"Flüchtlingswelle" in den USA
Weil die Regierung mindestens 10.000 syrische Flüchtlinge bis Oktober aufzunehmen versprochen hat, gibt es nun einen "Surge" - und noch mehr Ablehnung
Vor wenigen Tagen sind die ersten Syrer in den USA angekommen. US-Präsident Obama hatte angesichts der Flüchtlingskrise in Europa und der dort aufkommenden Panik und der Kritik an den USA versprochen, dass auch sein Land syrische Flüchtlinge aufnehmen werde. Gleichzeitig wird immer wieder betont, dass die USA seit 2011 mit 5,1 Milliarden US-Dollar am meisten von allen anderen Ländern für die Flüchtlingshilfe gespendet hätten. Seit August 2014 haben die USA allerdings mit nach eigenen Angaben 6,5 Milliarden US-Dollar deutlich mehr für die militärische Intervention ausgegeben, die in Syrien noch nicht einmal völkerrechtlich legitim ist.
Das letztes Jahr von Obama verkündete Flüchtlingsprogramm, mit dem v.a. Frauen, Kinder, Kranke und Gefolterte umgesiedelt werden sollen, ist allerdings mit einer wenig großzügigen Obergrenze versehen, wie sie in Deutschland auch von Teilen der Regierung verlangt wird. Mindestens 10.000 syrische Flüchtlinge sollen in diesem Jahr aufgenommen werden, was aber schon zu Ängsten und Ablehnung auch im Kongress geführt hat. Dazu kündigte die Regierung, werde man insgesamt bis Ende 2017 100.000 Flüchtlinge aus der ganzen Welt aufnehmen, 40 Prozent mehr als üblich. Die Aufgenommenen erhalten allerdings eine permanente Aufenthaltsgenehmigung und können nach 5 Jahren die Staatsbürgerschaft beantragen.
Das Haushaltsjahr 2016 endet bereits am 30. September. Also müssten, um die Zusage einzuhalten, bis dahin mindestens 10.000 Syrer aufgenommen werden. Und weil es in der ersten Hälfte des Haushaltsjahres nur etwas mehr als 1.400 waren, ist nun Eile angesagt. Die US-Regierung hatte versprochen, dass die syrischen Flüchtlinge mit maximaler Gründlichkeit in mehrstufigen Kontrollen überprüft würden, um vor allem von rechter Seite geschürte Ängste zu dämpfen, dass sich unter die Flüchtlinge auch Terroristen mischen könnten. Normalerweise dauert die Überprüfung zwischen 18 und 24 Monaten.
Als bei den Pariser Anschlägen ein Flüchtlingsausweis bei einem der Selbstmordattentäter gefunden worden war, kam in den USA im Hinblick auf das Flüchtlingsprogramm gleich Panik auf. Verstärkt wurde die Sorge, da Tashfeen Malik, die mit ihrem Mann das Attentat in San Bernardino begangen hat, bei den Visa-Sicherheitsüberprüfungen durchgerutscht war. Republikanische Abgeordnete forderten die Beendigung des Programms, der FBI-Direktor soll Informationslücken beim Überprüfen bestätigt haben (US-Heimatschutzministerium warnt vor gefälschten syrischen Pässen). 29 Gouverneure wie Robert Bentley von Alabama erklärten, keine syrischen Flüchtlinge aufnehmen zu wollen, um ihre Bürger vor Terroristen zu schützen. Und das Repräsentantenhaus stimmte panikartig mit großer Mehrheit, auch fast 50 demokratische Abgeordnete waren dabei, einem Gesetz zu, dass eine Aufnahme praktisch unmöglich machen würde. Danach müssten der FBI-Direktor, der Heimatschutzminister und der oberste Geheimdienstdirektor in jedem einzelnen Fall bestätigen, dass von einem syrischen Antragsteller keine Gefahr ausgeht. Im Senat wurde das Gesetz noch nicht behandelt. Präsident Obama hat schon ein Veto angekündigt.
