Französisches Recht soll weltweit für Franzosen gelten
Ein französischer Richter hat ein weitreichendes Urteil gefällt, das die Wiedereinführung der Grenzen in das Internet beschleunigt und unterstützt
Jetzt hat also der Richter Jean-Jacques Gomez sein Urteil vom 22. Mai bestätigt und damit einer Grenzziehung des Web den Weg bereitet: Yahoo muss alle verfügbaren Möglichkeiten ergreifen, um es französischen Internetnutzern unmöglich zu machen, auf die Auktionsseiten bei Yahoo.com zu gelangen, auf denen Nazi-Gegenstände gehandelt werden. Dasselbe gilt für andere Seiten und Dienste, die den Nationalsozialismus zu entschuldigen oder die Nazi-Verbrechen zu leugnen versuchen.
Der Wortlaut des Urteils ist noch nicht veröffentlicht worden. Problematisch daran aber ist, dass der Richter davon ausgeht, dass dann, wenn ein französischer Staatsbürger auf eine Seite willentlich oder zufällig gelangt, die nach französischem Recht verbotene Inhalte hat, der dabei entstandene Schaden auf französischem Territorium geschehen sei, weswegen dann auch die französische Justiz dafür zuständig sei: "Da Yahoo in Frankreich die Visualisierung dieser Objekte und schließlich die Teilnahme der französischen Surfer an solch einer Zurschaustellung oder an solch einem Verkauf ermöglicht hat, hat das Unternehmen folglich eine Gesetzesübertretung auf französischem Territorium begangen, deren nicht willentlicher Charakter zwar offenbar ist, aber der dennoch die Ursache des Schadens für die LICRA (Ligue contre le racisme et l'antisemitisme) und die UEJF (Union des etudiants juifs de France) ist, die beide das Recht besitzen, in Frankreich alle Formen der Banalisierung der Nazis unabhängig davon zu verklagen, dass die beanstandete Aktivität im Verhältnis mit dem gesamten Auktionsangebot auf der Yahoo-Website geringfügig ist."
Da die Möglichkeit besteht, Benutzer aufgrund ihrer IP-Adressen zu identifizieren, sollten diese auch das in ihrem Land Verbotene nicht sehen dürfen. das Urteil ist nicht nur wegen der Einführung von geografischen Grenzen in das Internet problematisch, die nicht nur zu einem Kampf der Rechtssysteme, sondern auch zu einem der Kulturen führen und überhaupt das Internet als globales Informations- und Kommunikationsmedium schwer beeinträchtigen können, sondern auch, weil es mehr macht, als im wirklichen Territorium möglich ist. Dort ist es strafbar, solche Gegenstände zu haben, auszustellen oder mit ihnen zu handeln, aber es gibt normalerweise kein Mittel, einen Bürger daran zu hindern, diese wahrzunehmen, wenn er denn solche irgendwo sieht. Im Grunde heißt das, dass ein Ladenbesitzer beispielsweise zwar durchaus verbotene Dinge ausstellen kann, weil sein Laden sich nicht auf französischem Territorium befindet, aber dass er verpflichtet ist, jeden französischen Staatsbürger zu identifizieren und ihm den Zugang zu verwehren.
Die UEJF zeigte sich am Montag zufrieden über das Urteil. Die Entscheidung, dass Yahoo verpflichtet werde, den Zugang zu den Nazi-Seiten zu filtern, markiere "das Ende der Cyberkriminalität gegen die Menschlichkeit". Das Internet werden dadurch "zu einem zeitgemäßem Medium mit Verpflichtungen und einer zuständigen Rechtssprechung".
