanzlichen Drinks. Im Jahr 2025 werden laut einer Studie der niederländischen ING-Bank Fleischalternativen in der EU sowie in Großbritannien einen Umsatz über 2,5 Milliarden Euro erzielen und sogar fünf Milliarden Euro Umsatz dürften pflanzliche Milchersatzprodukte erreichen.

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