Weil die Zeit nun eng wird, hat die US-Regierung nun beschlossen, für die "surge operation" die Sicherheitsüberprüfungen für Syrer, die aus Lagern in den Nachbarstaaten Syriens, überwiegend aus Jordanien, aufgenommen werden, auf 3 Monate zu verkürzen. Am vergangenen Mittwoch kam die erste sechsköpfige Familie in Kansas City an, die bislang in einem jordanischen Lager gelebt hatte. In Amman war ein temporäres Umsiedlungszentrum im Februar eröffnet worden, in dem angeblich 600 Menschen täglich befragt werden. Am 28. April soll es schon wieder geschlossen werden.
Nach Gina Kassem, die an der US-Botschaft für Flüchtlingsfragen zuständig ist, werden die meisten Syrer aus Jordanien kommen. 10.000 würden mindestens aufgenommen, bekräftigte sie, es könnten auch mehr werden. Die UN-Flüchtlingsbehörde würde vorschlagen, wer am gefährdetsten ist, beispielsweise unbegleitete Minderjährige oder Opfer von Folter oder sexueller Gewalt. Die USA würden nicht nach Ausbildung oder anderen Faktoren selektieren.
Allerdings sind manchen schon 10.000 Syrer zu viel. In rechten Medien wird von einer "Flut" von syrischen "Flüchtlingen" (in Anführungszeichen, um hervorzuheben, dass sie gefährlich sein könnten) gesprochen. Bis zum 30. September würden, wenn nur das Minimum der Zusage eingelöst wird, durchschnittlich 358 Flüchtlinge in die USA kommen müssen. Ob das eine Flut ist? Kritisiert wird die beschleunigte Überprüfung und auch, dass es praktisch nur Sunniten und kaum Christen seien. Bislang tröpfelte es eher, wenn man im Bild bleiben will. So seien in den letzten 10 Tagen 16 Syrer nach Missouri, 14 nach Ohio, 12 nach Arizona, 11 nach Illinois oder 7 nach Michigan gekommen, dessen Gouverneur eigentlich keine aufnehmen wollte. Zitiert wird die frühere Abgeordnete Michelle Bachmann, die dem Tea-Party-Lager bei den Republikanern angehört: "Wir wissen, dass ISIS richtige syrische Pässe und die richtigen Maschinen besitzt, um syrische Pässe herzustellen. Die Terroristen haben die Mittel zur Verfügung, um anderen Terroristen legitime Pässe herzustellen. Das sollte als Information ausreichen, um jede Einwanderung in die USA aus Ländern, in denen es islamischen Terror gibt, zu stoppen."
Betrachtet man die Zahlen des UN-Flüchtlingswerks über die eingegangen Gelder für die Betreuung und Hilfe von syrischen Flüchtlingen in den Nachbarländern, ist nicht nur das US-Programm eine Farce, sondern scheint sich auch an der mangelnden Bereitschaft nichts geändert zu haben, die Flüchtlinge in der Region wirklich zu unterstützen. Der Geiz dürfte dazu führen, dass sich noch mehr Flüchtlinge auf den Weg nach Europa machen werden. Das steckt das Geld lieber in Militär, Polizei und Grenzbefestigungen - und in die Türkei, wo die Regierung mit dem Krieg gegen die Kurden im Land erneut, aber unkritisiert, für neue Flüchtlingswellen sorgt.
In Jordanien halten sich 635.000 vom UNHCR registrierte Flüchtlinge auf, insgesamt leben in Jordanien 1,2 Millionen. Für 2016 sind von den veranschlagten 1,1 Milliarden US-Dollar zur Versorgung erst 7 Prozent bezahlt worden. Im Libanon leben mehr als 1 Millionen registrierte Flüchtlinge. UNHCR berichtet, dass die für die Betreuung in diesem Jahr veranschlagten Gelder von 1,7 Milliarden US-Dollar gerade einmal zu 5 Prozent eingegangen sind. In der Türkei, wo mehr als 2,7 Millionen registrierte syrische Flüchtlinge leben, sieht es nicht viel besser aus. Von den vom UN-Flüchtlingswerk veranschlagten 800 Millionen sind bislang 11 Prozent gespendet worden.