Philippe Guillanton, Direktor von Yahoo.fr, sieht in dem Urteil hingegen, dass der Richter "eine Methode der Zensur einer pädagogischen Methode vorgezogen" habe, bei der der Nutzer selbst für die Filter verantwortlich wäre. "Wir bedauern, dass die Maßnahmen, deren Fragwürdigkeit von den Experten unterstrichen wurde, bestätigt worden sind." Zufrieden zeigte er sich nur, dass der Richter Yahoo.fr Übereinstimmung mit dem Urteil vom 22. Mai bescheinigte, da ein Hinweis gegeben werde, wenn Seiten mit in Frankreich verbotenen Inhalten besucht werden. Das Urteil betreffe also nur Yahoo.com. Das Unternehmen werde sich die weiteren rechtlichen Schritte überlegen, d.h. ob es Einspruch gegen das Urteil erhebt, die Maßnahmen durchführt oder die Rechtskräftigkeit des Urteils eines französischen Gerichts für eine amerikanische Firma bestreitet. Guillanton betonte allerdings auch, Yahoo.com sei sich bewusst, dass eine Missachtung des französischen Urteils nicht im Interesse der Unternehmensfilialen sei. "Auf jeden Fall ist die französische Entscheidung ein gefährlicher und besorgniserregender Präzedenzfall für die Entwicklung des Internet."
Überdies ist Geografie auch nicht gleich Staatsangehörigkeit. Ein Amerikaner in Paris, der bei einem französischen Internetprovider ist, dürfte eigentlich auch nach französischem Recht nicht von den Seiten ausgesperrt werden - oder trifft hier den Rechtsraum zu? Und ist es aus Datenschutzgründen statthaft, dass Contentanbieter automatisch die geografische Herkunft der Besucher der Website feststellen?
Für Jean-Christophe Le Toquin von der AFA, dem Verband der französischen Internetprovider, hat der Richter mit seinem Urteil ein Internet mit "zwei Geschwindigkeiten" geschaffen. Wenn man technisch arm ist, sind einem bestimmte Seiten von Yahoo nicht mehr zugänglich, wer technisch mehr Wissen besitze, könne ohne weiteres die Filter überwinden. Le Toquin weist auch darauf hin, dass die Meinung des Richters nicht mit der der Regierung übereinstimme. So habe der französische Innenminister auf dem G8-Treffen im Mai erklärt, dass er den Wunsch des amerikanischen Justizministeriums ablehne, dass die Polizei des einen Landes einer Strafverfolgung auch in einem anderen Land nachgehen könne. Wenn man aber das ablehne, dann sei es auch schwierig zu fordern, dass die Amerikaner direkt den Entscheidungen der französischen Rechtssprechung folgen.
Aber noch ist nicht aller Tage Abend. Yahoo muss die Maßnahmen erst in drei Monaten einführen, bevor täglich bei Verzögerung 15000 Euro Strafe gezahlt werden müssen. Andererseits wäre durch ein Einlenken möglicherweise nicht nur die Freiheit im Internet bedroht, sondern auch der ECommerce oder jeder Contentanbieter. Schließlich könnte jeder Staat der Welt verlangen, dass entsprechende Filter auf bestimmte Inhalte eingerichtet werden müssen. Allerdings hat hier auch Deutschland schon erste Schritte gemacht, indem beispielsweise auf Druck des deutschen Justizministeriums Amazon.com und BarnesandNobles.com die Auslieferung von Hitlers "Mein Kampf" nach Deutschland eingestellt haben (Ein amerikanischer Nazi und Rassist auf der Bestsellerliste). Auch eBay-com verbietet jeden Handel mit Objekten, die Hassgruppen fördern, auf den Auktionsseiten, und entfernt entsprechende Einträge, wenn die Firma darauf aufmerksam gemacht wird. Allerdings werden Objekte zugelassen, die mindestens 50 Jahre alt sind und einen "legitimen Sammlerwert" besitzen.
Allerdings könnte die Identifizierung der geografischen Lokalisierung der Internetbenutzer oder Geotracking nhand der IP-Adressen auch kommerziell interessant und aus diesem Grund eingeführt werden, schließlich kommt es noch immer darauf, wo man welche Waren wie anbietet, um sie besser verkaufen zu können. Es gibt auch schon eine Reihe von Firmen, die entsprechende Programme oder Dienste anbieten, beispielsweise Quova, Digital Island und Digital Envoy, während Online-Werbeagenturen wie DoubleClick oder 24/7 Bannerwerbung nach geografischen Gesichtspunkten vergeben. Je nach der Seite, auf der man sich befindet, sieht das also anders aus.