Frankreich: Protest gegen Rassismus und Ungerechtigkeit
Seite 3: Corona: Verbot von Demonstrationen?
Demonstrationen bleiben jedoch derzeit im Land verboten.
Es ist auch gar zu bequem für die französische Regierung: Während seit dem 2. Juni die Restaurants, Bars und Gaststätten im Land wieder servieren dürfen - allerdings nur im Freien -, die Parks wieder öffnen und sich Mengen am Seine-Ufer oder an den Kanälen drängen, bleiben Versammlungen unter freiem Himmel und Kundgebungen "mit mehr als zehn Personen" (also ab elf) verboten.
Wie am vergangenen Mittwoch bekannt wurde, plant die Regierung dieses Verbot oder jedenfalls die Möglichkeit zu Verboten auch noch mindestens weitere fünf Monate ab jetzt aufrechtzuerhalten, selbst wenn sie ebenfalls vorhat, ab dem 10. Juli dieses Jahres den seit dem 23.03.2020 geltenden "sanitären Notstand" wieder aufzuheben.
Die Grundlage dafür liefert Artikel 7 des Regierungsdekrets Nummer 2020-548 vom 11.05.2020, verabschiedet auf Grundlage des "Gesetzes zum sanitären Ausnahmezustand" - neue Version, infolge der Aufhebung der individuellen Ausgangsbeschränkungen - vom selben Datum (Gesetz n° 2020-546).
Ausnahmsweise kann die Präfektur, d.h. die juristische Vertretung des Zentralstaats im Département, jedoch Versammlungen genehmigen, sofern diese "zur Fortführung des Lebens der Nation unabdingbar" erscheinen. Man darf darauf vertrauen, dass die Präfekturen bei Protestveranstaltungen welcher Natur auch immer - nun ja - nicht zwingend der Auffassung sind, dieses Kriterium sei erfüllt.
Selbst die konservative Opposition, in Gestalt des Fraktionsvorsitzenden der stärksten Oppositionspartei in der Nationalversammlung (LR, Les Républicains, bürgerliche Rechte) - Damien Abad - in einem Interview mit der Tageszeitung Le Parisien vom 29. Mai, kritisierte inzwischen die Fortdauer dieses Versammlungsverbots und forderte dessen Aufhebung. (So lange die LR in der Opposition hocken, zeigen sie manchmal kritische Anwandlungen…) Auch etwa vom linken Gewerkschaftszusammenschluss Union syndicale Solidaires gibt es natürlich Kritik.
Nun war jedoch seit mehreren Wochen eine Protestdemonstration in Paris für den Samstag, den 30. Mai unter dem Titel La marche des solidarités angekündigt. Üblicherweise gibt es alljährlich ein Mobilisierungsdatum unter diesem Titel am dritten Märzwochenende, es geht dabei i.d.R. um Antirassismus und Polizeigewalt.
Aufgrund der Unmöglichkeit, Mitte März dieses Jahres im Lockdown zu demonstrieren, wurde der Termin dann für die Zeit nach dem déconfinement (der Aufhebung individueller Ausgangsbeschränkungen) neu anberaumt. Thematisch wurde der Aufruf ferner auf die sanitären Risiken - im Aufruf wurde es die "sanitäre Bombe" benannt - im Zusammenhang mit der Covid-19-Epidemie zugeschnitten, so ging es um Ansteckungsrisiken für Menschen, die sich mehr oder weniger auf engen Raum gedrängt in Abschiebehaftzentren, in Migrantenwohnheimen oder in informellen Unterbringungen befinden.
Letzterer Ausdruck bezieht sich insbesondere auf die 300 Menschen (überwiegend Westafrikaner) in der Pariser Vorstadt Montreuil, die infolge der Gewalteskalation in Libyen nach 2011 von dort nach Frankreich kamen, lange Zeit bis zu dessen Abriss in einem Wohnheim lebten und seitdem jahrelang in einem informellen Wohngebäude ausharren müssen.
Das sanitäre Risiko im Zusammenhang mit der Ansteckungsgefahr ist hoch, doch zahlreiche Appelle auch von Bürgerinitiativen und NGOs für eine Unterbringung dieser Menschen fruchteten nichts.
Die Pariser Polizeipräfektur hätte die für den 30. Mai 20 geplante Demonstration zulassen können, da die Organisatoren ihr genaue Angebote für eine den sanitären Erfordernissen konforme Ausrichtung derselben unterbreitet hatte: eine Aufteilung in kleine Gruppen über eine größere Strecken, mehrere räumlich voneinander getrennte Auftaktorte, Maskentragen, Verteilung von Händewaschgel…
Doch die Polizeipräfektur schaltete auf stur und bekräftigte das Verbot in einer expliziten Entscheidung, die trotz Eil-Verwaltungsklage vor dem Pariser Verwaltungsgericht dann auch gerichtlich bestätigt wurde.
Nun hätte man denken können, dass diese Demonstration notgedrungen nicht stattfindet, oder aber dass der Versuch zu ihrer Abhaltung mit Strafzetteln, Platzverweisen oder Festnahmen endet. Die Organisatoren publizierten allerdings eine "Antwort an die Polizeipräfektur", in welcher sie ihre sanitären und anderen Erwägungen nochmals öffentlich darlegten, und behielten ihren Aufruf zur Demo aufrecht. Es blieb dann jedoch bei einem einzigen Auftaktort, am Pariser Opernplatz, statt mehreren getrennten.