Flutschäden: Das nächste Jahrhunderthochwasser kommt bestimmt – was tun?
Extremwetterlagen nehmen durch den Klimawandel zu. Auch die Unionsparteien erkennen das an – vor allem mit Blick auf Versicherungsfragen.
Schon wieder ein "Jahrhunderthochwasser" – Wetter oder Klima? Darüber wird bei jedem Ereignis dieser Art aufs Neue gestritten. Klimawissenschaftler wollen den Anteil des Klimawandels zwar nicht bei jeder einzelnen Flutkatastrophe beziffern, sprechen aber von einem eindeutigen Trend: Die Häufigkeit wird demnach weiter zunehmen.
In der Rückschau fiel die Bezeichnung "Jahrhunderthochwasser" im ersten Quartal dieses Jahrhunderts schon öfter.
Hochwasserkatastrophen seit 2000 in Deutschland
Im August 2002 kam es zu einer Hochwasserkatastrophe in großen Teilen Deutschlands sowie Tschechien und Österreich. Neben der Elbe trat in Deutschland die Donau über die Ufer, Bayern war ebenso betroffen wie Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg.
Im Juni 2013 war von einem "Jahrhunderthochwasser" in Mitteleuropa die Rede - das aktuell wieder in Teilen überschwemmte Bayern gehörte damals erneut zu den stark betroffenen deutschen Bundesländern.
Im Juli 2021 kam es im Ahrtal zur Hochwasserkatastrophe, die bisher in diesem Jahrhundert in Deutschland die meisten Menschenleben forderte: 135 Personen fielen den Fluten zum Opfer.
Im Dezember 2023 waren erneut in mehreren deutschen Bundesländern Gebiete überschwemmt. Vor allem in Niedersachsens, aber auch in Sachsen-Anhalt, Thüringen und Nordrhein-Westfalen richteten die Wassermengen schwere Sachschäden an. Mehrere Ortschaften mussten evakuiert werden; das "Weihnachtshochwasser" hielt stellenweise bis Januar 2024 an.
Im Juni 2024 wird auch die aktuelle Hochwasserlage in Süddeutschland als Jahrhunderthochwasser bezeichnet.
Starkregen: Heißere Luft nimmt mehr Feuchtigkeit auf
Der Klimawandel wird immer öfter zu solchen Ereignissen führen, sagt nicht nur der Klimatologe Stefan Rahmstorf. Denn: Pro Grad Celsius mehr kann Luft sieben Prozent mehr Feuchtigkeit in Form von Wasserdampf aufnehmen. Deshalb hätten Klimawissenschaftler die nun durch Messdaten der letzten Jahrzehnte belegte Entwicklung schon vor 30 Jahren vorhergesagt.
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Aktuell beträgt die Erderwärmung knapp 1,5 Grad. Ein Grundproblem: Zunehmende Wetterextreme wie Dürren und Starkregen gleichen sich nicht einfach aus.
Risikofaktoren: Bodentrockenheit und Flächenversiegelung
Trockene Böden mögen zwar besonders viel Wasser brauchen, nehmen es aber nur schwer auf. Das Umweltbundesamt hat im Mai 2020 eine Studie dazu veröffentlicht, wie sich das Aufnahmevermögen landwirtschaftlicher Böden verändert und welche Formen der Bodenbewirtschaftung es fördern könnten.
Trifft Starkregen auf ausgetrockneten Boden, fließt das Wasser häufig an der Oberfläche ab. Die trockene und verkrustete Bodenoberfläche kann das Regenwasser nicht aufnehmen. Das nennt man Hydrophobie. Das Wasser versickert dann nur in den Rissen und Wurzelbahnen.
Richard Beisecker, Umweltbundesamt (Quelle: MDR)
Flächenversiegelung spiele bei Flutkatastrophen durch Starkregen eher eine kleine Rolle, erklärte der Umweltwissenschaftler Dr. Reinhard Schinke vom Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung in Dresden nach dem Jahrhunderthochwasser im Ahrtal. Eine größere Rolle spielt die Versiegelung demnach aber bei längeren, weniger intensiven Niederschlägen.
Bei extremen Regenmengen in kurzer Zeit nehme der Stellenwert der Flächenversiegelung eher ab, weil auch offenporige Böden ab einem bestimmten Punkt kein Wasser mehr aufnehmen könnten.
Technischer Hochwasserschutz vs. Klimaschutz
Im Zusammenhang mit der Zunahme von Extremwetterlagen ist oft von Versäumnissen beim Klimaschutz die Rede. Betont wird die Notwendigkeit, hier schnell umzusteuern. Allerdings sind auch hohe Investitionen in Anpassungsmaßnahmen nicht mehr zu vermeiden, wenn sich die Schäden in Grenzen halten sollen.
