Ein amerikanischer Nazi und Rassist auf der Bestsellerliste

Ein Buch über den vielleicht gefährlichsten "white supremacist" konnte ohne Probleme bei dem E-Book-Verleger Mightywords, einem Bertelsmann-Ableger, erscheinen und lässt sich jetzt weltweit herunterladen

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Als im letzten Jahr das Simon-Wiesenthal-Center sich beschwerte, dass Hitlers "Mein Kampf" über den Internetbuchhandel auch nach Deutschland geliefert werden kann, schaltete sich auch gleich das Justizministerium ein. Amazon und www.barnesandnoble.com lieferten das Buch nicht mehr nach Deutschland. Jetzt aber könnte Bertelsmann, mit 40 Prozent beteiligt an Barnesandnoble.com, noch einmal in dieselbe missliche Situation kommen. Zumindest gibt es zum Herunterladen bei www.mightywords.com, das zu Barnesandnobles.com und damit auch zu Bertelsmann gehört, ein Buch weltweit zu bestellen, in dem der weiße Nationalist, Rassist und Hitlerverehrer William Peirce seine Gedanken außerhalb der rechten Szene unkritisiert vortragen darf.

Als Barnesandnobles.com im Dezember 1999 auf Druck des deutschen Justizministeriums "Mein Kampf" nicht mehr nach Deutschland lieferte, erklärte man: "Wir verstehen das spezielle Problem, das 'Mein Kampf' im Kontext der deutschen Vergangenheit und für die deutsche Regierung darstellt. Unsere Politik im Hinblick auf Zensur bleibt unverändert. Wir glauben nicht, dass Zensur für irgendein Problem der Welt eine Lösung ist. Tatsächlich meinen wir, dass sie mehr Probleme schafft als kuriert. Doch [...] respektieren wir die Gesetze der Länder, in denen wir unser Geschäft betreiben." Etwas später zog dann Bertelsmann-Vorstandsvorsitzender Thomas Middelhoff im Mai 2000 nach und sagte, ihm sei die aufgeregte Diskussion um die Auslieferung von Hitlers "Mein Kampf" über den Internetbuchhandel unverständlich. "In Deutschland wird immer schnell nach Regulierung und Zensur gerufen. Deutschland solle sich, so sein Rat, am Verhalten der Amerikaner orientieren, dort bestimme die Nachfrage das Angebot, und dort verstehe man die Aufgeregtheit über "Mein Kampf" nicht.

Nun muss man allerdings wissen, dass Bertelsmann nicht nur als Verteidiger der Meinungsfreiheit auftritt, sondern sich gleichzeitig für die Verwendung von Filtern stark macht, an denen auch in Europa heftig gearbeitet wird. Natürlich will man damit vornehmlich gesetzlichen Inhaltsregulierungen zuvorkommen, die geschäftsschädigend sein könnten, gleichwohl passt das nicht gut zueinander (Die seltsamen Blockaden der Internetfilter).

Zumindest können Barnesandnobles.com und Bertelsmann sich die Lage anhand des Buches über William Pierce noch einmal näher überlegen. Pierce ist seit 1974 Führer der National Alliance, einer radikalen rassistischen Organisation, die von der Anti-Defamation League als die gefährlichste Hassgruppe bezeichnet wurde. 1965 gab er seinen Posten als Physikprofessor auf und widmete sich ganz dem politischen Geschäft, arbeitete anfangs zusammen mit der American Nazi Party und der National Socialist White People's Party bis er die National Alliance gründete. Dazu gehören der Buchversand National Vanguard Books, die Zeitschriften National Vanguard und National Alliance Bulletin, aber auch im Rundfunk und seit einiger Zeit im Internet sowie mit Internetradio ist Pierce tätig und vertreibt eifrig seine Reden und Texte.

"Die National Alliance bringt ihren Hass mit Hightech zum Ausdruck" sagte Howard Berkowitz, Vorsitzender der ADL, 1998 anlässlich der Veröffentlichung des Buches Explosion of Hate. "Sie unterhält eine der technisch fortschrittlichsten Sites im WWW und beutet die Kapazitäten des Internet aus, um ihre rassistische Ideologie vorzustellen und ihre Waren anzupreisen." Kontakte bestehen zum Ku-Klux-Klan oder auch zu David Irving. Seit einiger Zeit gibt es auch Beziehungen zu europäischen Neo-Nazi-Gruppen und rechten Parteien, in Deutschland vornehmlich zur NPD.

