Frieden für das hungernde Afrika

Seite 3: Landrückgabe: In Ostdeutschland ging das ganz schnell

So erlebt beim von Westdeutschen formulierten Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen vom August 1990. Dieses bestimmte noch vor Vollzug der deutschen Einheit, dass DDR-Bürger, die Häuser und Grundstücke gekauft hatten, die vor meist zwei Generationen Westdeutschen gehörten, diese nun unter exzessiv formulierten Bedingungen zurückzugeben hätten.

Dafür wurde eigens der juristisch nicht vorgeprägte Begriff unredlicher Erwerb eingeführt, um Kaufverträge rückwirkend für ungültig zu erklären. Unredlich war demnach, wer durch "Ausnutzung einer persönlichen Machtstellung auf die Bedingungen des Erwerbs" eingewirkt oder sich die "herbeigeführte Zwangslage des ehemaligen Eigentümers zu Nutze gemacht hat".

Rückgabe vor Entschädigung hieß die Devise, also wo immer möglich, sollte das Grundstück von den neuen Eigentümern entschädigungslos an die alten zurückgegeben werden. Nur falls das ausgeschlossen war, sollte der ursprüngliche Besitzer entschädigt werden. Mindestens die Hälfte der DDR-Bürger war mit Rückgabeforderungen konfrontiert.

Diese Definition von Unredlichkeit trifft allerdings sehr viel besser auf die Art und Weise zu, in der weiße Kolonialherren den schwarzen Besitzern Ländereien entrissen haben und diesen gesetzlich legitimierten Diebstahl seither von Generation zu Generation selbstverständlich weitervererben.

Eine juristische Vorstellung von Redlichkeit hat diese Machenschaften nie getrübt. Die einstigen Kolonialstaaten brauchen dringend ein Gesetz und dann ein "Amt zur Regelung offener Vermögensfragen". Der deutsche Rechtsstaat könnte da behilflich sein.

Der Neokolonialismus funktioniert stattdessen über gekaufte Gesetze, die ausländische Investoren bevorzugen. Kein Kontinent hat so viel Agrarfläche aus den eigenen Händen gegeben wie Schwarzafrika.

Doch die Bodenfrage ist letztlich die Souveränitätsfrage. Ohne Selbstbestimmung über die Agrarfläche keine nationale Konzeption zum wichtigsten Problem – dem der Ernährung der eigenen Bevölkerung.

Die reichen G7-Staaten nutzen das Farmland für die Bedürfnisse des westlichen Marktes. Getreide, Mais, Soja oder Zuckerrohr wird nicht etwa für die hungernde Bevölkerung angebaut, sondern hauptsächlich zu Biosprit für die westliche Kundschaft verarbeitet.

Und diese Tendenz, so zeichnet sich schon ab, wird im Verteilungskampf des neusten Energie-Trauerspiels dramatisch zunehmen. Brot für die Welt – die Wurst bleibt hier. Durch den Agrarprotektionismus der US-Amerikaner, Europäer und Japaner verlieren die Afrikaner mehr Geld durch Exportverluste, als an Entwicklungshilfe bei ihnen eingeht. Die westliche Leitkultur ist eine Leidkultur für die Schwachen.

Die Interessenvereinigung der weißen Großgrundbesitzer in Afrika warnt davor, dass eine Enteignung schwerwiegende Folgen für das Wirtschaftswachstum haben würde. Allein die Diskussion dieser Möglichkeit hemme ausländische Investoren, die für den Kampf gegen Armut unerlässlich seien.

Als abschreckendes Beispiel hat man dann sofort Simbabwe parat. Doch dessen langjähriger Präsident Robert Mugabe wird in Afrika nicht so uneingeschränkt gehasst wie im Westen, und Südafrikas einstiger Präsident Nelson Mandela nicht so uneingeschränkt verehrt. Dieser sei im Westen so beliebt, sagten mir Künstler beim Weltsozialforum in Nairobi, weil er zugunsten der Versöhnung darauf verzichtet habe, das Unrecht aufzuheben.

Die Wahrheitskommissionen haben die Wahrheit über das extreme Verbrechen des Raubs von fast drei Vierteln des Ackerbodens nicht angefasst. "Die Zeit der Versöhnung ist vorbei", tönte 2018 die Partei Economic Freedom Fighters. Doch der letzte Versuch einer Überwindung der Apartheid durch Landreform scheiterte 2021.

"Wenn wir das nicht angehen", warnte der heutige Präsident Südafrikas, Cyril Ramaphosa, "wird dieses Problem, das unsere Nation schon seit Jahrhunderten belastet, in unseren Händen explodieren."

Daniela Dahn, geboren in Berlin, studierte Journalistik in Leipzig und war Fernsehjournalistin. 1981 kündigte sie und arbeitet seitdem als freie Schriftstellerin und Publizistin. Sie war Gründungsmitglied des "Demokratischen Aufbruchs" und hatte mehrere Gastdozenturen in den USA und Großbritannien.

Sie ist Mitglied des PEN sowie Trägerin unter anderem des Fontane-Preises, des Kurt-Tucholsky-Preises für literarische Publizistik, der Luise-Schroeder-Medaille der Stadt Berlin und des Ludwig-Börne-Preises.

Bei Rowohlt sind bislang zwölf Essay- und Sachbücher erschienen, vor dem aktuellen Buch "Der Schnee von gestern ist die Sintflut von heute" (2019).

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