Folgen von "Nur ja heißt ja": Sexualstraftäter werden in Spanien früher entlassen

Bild: Ulrike Mai auf Pixabay

Gut gemeint, ist nicht gut gemacht: Ein Gesetz in Spanien sollte Frauen besser vor sexuellen Übergriffen schützen. Doch nun werden Täter begünstigt. Ministerin will Fehler nicht einräumen.

Die spanische Regierung hatte ein Gesetz mit der Absicht entworfen, dass es sexuellen Übergriffen Einhalt gebieten sollte. Im Mai verabschiedete das Parlament das "Nur ja heißt Ja"-Gesetz, das auch in linken Zeitungen Deutschlands als "wegweisende Gesetzesreform" bezeichnet wurde.

Doch inzwischen zeigt sich: Das Gesetz enthält gravierende Mängel. Mindest- und Höchststrafen wurden neu festgelegt, was nun dazu führt, dass verurteilte Sexualstraftäter vorzeitig aus der Haft entlassen werden.

Ein Gericht in Palma de Mallorca ordnete etwa die "sofortige Freilassung" von zwei Straftätern an. Sie waren wegen sexuellem Missbrauch verurteilt worden. In Madrid wurde ein Mann entlassen, der mehrere Minderjährige missbraucht hatte.

Warum das Gesetz reformiert werden musste

Vor der Gesetzesreform galt Gewalt als eine Voraussetzung, um den Tatbestand der Vergewaltigung zu erfüllen. Das führte oft zu geringeren Strafen, da die Gewaltanwendung oft schwer zu beweisen war oder sich das Opfer nicht traute, Widerstand zu leisten.

Der Reform vorausgegangen waren einige Fälle von Vergewaltigung, die in der Gesellschaft für große Empörung sorgten.

Eine Gruppenvergewaltigung im Jahr 2016 etwa. Zahllose Menschen – vorwiegend Frauen – gingen damals auf die Straße, weil Richter im Fall der "Manada" (Meute) keine Vergewaltigung sehen wollten – obwohl die Täter ihre Tat sogar mit ihren Handys gefilmt hatten. Ein Richter meinte damals sogar, die junge Frau habe es genossen und wollte die Wiederholungstäter nicht einmal wegen sexuellem Missbrauch verurteilen.

Später sorgte ein weiterer Fall für Empörung, als eine 14-Jährigen in Katalonien im bewusstlosen Zustand von mehreren Männern vergewaltigt wurde. Auch sie wurden nicht wegen Vergewaltigung verurteilt, sondern wegen sexuellem Missbrauch, da sie bei dem bewusstlosen Mädchen keine Gewalt anwenden mussten.

Gewalt als Voraussetzung einer Vergewaltigung zu streichen, stand damit auf der Tagesordnung. Eine sexuelle Handlung ohne die Einwilligung einer beteiligten Person sollte fortan als Vergewaltigung gelten.

Irene Montero, Ministerin für Gleichstellung, stand federführend hinter der Reform. Und sie dürfte nicht erwartet haben, dass die Reform Straftäter frühzeitig wieder in die Freiheit bringen würde. Durch die neuen Strafmaße könnten hunderte Sexualstraftäter rückwirkend eine Strafminderung nach dem Günstigkeitsprinzip erreichen. Aber auch den Koalitionspartnern sind keine Zweifel gekommen.

Ministerin will handwerkliche Fehler nicht eingestehen

Inzwischen ist die von den Sozialdemokraten geführte Regierung bereit, das Gesetz erneut zu überarbeiten. Ausschlaggebend dürften dafür die Vielzahl von Fällen und die Empörung im Land sein. Unklar ist, ob die Überarbeitung des Gesetzes noch vor dem Ende der Legislaturperiode in einem Jahr geschehen kann.

Ein Fall hatte die Kontroverse über das Gesetz kürzlich wieder angeheizt. Ein Mann war zu acht Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden, weil er seine 13-jährige Stieftochter zum Oralverkehr gezwungen hatte. Anfang Oktober hatte er beantragt, dass sein Urteil überprüft werde. Nach der Reform galt seine Tat nämlich nicht mehr als "sexueller Missbrauch mit Penetration", sondern als "Körperverletzung mit Penetration" – und das Strafmaß lag um zwei Jahre niedriger. Anfang November wurde sein Strafmaß herabgesetzt.

Klar ist, Montero ist schwer angeschlagen ist. Aber sie möchte ihre handwerklichen Fehler nicht eingestehen. Stattdessen warf sie den Richtern "Machismo" vor. Die Richter, welche die Strafen senkten, "brechen das Gesetz", meinte sie. Der Machismo könne "die Unparteilichkeit und Integrität der Justiz" beeinträchtigen und könne dazu führen, "dass die Richter das Gesetz falsch oder mangelhaft anwenden".

Der Podemos-Abgeordnete Javier Sánchez Serna twitterte, dass es "Faschisten in Roben" seien, die die "jede feministische Gesetzgebung zerschlagen" wollten. Es seien dieselben, "die sich über die Vergewaltigung der Meute erfreuten oder die Unternehmer zu Sexual-Erziehungskursen verurteilen, die der Vergewaltigung von Tagelöhnerinnen verurteilt werden". Telepolis hatte darüber berichtet. Aber das ändert nichts an den gravierenden Fehlern des Gesetzes.

Das Gesetz ist eben alles andere als wasserdicht ausgearbeitet. Es ist bekannt, dass die spanische Justiz politisiert ist, sie sich fest in der Hand der Rechten befindet, die die Kontrolle über die Justiz nicht aufgeben will. Sogar die EU-Kommission ist längst besorgt über die Zustände in der Justiz. So ist etwa der Kontrollrat nun seit vier Jahren nur geschäftsführend im Amt, was es nach der Verfassung nicht geben darf.

Doch er ernennt munter neue Richter und perpetuiert die Kontrolle der rechten Machos in der Justiz. Weil das so ist, hätte das Gesetz sehr genau sein müssen, um den Interpretationsspielraum gering zu halten. Die Lücken sind so groß wie Scheunentore. Die können genutzt werden. Aber das Günstigkeitsprinzip muss angewendet werden, ob das Montero gefällt oder nicht.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.