Fragiler Frieden in Berg-Karabach

Kontrollposten der russischen Friedenstruppen in Berg-Karabach. Bild: Ulrich Heyden

Nach sechs Wochen Krieg um Berg-Karabach kehrt wieder Leben in die von Armeniern bewohnte, international nicht anerkannte Republik ein

Stepanakert, die Hauptstadt von Berg-Karabach, wurde Ende September, gleich zu Beginn der Angriffe der aserbaidschanischen Armee, massiv bombardiert. Bomben und Raketen trafen die Verwaltung des Elektrizitätswerkes und den Generalstab der Karabach-Armee, aber auch mehrgeschossige Wohnhäuser und Läden. Viele dieser Objekte liegen noch in Trümmern oder sind jetzt ausgebrannte und vom Ruß geschwärzte Ruinen. Und seit dem Waffenstillstandsabkommen vom 10. November gab es schon zwei bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen armenischen und aserbaidschanischen Soldaten.

Viele Trümmer wurden schon weggeräumt und Fenster neu verglast. Stepanakert lebt wieder. Auf den Straßen sieht man viele Autos und Menschen unterschiedlichen Alters. Ganz so viele wie vor dem Krieg sind es noch nicht. Aber nach Angaben der russischen Friedenstruppe sind von 54.000 Einwohnern bereits 42.000 wieder zurückgekehrt.

Russische Militärfahrzeugen fahren mit großen, russischen Trikoloren durch die Stadt. Dass soll den Menschen wohl das Gefühl von Sicherheit geben.

Keine Hilfe von westlichen Staaten

Die durch den Krieg in Berg-Karabach, genannt auch Arzach, entstandenen Schäden sind gewaltig. In 170 Orten gäbe es Beschädigungen, erklärte der Menschenrechtsbeauftragte von Arzach, Artak Beglarjan, bei einem Treffen in seinem Büro in Stepanakert. 50 Zivilisten seien getötet und 163 verletzt worden. Tausende von Kindern seien ohne Dach über dem Kopf. 71 Schulen und 14 Kindergärten seien beschädigt. 23.000 Kinder könnten deshalb nicht zur Schule gehen.

Die aserbaidschanische Armee habe verbotene Phosphor- und Kassettenbomben auch gegen zivile Objekte und Wälder eingesetzt. Man befürchte vergiftete Böden und Trinkwasser.

"Nachdem das Ausland nichts unternommen hat, um die Kriegsvorbereitungen von Aserbaidschan zu stoppen und geschwiegen hat, als Terroristen aus Syrien in das Kampfgebiet um Karabach gebracht wurden, erwarten wir keinerlei Hilfe vom Ausland", sagte der Menschenrechtsbeauftragte.

Wenn man wegen Hilfe nachfrage, so Beglarjan, bekomme man von ausländischen Staaten die Antwort, Karabach sei "kein anerkannter Staat". Nur Russland helfe bei der Minenräumung und der Schaffung von provisorischem Wohnraum für Ausgebombte. Hilfe komme auch von Stiftungen in Armenien und von der britischen Organisation Helo Trust, die sich ebenfalls mit Minenräumung beschäftigt.

Am Ende unseres Treffens zeigt der Menschenrechtsbeauftragte von Karabach Videos von aserbaidschanischen Soldaten, die Zivilisten die Köpfe abschneiden.

Karabach-Soldat Garik. Bild: Ulrich Heyden, Stepanakert

Videos und Fotos über schwerste Misshandlungen bekomme ich später auch von dem armenischen Zeitsoldaten Garik zu sehen. Den 27 Jahre alten Garik, lernten wir in einem Cafe kennen. Auf den Fotos und Videos, die er zeigte, sieht man wie getötete armenische Frauen in Militäruniform halbnackt am Boden liegen und von aserbaidschanischen Soldaten mit Waffen traktiert werden. Die Fotos und Videos waren nach Aussage von Garik Beute von Handys aserbaidschanischer Soldaten.

Trotz Waffenstillstand - militärische Zwischenfälle

Dass der Frieden in Berg-Karabach fragil ist, zeigte sich am 27. und 11. Dezember. An beiden Tagen kam es zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen armenischen und aserbaidschanischen Soldaten.

Das Verteidigungsministerium von Aserbaidschan meldete, dass am 27. Dezember um 15:30 eine "ungesetzliche Gruppe von sechs Armeniern" beim Dorf Agdam im Khojavend-Bezirk aserbaidschanische Soldaten angegriffen habe. Ein aserbaidschanischer Soldat sei getötet, ein zweiter verwundet worden. Die sechs Angreifer seien "vernichtet" worden.

Die Verteidigungsministerien von Armenien und Karabach wiesen den Vorwurf zurück. "Die Armee von Arzach hält sich streng an das Waffenstillstandsabkommen", heißt es in einer Erklärung des Verteidigungsministeriums von Karabach.

Krise zwischen Armenien und Aserbaidschan um Berg-Karabach (10 Bilder)

Kontrollposten der russischen Friedenstruppen in Berg-Karabach: Bild: Ulrich Heyden

Es ist nicht ausgeschlossen, dass armenische Männer auf eigene Faust einen Angriff auf eine aserbaidschanische Stellung ausführten.

Bereits am 11. Dezember war es in im Gadruzki-Bezirk - südöstlich von Stepanakert zu einem schweren Zwischenfall gekommen, bei dem nicht klar ist, wer den Zwischenfall auslöste.

Nach Angaben des armenischen Verteidigungsministeriums beschoss aserbaidschanische Artillerie Stellungen von armenischen Soldaten und Freiwilligen in den Dörfern Chin Tacher und Chzaberd, die zu Berg-Karabach gehören. Die Bevölkerung wurde evakuiert. Es gab sechs verletzte armenische Soldaten.

Baku sprach von einer "Provokation" der armenischen Seite. Das russische Verteidigungsministerium meldete, man haben "den Versuch das Waffenstillstandsabkommen zu brechen, beendet" . Die Schuldigen für den Bruch des Waffenstillstandsabkommens nannte die russische Seite nicht.