Frankreich: Run auf Tankstellen

Seite 3: Ausbau der Atomenergie bis in die 2040er-Jahre

In einem Interview, das Emmanuel Macron am 22. September im Flugzeug zwischen Paris und New York auf dem Rückweg von der UN-Vollversammlung gab, kündigte er an, die Ausgaben für das Rentensystem müssten sinken, da man Geld benötige, um die "transition énergétique" – den Umbau der Energieversorgung – zu finanzieren.

Dies klingt zunächst freundlich und nach Entwicklung erneuerbarer Energiequellen. Diese sind allerdings kaum gemeint, auch wenn Macron vorige Woche auch ein neues Offshore-Windkraftanlagenfeld auf dem Atlantik in der Nähe von Nantes einweihte.

Überwiegend geht es allerdings um einen drastischen Ausbau der Atomenergie bis in die 2040er-Jahre, und dieser benötigt gigantische Mittel.

Gewerkschaftsvorständler wie Philippe Martinez von der CGT erklären bereits erzürnt, hier werde geplant, beitragsfinanzierte - und nicht etwa aus staatlichen, also Steuermitteln alimentierte - Sozialkassen finanziell auszutrocknen, um mehr Geld in den allgemeinen Staatshaushalt zu holen.

Dies wiederum wäre nur auf dem Umweg über eine Senkung der Unternehmensbeiträge zu den Sozialkassen, dadurch erweitere finanzielle Spielräume der Firmen, und eventuell dann auf die zuvor finanziell entlasteten Betriebe zu erhebende Steuern möglich.

Mit der Rente bezahlen

Insofern hat sich auch der Regierungsdiskurs spürbar verändert; denn beim letzten Anlauf zur regressiven Reform der Renten vor zwei Jahren ging es jedenfalls offiziell noch darum, das umlagenfinanzierte Rentensystem selbst "zu retten", indem es auf Jahrzehnte hinaus besser finanziert werde.

Damals ging es unter anderem darum, das Mindesteintrittsalter in die Rente – derzeit gesetzlich 62, wobei eine Umfrage des Instituts Elabe für den Sender BFM TV in der vorletzten Septemberwoche ergab, die befragten Französinnen und Franzosen hielten durchschnittlich 61 für ein angemessenes Alter – anzuheben. 2020 sollte aber auch die Berechnung der Rente verändert werden.

Bis zur ersten Welle von Rentenreformen, die 1995 infolge von Massenstreiks abgebrochen werden musste, aber 2003 und 2010 durch die Regierungen stückweise wieder aufgenommen wurde, wurde die Altersrente nach dem Lohn oder Gehalt der besten zehn Jahre eines Berufslebens berechnet.

Danach wurde die Berechnungsgrundlage auf 25 Jahre ausgedehnt, was natürlich den als Bemessungsgrundlage herangenommenen mittleren Lohn absenkte. Nun sollte der Berechnungsmodus gar auf das ganze Arbeitsleben ausgeweitet werden, was eine weitere drastische Senkung zur Folge hätte.

Was derzeit geplant ist, ist noch nicht einmal genau bekannt, auch wenn es bereits im kommenden Januar verabschiedungsreif sein soll. So blieb bislang noch unbekannt, ob das gesetzliche Renten-Mindestalter auf 64 oder 65 angehoben werden soll, und ob es neben einer höheren Altersgrenze auch weitere, so genannte strukturelle Maßnahmen – wie etwa neue Anrechnungsmodalitäten – geben solle.

Laut Erläuterungen des Regierungssprechers (und früheren Gesundheitsministers) Olivier Véran bei einer Pressekonferenz am Donnerstag, dem 29.09.2022 soll "bis 2031" das gesetzliche Mindestalter für den Renteneintritt dann, infolge sukzessiver Anhebung, bei "65" ankommen.

Andere Politiker aus dem Regierungsalter debattieren derzeit eher schon einmal über die Zahl "67", um es daraufhin zu dementieren. Na, einen Versuchsballon darf man doch mal steigen lassen ...