Denn: CO2-Einsparungen sind zwar laut Weltklimarat entscheidend, um das Problem in Zukunft nicht zu verschärfen – sie werden ihre Wirkung aber erst nach rund zehn Jahren entfalten, weil dann erst die Emissionen von heute in der Atmosphäre ankommen. Auch verbleiben sie dort für mehrere Jahrzehnte. Bis sie vollständig abgebaut sind, dauert es Jahrhunderte.
Neben der Entsiegelung von Flächen und nachhaltiger Bodenbewirtschaftung gewinnt deshalb der technische Hochwasserschutz an Bedeutung: Dämme und Talsperren, Hochwasserentlastungen sowie Rückhaltebecken.
Auch Klimawissenschaftler wie Rahmstorf betonen die Wichtigkeit solcher Anpassungsmaßnahmen – aber auch, dass sie mit Blick auf spätere Jahre und Jahrzehnte kein Ersatz für effektiven Klimaschutz in Form von Emissionsminderung seien: "An drei Grad Erhitzung werden wir uns kaum anpassen können. Denn drei Grad würden nicht doppelt so schlimm, sondern viel schlimmer", so Rahmstorf im Gespräch mit dem Spiegel.
Eigenheim im Hochwasser-Risikogebiet: Was tun?
Der Grund sei die Überschreitung kritischer Grenzen – etwa beim Anstieg des Meeresspiegels. In Florida ist dies der Grund, warum einst begehrte Strandhäuser rapide an Wert verlieren.
In vielen Teilen Deutschlands machen spätestens seit der Flutkatastrophe im Ahrtal auch verstärkt Hauseigentümer fernab der Küste Sorgen. Wer einen Hauskauf erwägt, sollte daher vorab einen Blick auf die Hochwasserrisikokarte des Gebiets oder der Gemeinde werfen.
Wer bereits ein Haus besitzt, das in einem Risikogebiet liegt, muss davon ausgehen, dass der Verkaufswert deutlich unter dem einer vergleichbaren Immobilie in anderen Gebieten liegt, kann jedoch über Versicherungstarife, Umbaumaßnahmen und den Aufbewahrungsort wertvoller Gegenstände nachdenken. Letzteres gilt auch in Mietwohnungen, insbesondere unterkellerten.
Debatte um Pflichtversicherung gegen Hochwasserschäden
Wichtig für Eigenheimbesitzer: Eine einfache Hausratsversicherung deckt Gebäudeschäden durch Überschwemmungen nicht ab, die einfache Wohngebäudeversicherung ebenfalls nicht. Das Ratgeberportal Das Haus empfiehlt daher in Risikogebieten eine Elementarschadenversicherung, die dann greift, wenn "bestimmte Naturgewalten Schäden am Haus oder Hausrat verursacht haben". Gemeint sind in diesem Fall auch Wasserschäden durch Starkregenereignisse und Überschwemmungen.
Der Bundesrat hat sich dafür ausgesprochen, dies als Pflichtversicherung einzuführen, der Ampel-Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) zunächst dagegen. SPD und Grüne zeigten sich dafür offen. In einem entsprechenden Antrag hatte die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag im Oktober 2023 explizit mit den Folgen des Klimawandels argumentiert.
Unionsparteien: Schadensfälle nehmen durch Klimawandel zu
Die Auswirkungen des Klimawandels sind inzwischen auch in Deutschland spürbar. Die Groß- und Kleinschadenereignisse, die sich auf Klima- und Wetterveränderungen zurückführen lassen, nehmen stetig zu.
Dabei stellen insbesondere die zunehmende Zahl an Starkregenereignisse ein großes Problem dar, da Gemeinden und Städte baulich oftmals nicht auf die Aufnahme und Ableitung großer, plötzlich auftretender Wassermassen ausgerichtet und vorbereitet sind.
Die bei Elementarschadenereignissen auftretenden Schäden sind für die Eigentümerinnen und Eigentümer zunehmend von existenzieller Bedeutung und können schnell in die Hunderttausende Euro gehen.
Aus dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion, 10. Oktober 2023
Buschmann setzt bei Versicherung auf Freiwilligkeit
Immer wieder gebe es Fälle, in denen die finanziellen Reserven der Betroffenen nicht ausreichend seien, um einen Wiederaufbau oder eine Reparatur des Gebäudes zu stemmen, so die Unionsparteien.
Buschmann will dagegen durch Beratungs- und Aufklärungskampagnen "die Versicherungsdichte auf freiwilliger Basis erhöhen", wie eine Ministeriumssprecherin Anfang des Jahres der Legal Tribune Online sagte.
Nach der Flutkatastrophe im Ahrtal hatte der Bund 15 Milliarden an Hilfsgeldern für den Wiederaufbau bereitgestellt. Diese Gelder kamen jedoch bei den Betroffenen in Rheinland-Pfalz wegen bürokratischer Hürden nur schleppend an.