Wirklich bekannt wurde der paranoide Antisemitit, der überall jüdische Verschwörungen sieht und vornehmlich die Schwarzen als mindere Rasse betrachtet, aber eigentlich erst durch den Bombenanschlag von Oklahoma im Jahr 1995, bei dem über 150 Menschen ums Leben kamen. Tim McVeigh, ein Verehrer von Pierce, hatte dessen rassistischen Endzeitroman, die "Turner Diaries", gelesen, die ihm möglicherweise als Vorbild dienten. Dieser Roman wurde 300000 Mal verkauft, findet sich auch auf der Website der National Alliance, ebenso wie ein werbender Hinweis auf das beim Bertelsmannableger Mightywords erschienene Buch "The Fame of a Dead Man's Deed: An Up-Close Portrait of White Nationalist William Pierce." Für 8 US-Dollar kann man das 420 Seiten starke Werk (2.1 MB) dort herunterladen. In der Werbung auf Mightywords wird denn auch unverblümt gesagt, dass Pierce wahrscheinlich den Bombenanschlag inspiriert habe und dass die ADL seine Organisation für die gefährlichste rassistische Gruppe hält. Das steigert womöglich den Umsatz, zumindest ist das Buch bis heute auf Platz 1 der Bestenliste von Mightywords (was quantitativ freilich nicht viel bedeuten muss).

Pierce selbst scheint also das Buch zu gefallen, das der Pädagogikprofessor Robert Griffin von der University of Vermont über ihn aus der Perspektive einer "Kulturanthropologie" verfasst hat, was schlicht heißt, dass es keine kritische Würdigung gibt und der rassistische Physiker so, wie er will, ausgiebig zu Worte kommt und seine Sicht darlegen kann. So sagen manche auch, die Kommentare bei Mightywords geschrieben habe, dass hier endlich Pierce einmal die "Wahrheit" über Amerika zum Ausdruck bringen konnte. Einen Kritiker habe ich darunter nicht gefunden, die Wertung geht in Richtung ausgezeichnet.

Griffin sagt, dass ihn dieser Mann interessiert habe, aber dass er nicht mit ihm übereinstimme. Andererseits windet er sich wieder um eine klare Aussage herum, wenn er meint: "Ich denke, es ist möglich, zwei Perspektiven beispielsweise auf eine Ehe zwischen Rassen zu haben. Gibt es jemanden, dem das nicht gefällt? Ich denke, sie haben Recht darauf, gehört zu werden." Griffin hatte wochenlang auf dem stark bewachten Grundstück von Pierce gelebt, viele Gespräche mit ihm aufgezeichnet und sich durch seine Veröffentlichungen gewühlt. Man wird, so Mightywords, Pierce "in seinen eigenen Worten" hören. Offenbar durfte Griffin Pierce auch auf eine Reise nach Deutschland begleiten, wo er mit ihm vier Tage in München verbrachte. Pierce sollte eine Rede bei der Jahrestagung der NPD in Passau eine Rede halten, was aber vom Ordnungsamt der Stadt Passau verboten wurde.

Griffin hatte für sein Werk viele Verlage abgeklappert, aber keinen gefunden, der es veröffentlichen wollte. Dann aber kam er zu Mightywords. Er habe nur, wie Village Voice in "The Nazi on the Bestseller List" berichtet, den Text hinaufladen müssen. "Ich musste nicht einmal mit einem Menschen umgehen." Nötig war lediglich, den Preis festzulegen. Die Hälfte der Einnahmen bei jedem Verkauf erhält er als Autor.

Rabbi Cooper vom Simon Wiesenthal Center, der letztes Jahr die Kampagne gegen Amazon und Bertelsmann geführt hat, meint zwar, dass die Amerikaner so erzogen würden, dass sie keine Angst vor Ideen haben: "Aber in diesem Fall sind es nicht die Ideen, die uns Sorge machen, sondern die Werbung, die Verpackung." Noch will er nichts gegen die Veröffentlichung in die Wege leiten, auch wenn er meint, dass Pierce Leute überzeugen könne. Bedenklich stimmt ihn auch die Veröffentlichung über das Internet, ohne dass dabei Menschen, beispielsweise Lektoren, beteiligt sind.

Und Village Voice meint: "Der deutsche Mediengigant Bertelsmann, der noch immer fieberhaft versucht, die Menschen vergessen zu lassen, dass er Hitler an die Massen vermarktet hat, verkauft jetzt das von einem Professor aus Vermont ermöglichte Wiederkäuen der Ideen von Amerikas bekanntestem lebenden Hitler-Verehrer." Da werde, wenn das Buch in eine breitere Öffentlichkeit gelange, dazu führen, dass das Thema von Filtern und Zensur wieder heiß diskutiert werden wird. Für Pierce, der die USA von allen Ausländern, Schwarzen und Juden "befreien" möchte, ist das sowieso ein Dauerthema, das auch angesichts des Buches zur Geltung kommt, das nur wegen der jüdischen Verschwörung nicht in einem normalen Verlag erscheinen konnte: "People who read Dr. Griffin's book themselves", so liest man auf der Website der National Alliance, "will understand why New York publishers are afraid of it. It is an extensive, perceptive, objective, and easily assimilable synopsis of the National Alliance message, as well as a fair-minded portrait of Dr. Pierce."