Frankreich-Wahl: Linksbündnis könnte eigentlicher Gewinner sein
Seite 3: In jedem Fall: Für Macron wird es nicht einfach
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Auch für das Macron-Lager zeichnet sich jedoch ab, dass es ihm schwerfallen dürfte, eine Mehrheit der Mandate zu erzielen. Nicht unwahrscheinlich wäre, dann, dass "Ensemble" zusammen mit der konservativen Rechten in Gestalt der – seit ihrer Katastrophe bei der Präsidentschaftswahl im April ziemlich abgehalfterten – Partei Les Républicains (LR) regieren könnte; eventuell auch mit wechselnden Mehrheiten, bei denen Macron sich jedoch häufig auf LR stützen dürfte.
Dies wäre für sozialpolitische Weichenstellungen, aber auch beim Klimaschutz inhaltlich eine Katastrophe. Zugleich wäre es für das 2017 noch als Newcomer "jenseits aller überkommenden Abgrenzungen zwischen Links und Rechts", als angeblich "völlig neue Kraft" angetretene liberale Regierungslager dann damit vorbei, zu behaupten, man sei nur an Lösungen interessiert und keinem der früheren politischen Blöcke verhaftet:
Es müsste dann inhaltlich formal Farbe bekennen und sich entscheiden, sich bei parlamentarischen Kompromissen entweder der Links- oder der Rechtsopposition zuzuwenden. (Die extreme Rechte unter Marine Le Pen dürfte von der Mehrheitsbildung ausgeschlossen bleiben.)
Fragen wirft, neben dem Zustand der französischen Demokratie, aber auch die problematische Kommentierung von Teilen der deutschen Presse auf. Da wird etwa in der Frankfurt Rundschau ohne Abstriche behauptet, der linksnationalistische Sozialdemokrat Jean-Luc Mélenchon sei – Gottseibeiuns – angeblich "Linksradikaler", ja sogar ein "bekennender Trotzkist".
Das ist absurd. Von in Kürze bevorstehenden Revolutionsfeierlichkeiten in Paris braucht man jedenfalls – egal, wie die Wahl am kommenden Sonntag ausgeht – nicht zu träumen oder, je nach Standpunkt, auch nicht zu albträumen.
Es stimmt übrigens, dass Mélenchon einmal Trotzkist gewesen ist und damit einer Unterströmung der radikalen, systemoppositionellen Linken angehörte. Dies ist allerdings gut 45 Jahre her. Einer, welcher es wissen dürfte, Mélenchons Biograph, Libération-Journalist Lilian Alemagna, schrieb 2012 in seinem Buch, wie der Werdegang des Politikers verlief: Mélenchon zählte zu den "Lambertisten" – einer Unterströmung des französischen Trotzkismus, mit einigen, auch kritikwürdigen Besonderheiten -, als der damals 25-Jährige den alten Staatsstrategen und Sozialdemokraten François Mitterrand bei einer Veranstaltung verbal attackieren wollte.
Mitterrand konterte jedoch demnach so intelligent, dass Mélenchon hin und weg war und fortan der Faszination unterlag; er wechselte rapide die politischen Seiten. Er war nicht der erste Ex-Linksradikale, welcher zum Sozialdemokraten wurde, und der vormalige Regierungschef Lionel Jospin (Premierminister in den Jahren 1997 bis 2002) kam ebenfalls vom "Lambertismus" zur staatstragenden Sozialdemokratie. Mélenchon bezeichnet bis heute Mitterrand als politisches Vorbild. Und Mitterrand vor seiner Wahl im Jahr 1981 klang jedenfalls in Reden viel antikapitalistischer oder gar revolutionärer als Mélenchon heute; klar, es waren auch andere Zeiten.
Aus Sicht von Menschen, die an linken Ideen, gar radikalen Veränderungen interessiert sind, übrigens bestimmt nicht das beste Zeichen. Auch nicht, denkt man an Mitterrands Bilanz in Sachen bürgerlicher Regierungskriminalität, von seinen staatlichen Funktionen im Algerienkrieg 1954 bis zu Frankreichs Rolle unter Mitterrands Präsidentschaft 1994 in Rwanda – aber das steht jetzt wieder auf einem anderen Blatt…