Folgekosten des Klimawandels: Mit Kohle, Öl und Gas verbrannte Milliarden

Neben Landwirtschaft, Privathaushalten, Industrie und Gewerbe auch die Verkehrsinfrastruktur betroffen, wie diese Eifelstrecke von der Flut 2021. Foto: Superbass / CC-BY-SA-4.0

Die Mär vom teuren Klimaschutz und die Altlasten des fossilen Zeitalters.

Während das Bundesumweltministerium heute den mit Abstand größten Posten seines Etats für die Zwischen- und Endlagerung radioaktiver Abfälle ausgeben muss, verursachen auch Extremwetterlagen, wie sie durch den menschengemachten Klimawandel häufiger werden, immer mehr Kosten.

Fällig werden sie vor allem in der Forst- und Landwirtschaft sowie bei Privatpersonen, die beispielsweise durch die Flutkatastrophe im Ahrtal im Sommer 2021 ihren gesamten Hausstand verloren haben. Anfang Juli dieses Jahres war in diesem Zusammenhang noch jeder vierte Versicherungsfall offen. Betroffen sind zudem das Bauwesen, die Verkehrsinfrastruktur sowie Industrie und Gewerbe.

Im Schnitt 6,6 Milliarden pro Jahr seit 2000, deutlich mehr seit 2018

Seit dem Jahr 2000 entstanden durch Hitze, Dürre und Starkregen im Durchschnitt jedes Jahr bezifferbare Schäden in Höhe von mindestens 6,6 Milliarden Euro, wie das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz sowie das Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz an diesem Montag mitteilten.

Letzteres hatte eine entsprechende Untersuchung in Auftrag gegeben. Betrachtet man aber nur die Jahre ab 2018, ergibt sich daraus im Durchschnitt sogar eine zweistellige Milliardensumme an wirtschaftlich berechenbaren Schäden pro Jahr:

In dieser Reihe stechen die außergewöhnlich heißen und trockenen Sommer 2018 und 2019 sowie die verheerenden Sturzfluten und Überschwemmungen im Juli 2021, insbesondere an Ahr und Erft, heraus: Alle drei Ereignisse haben insgesamt rund 80,5 Milliarden Euro Schadenskosten verursacht. Schätzungsweise 35 Milliarden Euro Schäden entstanden durch Hitze und Dürre in den Jahren 2018 und 2019.

Die Folgekosten der Sturzfluten und Überschwemmungen im Juli 2021 summieren sich auf mehr als 40 Milliarden Euro. Weitere Schäden in Höhe von rund fünf Milliarden Euro wurden durch vereinzelte Sturm- und Hagelereignisse verursacht.


Aus der gemeinsamen Pressemitteilung der Bundesministerien für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz sowie für Wirtschaft und Klimaschutz

Nicht alle Schäden sind schon bezifferbar

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) räumt jedoch ein, dass noch gar nicht alle Schäden bezifferbar sind. Hierzu soll weiter geforscht werden, denn: "Entscheider in Bund, Ländern und Kommunen müssen wissen, wer am meisten unter den Folgen der Klimakrise leidet und was Schäden und Vorsorgemaßnahmen wirklich kosten", erklärte Lemke an diesem Montag.

Präventionsmaßnahmen und deren Finanzierung

Durch das "Sofortprogramm Klimaanpassung" und das "Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz" verbessere die Bundesregierung die Vorsorge gegen Klimarisiken – beides könne aber nur ein Anfang sein, gab Lemke zu.

Ihr Ministerium verfügte im vergangenen Jahr über einen Gesamtetat in Höhe von 2,657 Milliarden Euro – also weniger als die Hälfte dessen, was durch den Klimawandel begünstigte Unwetterkatastrophen seit 2000 im Jahresdurchschnitt an Kosten verursachen.

Mehr als ein Drittel seines Etats – nämlich 1,03 Milliarden Euro – musste das Bundesumweltministerium 2021 allein für die Zwischen- und Endlagerung strahlender Altlasten ausgeben, 68,80 Millionen zusätzlich für Reaktorsicherheit und Strahlenschutz. Der Klimaschutz stand mit 670,21 Millionen an zweiter Stelle, Umweltschutz belegte mit 258,33 Millionen den dritten Platz.

