Flotte Floskeln florieren

Seite 3: 3.) "Ex-DDR"

Keine "Wiedervereinigung" ohne "Ex-DDR", um zur dritten Floskel zu kommen.

Warum heißt es immer wieder, jemand sei "in der Ex-DDR geboren" oder habe "in der ehemaligen DDR gelebt"? Niemand sagt doch z.B., der Opa sei "im ehemaligen Zweiten Weltkrieg gefallen" oder die Mama bei "Ex-Woodstock dabei gewesen"!

Wenn historisch Abgeschlossenes vorliegt, mit Anfang und Ende, ergibt es auf den ersten Blick keinen Sinn, dieses Vergangene gleichsam doppelt vergangen erscheinen zu lassen, mit dem Attribut "Ex" oder eben "ehemalig".

Vielleicht ergibt es aber doch Sinn, wenn wir auf das herrschende Narrativ schauen: Man scheint sich vorsichtshalber zweifach distanzieren zu wollen von jenem zugrunde gegangenen Staat DDR. Falls es jemand noch nicht mitbekommen hätte, dass sie beendet ist, oder falls diese DDR, in welcher Hinsicht auch immer, doch nicht ganz tot zu sein scheint.

Dass dieser Sprachgebrauch auch mit andauernden Macht-Ungleichgewichten zwischen West und Ost zu tun, machte jüngst die mediale Behandlung des Todes von Grünen-Politiker Werner Schulz deutlich: Der wird als "Ex-DDR-Bürgerrechtler" beschrieben.

Das erscheint doppelt interessant: Warum wird nicht getextet "DDR-Bürgerrechtler"? Okay, diesen Aspekt hatten wir bereits. Aber andererseits – soll das heißen, er sei mittlerweile kein Bürgerrechtler mehr gewesen? Oder dass es heutzutage in Deutschland keine Bürgerrechtler mehr gebe bzw. es hierzulande gar keiner solchen bedürfe?

Vielleicht verhält es sich auch hier, wie Bertolt Brecht 1935 formulierte, in seinen Fragen eines lesenden Arbeiters:

So viele Berichte. So viele Fragen.

Angesichts so vieler Floskeln.