Flexible Paläo-Diät
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Vor rund 2 Millionen Jahren holten sich Vormenschen ihre pflanzliche Kost von den Bäumen ihrer direkten Umgebung
Die Vor- und Urmenschen, die vor 2,4 Millionen Jahren in Südostafrika, im heutigen Malawi lebten, bevorzugten regionale Kost. Wie eine Untersuchung des Zahnschmelzes von Fossilien der einst dort beheimateten Homininenarten Homo rudolfensis und Paranthropus boisei ergab, verzichteten sie auf lange Wege ins offene Grasland und nutzten stattdessen alle Teile von Bäumen ihrer bewaldeten Umgebung, um sich zu ernähren. Ihre Anpassungsfähigkeit war ihr Erfolgskonzept.
Ein Wissenschaftlerteam von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und der Goethe-Universität Frankfurt untersuchte fossile Zähne von drei Individuen aus Fundstätten aus der Region des Malawisees, die Spuren des Essens, das sie einst zerkauten, in ihrem Schmelz bewahrten. Ihre Ergebnisse veröffentlichte die Gruppe um Tina Lüdecke im Dezember im Wissenschaftsjournal Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS).
Zahnschmelz, die äußerste Schicht der Zähne, ist ein ganz besonderes Material. Das dichte kristalline Netzwerk ist die härteste Substanz im menschlichen Körper und so beständig, dass selbst nach Millionen von Jahren die darin gespeicherten Informationen von Experten noch ausgelesen werden können. Die Kohlenstoff- und Sauerstoff-Isotopenzusammensetzung lässt Rückschlüsse darauf zu, was eine Person damals gegessen hat (vgl. Stabilisotopenanalysen am Menschen).
Zudem erlauben geochemische Analysen, die aufgenommenen Anteile von Pflanzen mit verschiedenen Photosynthesewegen zu unterscheiden - die wiederum hauptsächlich in verschiedenen Landschaftsformen vorkommen.
Waldregion oder Savanne
In der traditionellen Evolutionsvorstellung stiegen unser Vorfahren vor Millionen von Jahren in Afrika von den Bäumen herab, weil das Klima trockener wurde, und richteten sich zunehmend auf zwei Beinen auf, weil das im offenen Grasland einen Überlebensvorteil durch besseren Überblick und schnelleres Davonrennen bot. Der erste Schritt in der Entwicklung in Richtung Mensch.
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte zeigen, dass es nicht so einfach war und es keine gradlinige, direkte Entwicklung zum anatomisch modernen Menschen gab. Der Stammbaum des Homo sapiens ist nicht nur stark verzweigt, sondern insgesamt eher ein Netzwerk als ein Baum.
Viele verschiedene Hominini existierten gleichzeitig und selbst als ausgestorbene geltende Menschenarten wie der Neandertaler oder der Denisova-Mensch haben in geringem Umfang ihre genetischen Spuren in vielen heute lebenden Menschen hinterlassen (vgl. Enge Steinzeit-Verwandte). Als Hominini gelten alle lebenden oder ausgestorbenen Mitglieder der Überfamilie Hominoidea (Menschenartige), die mit dem Homo sapiens näher verwandt sind als mit den Affen.
Der Aufbruch zur Menschwerdung fand nicht auf einer Einbahnstraße vom Wald in die Savanne statt. Vor- und Urmenschen existierten lange in beiden Landschaftsarten parallel, obwohl sie bereits aufrecht auf zwei Beinen gingen und ihre Hände vor allem zum Greifen nutzen.
Vor 2,4 Millionen Jahren lebten nahe dem Malawisee im Norden des heutigen Staates sowohl Homo rudolfensis als auch der deutlich primitivere Paranthropus boisei. Die Fossilien dieser Vor- und Frühmenschen fand das Hominid Corridor Research Project (HCRP), das einer der bekanntesten Paläoanthropologen Deutschlands, Friedemann Schrenk von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, der auch an der aktuellen Studie beteiligt ist, vor rund dreißig Jahren ins Leben gerufen hatte. Sein Team suchte dort gezielt nach Überresten menschlichen Vorfahren, wo in Afrika bis zu den 1980er Jahren noch nichts gefunden worden war.
Es gab bereits viele Fossilien aus Ostafrika, vor allem aus Kenia, Tansania und Äthiopien sowie aus Südafrika, aber der 3.000 Kilometer lange Korridor dazwischen hatte noch nichts preisgegeben. Schrenks Team begann in Malawi zu graben und 1991 gelang die Sensation: Es wurde ein Unterkiefer mit der wissenschaftlichen Bezeichnung UR 501 geborgen. Er glich anderen, wesentlich jüngeren Fundstücken vom Ufer Turkana-Sees (früher Rudolfsee) in Kenia und wurde deswegen von seiner Entdeckern entsprechend als Homo rudolfensis klassifiziert - und galt damit als ältester Vertreter der Gattung Homo überhaupt.
Allerdings war und ist umstritten, ob Homo rudolfensis tatsächlich eine eigenen Art oder nicht einfach eine frühe Variante des Homo habilis (geschickter Mensch) darstellt, oder sogar generell nicht zur Gattung Homo gehört, sondern ein Australopithecus (südlicher Affe) ist, einer der vor 1,5 Millionen Jahren ausgestorbenen, aufrecht gehenden Menschenaffen.
Auf jeden Fall war der Mensch vom Rudolfsee mit einem Gehirnvolumen von 600 bis 800 Kubikzentimetern ein Geistesriese seiner Zeit, viele Forscher glauben, dass er bereits einfache Steinwerkzeuge nutzte, um z. B. Schalen zu knacken oder Aas zu zerteilen. Die Debatte dauert an (vgl. Jede Menge Homos und Über das Vergehen der Arten).