Frieden für das hungernde Afrika
- Frieden für das hungernde Afrika
- Kulturelles Raubgut für die Hungernden
- Landrückgabe: In Ostdeutschland ging das ganz schnell
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Es gäbe Wichtigeres zurückzugeben als die Benin-Bronzen. Das betrifft auch die Debatte über globale Folgen von Krieg und Sanktionen. Und die bis heute gravierendste koloniale Dehumanisierung. Ein Buchauszug.
Afrika hungert, weil durch den Krieg in der Ukraine die Getreideschiffe blockiert sind? Das ist eine eher verkürzte Sicht. Aber geeignet, die eigentlichen Verursacher zu entlasten. Afrika hungert seit Jahrzehnten, jetzt könnte diese Schande durch die zeitweilige Blockade ukrainischer Schiffe durch Minen und die Weigerung, russische Getreideschiffe in europäischen und ausländischen Häfen zu versichern und abzufertigen, in der Tat verschärft werden.
Der kriegsbedingte Ausfall von Weizen-Lieferungen soll allerdings nur knapp ein Prozent der Weltproduktion ausmachen. Es hungern auch ohne dieses Kriegsdrama 815 Millionen Menschen weltweit. Was nicht sein müsste, wenn nicht andere Dramen dahinterstünden.
Wegen nie dagewesener Dürre hat Indien, nach China zweitgrößter Weizenexporteur der Welt, vorerst alle Weizenexporte eingestellt. Aus vielfältigen Gründen sind 57 Länder bereits 2015 an dem UN-Millenniumsziel lautlos gescheitert, den Hunger zu halbieren. Verhungern ist ein quälend langer Tod, die Sterbenden sind zu schwach, um zu schreien. Allein in Ostafrika sind im vergangenen Jahr mehr als 260 000 Kleinkinder verhungert. Der UN-Agenda 2030, die bis dahin weltweit den Hunger abschaffen will, steht ebenfalls Versagen bevor.
Wir sind ohnmächtig gegenüber dem strukturellen Hunger als Folge der kannibalischen Weltherrschaft der multinationalen Konzerne, deren Macht so gut wie unkontrollierbar ist (Jean Ziegler). Die Oligarchen der westlichen Ordnung verstehen es, gern unter dem Deckmantel der Entwicklungshilfe, noch aus den ärmsten Regionen Profit zu ziehen. Doch Renditeversprechen helfen den Falschen.
In Afrika ist jeder Dritte der rund eine Milliarde Menschen permanent schwerstunterernährt. Dabei leben 80 Prozent der Afrikaner auf dem Land, stellen also bäuerliche Erzeugnisse her. Und werden nicht satt dabei. All diese Missstände sind seit Langem bekannt, solange, dass sie uns kaum noch erschüttern, wenn nicht ermüden.
Sie scheinen unabänderlich in ihrer Komplexität – das Klima, die Dürreperioden, die Heuschreckenplagen, dazu Pandemien, Aids, bewaffnete Konflikte, Korruption, gestörte Lieferketten, fehlende Infrastruktur – eigentlich nichts, was mit uns zu tun hat.
Man kann das ganze Elend Afrikas nicht nur in den Kolonialschoß legen. Und Respekt vor allen, die sich für die überfällige Rückgabe von Kunstwerken eingesetzt haben, deren Raub zu Recht als Akt der Dehumanisierung begriffen wird. Aber die anhaltende Ignoranz gegenüber der bis heute gravierendsten kolonialen Dehumanisierung macht sprachlos.
Da rettet einen vor Zynismus nur Ironie: Schließlich ist Antikolonialismus uns endlich ein großes Thema geworden. Allein 75.000 kulturelle Raubgüter aus Afrika im Bestand des kopierten Preußen-Schlosses. Die Benin-Bronzen. Spät, aber nicht zu spät, bekennen wir uns zu dem Unrecht.
So schwer fällt uns der Verzicht nun auch wieder nicht, wir werden bald auf ganz anderes verzichten müssen. Benin-Bronzen hin oder her. Aber für die überschaubare Schicht des afrikanischen Bildungsbürgertums, unter ihnen nicht wenige Extremreiche, ist es mehr als Symbolpolitik. Wir geben ihnen ihre kulturelle "Identität" zurück.
Auch wenn uns gesagt wird, heute sei niemand mehr identisch mit den Abbildern aus den Monarchien voriger Jahrhunderte, in denen diese Kunstwerke entstanden – wir lassen uns unsere neue Großzügigkeit nicht als zeitgemäßen Ablasshandel kleinreden. Dann müssen die Objekte eben resozialisiert werden.
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