Frankreich: Protest gegen Rassismus und Ungerechtigkeit

Seite 5: Castaner: Rückzug vom Verbot des Würgegriffs

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Am Vortag hatte derselbe Minister angekündigt, nunmehr werde der in mehreren durch die Polizei verursachten Todesfällen beobachteten Würgegriff (clé d’étranglement) bei Kontrollen oder Festnahmen nicht länger angewandt (Polizeigewalt: Französischer Innenminister verbietet "Würgegriff") - das Festdrücken auf dem Bauch (plaquage ventral), bei dem sich mehrere Beamte auf den Rücken einer festgesetzten Personen aufsetzen und ihm dadurch die Luft wegdrücken können, hingegen schon.

Allerdings, wurde präzisiert, solle dabei nicht auf dem Hals oder dem Nacken der Person Platz genommen werden. Castaners Staatssekretär Laurent Nunez verkündete seinerseits, als Alternative dürfe künftig allgemein zum Taser (Elektroschocker) zurückgegriffen werden.

Demonstration in Paris. Foto: Bernard Schmid

Ein Teil der Polizei nahm es dennoch mächtig übel: Man klage sie des Rassismus an, und nun nehme man ihr auch die Möglichkeit zu effektiven Festnahmemethoden weg, ja, liefere sie gar hilflos den kriminellen Horden aus!

Prompt ruderte Castaner auch eilends zurück. Das mit dem Verbot des Würgegriffs zum Beispiel will er inzwischen längst nicht mehr so gemeint haben.

Die Polizei demonstriert

Am gestrigen Freitag, den 12. Juni, demonstrierten in Paris und anderen Städten wie Marseille und Bordeaux insgesamt mehrere Tausend Polizisten zusammen mit Polizeigewerkschaften wie der konservativ geprägten Alliance, ketteten ihre Handschellen an den Gitterstäben öffentlicher Gebäude fest und verkündeten ihren Slogan.

Als Gegenentwurf zu No justice, no peace (auf Französisch: pas de justice, pas de paix!) erfanden sie pas de police, pas de paix (Keine Polizei heißt kein Frieden).

Angefeuert werden sie durch politische Kräfte, die alles Interesse haben, diese Situation weidlich auszubeuten. Zu ihnen zählt der als Law-and-Order-Hardliner hinlänglich bekannte konservative Abgeordnete Eric Ciotti, aber in erster Linie natürlich auch Le Pens RN , welcher den behaupteten Verrat an der Polizei lautstark anklagt.

Parteichefin Marine Le Pen besuchte am Freitagvormittag eine Polizeistation und verließ diese im Kameragewitter. Ihr zufolge gibt es, nun ja, in Frankreich "eigentlich gar kein Problem mit Polizeigewalt".

Wen wundert’s. Aus ihrer Partei heraus wurden im Übrigen die, von dieser Seite her ebenfalls erwartbaren, rassistischen Untertöne laut: Marion Maréchal, Nichte und mitunter Rivalin der Chefin, verkündete, sie werde sich "nicht dafür schämen" und "nicht dafür entschuldigen, Weiße zu sein", was auch niemand gefordert hatte und redete den Franzosen Angst ein, nach britischen Sklavenhändlern in Bristol oder Kolonisatoren in Neuseeland werde man nun auch "Napoléon und Charles de Gaulle vom Sockel stürzen".

Immerhin würde es bei Napoléon I. zum Thema passen, insofern er am 20. Mai 1802 auf den Antillen (französischen Karibikinseln) die Sklaverei restaurieren ließ, welche die Jakobiner früher abschafften. Ein anderer früherer Spitzenpolitiker des FN, der in die Jahre gekommene Bruno Gollnisch, wollte schon vor Tagen zu Beginn der Proteste die daran Teilnehmenden "in ihre Herkunftsländer zurückkehren" sehen. Allerdings sind sie in ihrer überwiegenden Mehrheit französische Staatsbürger.

In der innenpolitischen Polarisierung hat der, von der internationalen Ebene ausgegangene Protest also nun sein überaus hässliches Gegenstück gefunden.