Für Förderprogramme in Sachen Klimaschutz und Energiewende gibt es allerdings noch den Energie- und Klimafonds der Bundesregierung. Für diesen wurden zwar im vergangenen Jahr Rekordeinnahmen erzielt – aus dem Verkauf von CO2-Zertifikaten 5,3 Milliarden Euro und weitere 7,2 Milliarden Euro durch die neue nationale Abgabe (nEHS) auf Sprit, Heizöl und Gas. Die Gesamteinnahmen in Höhe von 12,5 Milliarden Euro blieben aber weit unter den 2021 angefallenen Folgekosten von Sturzfluten und Überschwemmungen.

Im Rahmen des besagten Sofortprogramms Klimaanpassung sollen Kommunen mit insgesamt 60 Millionen Euro unterstützt werden, um sich für Klimawandel besser zu wappnen. Für das Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz will die Bundesregierung insgesamt vier Milliarden Euro aus dem Energie- und Klimafonds zur Verfügung stellen – eine Milliarde pro Jahr bis 2026.

Natürlicher Klimaschutz meint zum Beispiel den Schutz intakter Moore und die Wiedervernässung trockengelegter Moorgebiete. Im Kabinett wurde dieses von Lemke Ende März vorgestellte Programm allerdings noch nicht beschlossen – dies ist für das erste Quartal 2023 geplant. Die Unionsparteien meldeten bereits Zweifel an, ob die Landwirtschaft damit klarkäme, renaturierte Flächen nicht mehr nutzen zu können, wenn zugleich auf den verbleibenden Flächen der Pestizideinsatz verringert werden soll.

Handlungsbedarf, Praxis und Risiken

Im vergangenen Jahr hieß es in einem Bericht des UN-Umweltprogramms Unep, die Klimaschutz-Bemühungen müssten weltweit versiebenfacht werden, um den Temperaturanstieg noch auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Der Metereologe Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst hatte im vergangenen Jahr anlässlich der Flutkatastrophe gegenüber Telepolis erklärt, was die Klimaveränderung für das Katastrophenrisiko bedeutet: "Die Einschläge werden häufiger." Das zeige die Datenlage.

Es könne zum einen auf die schon vorhandene Klimaerwärmung zurückgeführt werden. Außerdem habe sich in den letzten Jahren der Jetstream abgeschwächt. Das Starkwindband in etwa zehn Kilometer Höhe transportiere dadurch auch Tiefdruckgebiete langsamer. Daher würden größere Regenmengen über einem Gebiet abgeladen, während in anderen Gebieten Wassermangel herrsche.

Die Abschwächung des Jetstreams wiederum führen Klimaforscher auf die schnellere Erwärmung in der Arktis zurück, weil das Starkwindband von den Temperaturunterschieden zwischen Tropen und Arktis angetrieben wird.

"Wenn wir auf das 1,5 Grad Ziel kommen wollen, müssen wir die nächsten Jahre die Treibhausgasemissionen dramatisch senken, und selbst dann werden wir mit 50 Prozent Wahrscheinlichkeit zwischenzeitlich leicht darüber sein", sagte Anfang Juli dieses Jahres Prof. Elmar Kriegler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung in einem Interview mit der Zeitschrift National Geographic.

Selbst wenn die nationalen Klimaschutzpläne eingehalten würden, reiche das "lediglich auf eine Stabilisierung der Emissionen über die nächsten zehn Jahre", aber nicht, um die 1,5 Grad einzuhalten, so Kriegler.

Aktuell würden wegen der "schwierigen geopolitischen Situation" manche Länder "kurzfristig nochmal auf Kohle" zurückgreifen. Darunter auch Deutschland. "Aus Mangel an Gas behalten sie die Kohleinfrastruktur bei oder bauen sie sogar aus. Es wird schwer, die dann wieder loszuwerden."

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.