Freiheit von Wissenschaft und Sprache: Über das eisige Unverständnis zwischen den Lagern

Seite 2: Die digitale Revolution

Die digitale Revolution ist keine lineare Fortschreibung des technischen Fortschritts. Sie ist die Folge exponentiell ansteigender Verfügbarkeit und Verknüpfbarkeit von Daten, die die selbstlernenden Maschinen trainieren und dem kybernetischen Prinzip zum Durchbruch verhelfen. Es überlagert sukzessiv das industrielle Prinzip.

Die kybernetische Revolution geht mit der Erneuerung der Leitsektoren einher, die jede zyklische Erneuerung im Kapitalismus prägt. Seit dem Beginn des Fabrikszeitalters an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert beobachten wir circa alle fünfzig Jahre eine große Krise der Kapitalverwertung, die mit einem neuen Leitsektor überwunden wurde.

Auf die Baumwollspinnerei folgten die Eisen- und Stahlindustrie, der Maschinenbau, Chemie- und Elektroindustrie, Automobil und Petrochemie, Informations- und Kommunikationstechnologie.

Verbunden war dies stets mit der Veränderung der Energieträger, Antriebs-, Unternehmens- und Arbeitsorganisation. Derzeit setzen sich im Anschluss an die Weltwirtschaftskrise 2008 mit Biotech, Medizin und Pharma, in Verbindung mit Robotik, IT- und Nanotechnologien, neue Sektoren an die Spitze eines bevorstehenden Wachstumszyklus.

Wie bei jeder derartigen Erneuerung kommt dem staatlichen Anschub eine zentrale Rolle zu. Im gegenständlichen Fall kam Sars-CoV-2 im Jahr 2020 gerade recht, um die Nachfrage nach Gesundheitsprodukten mit der Bereitschaft der Menschen zur digitalen Überwachung zu verbinden.

Die kybernetische Zukunft

Die Kombination aus Gesundheitsüberwachung und digitaler Identität weist den Weg in die kybernetische Zukunft: Diese liegt in kleinen Serien, über die Bereitstellung von personenbezogenen Daten, z.B. zu Gewicht, Fitness, Krankheitsbildern, genetischer Ausstattung, mentaler Disposition und ist dem individuellen Bedarf anpassbar.

Der Schwerpunkt der Optimierungsbranchen verschiebt sich auf Dienstleistungen, die sich u.a. dem Styling des Körpers, der Wohnumgebung oder der Smart City verschreiben. Mit Gen- und Bio-Tech versprechen sie, die Menschen nach den Wünschen des Inhabers, im Fall der pränatalen Stylingwünsche jenen der Eltern, zu formen.

Im Vordergrund der Gesundheitsprodukte steht der Optimierungsgedanke. Daten dienen als neuer Rohstoff. Sie beflügeln die Produktentwicklung. Subunternehmen besorgen Soft- und Hardware; smarte Fabriken, Labors und 3D-Drucker stellen die notwendigen Geräte her – vom Design über die Standortkombination der Lieferkette, die Rekrutierung der Arbeitskräfte bis zur Logistik der Zustellung.

Der ständige Fluss erfordert von allen Beteiligten die ständige Bereitschaft zur Wahl: von der Wahl des Produkts und dessen Zielbestimmung bis hin zur Wahl, welche Rolle man selbst in der kybernetischen Matrix spielt.

Wie in der virtuellen Welt der sozialen Netze kann man auch in der Realität ein Avatar sein, der seine Eigenschaften, seinen Bauplan, sein Aussehen und seine Bestimmung immer wieder neu definiert. Es herrscht fluide, situative Diversität.

Wir stecken erst in den Anfängen, doch vieles, was bis vor Kurzem utopisch aussah, lässt sich bereits umsetzen. Diese materiellen Grundlagen bilden die Grundlage für den Diversitätsrausch des Individuums.

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