Frieden statt Ökozid – Sicherheit neu denken

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Eine sichere Zukunft hängt vom Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen und globaler Gerechtigkeit ab. Aktuell gelten andere Prioritäten. Eckpunkte für einen Plan B.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) hat Mitte Juni dieses Jahres eine "Nationale Sicherheitsstrategie" vorgelegt. Leitbegriffe: "Wehrhaft. Resilient. Nachhaltig." Diese Orientierungsgrundlage für den verwendeten Sicherheitsbegriff wird in dem Papier mit diesen Worten begründet:

"Wir benötigen eine umfassend angelegte Herangehensweise, um dem Spektrum an Herausforderungen und Bedrohungen zu begegnen. Sicherheitspolitik ist mehr als die Summe aus Diplomatie und Militär; sie muss alle Stränge unserer Politik zusammenführen. Die Bundesregierung wird deshalb eine Politik der Integrierten Sicherheit verfolgen."

Allerdings wird nur ein Sicherheitskonzept seinem Anspruch gerecht, das auf die Bewahrung der Lebensgrundlagen der Menschheit ausgerichtet ist. Dies ist ein Vorschlag für das Zusammenwirken aller Kräfte, die sich für die Bewahrung der Natur auf der Erde engagieren.

Sicherheit als Ergebnis einer Politik des Friedens

In der durch ökologische, militärische, soziale und ökonomische Krisen existenziell gefährdeten Welt ist die oberste Priorität aller Politik darauf zu richten, die Menschheit vor der Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen und damit vor ihrer Vernichtung zu bewahren.

Die Meinungsmache in großen Teilen der Öffentlichkeit lenkt die Wahrnehmung und das Denken vieler Menschen mit einem selektiven Blick und mit doppelten Standards auf eine Bedrohungslage, die vorrangig oder gar nur von China und Russland ausgehe, um dem Nato-Ziel Nachdruck zu verleihen, die Rüstungsausgaben auf mindestens zwei Prozent der gesamtwirtschaftlichen (!) Leistung eines jeden Mitgliedsstaates hochzuschrauben.

Jetzt schon geben die Nato-Staaten im Minutentakt fast 2,5 Millionen US-Dollar für den Militärsektor aus. Damit verbunden sind Ressourcenvernichtung und Aushöhlung sozialstaatlicher Strukturen, Einsparungen auf Kosten der Gesundheit, der Bildung und der Infrastruktur sowie der Umwelt. Keiner der vielen Kriege unserer Zeit rechtfertigt die Zerstörung der Erde durch Raubbau und Vergiftung.

Die weltweit rund 440 Atomreaktoren bedeuten ein nicht zu verantwortendes Sicherheitsrisiko. Die Vermeidung einer Havarie ist unter Kriegsbedingungen nicht zu garantieren. Viele kriegerisch ausgetragene Konflikte führen zu einer Destabilisierung, mit deren Folgen die Welt heute intensiv zu kämpfen hat.

Das Primat von Diplomatie ist die tragende Säule einer Sicherheitskonzeption, die den Namen verdient. Zur Diplomatie gehört in diesem Zusammenhang die Einhaltung internationaler Verträge und des Völkerrechts, der UNO-Charta genauso wie des Zwei-plus-Vier-Vertrag mit dem Gebot einer Friedensordnung, die die "Sicherheitsinteressen eines jeden" berücksichtigt.

Sicherheit als Ergebnis einer ökologischen Politik

Zur Abwendung ökologischer Kipp-Punkte durch die Erderhitzung, die Verschmutzung immer weiterer Bereiche der Biosphäre und die Entwaldung sowie durch die atomare Bedrohung müssen alle Staaten Europas zusammenarbeiten.

Um die Milleniumsziele der UNO zu erreichen, um Armut und Hunger abzuschaffen soeiw das Artensterben zu stoppen, muss weltweit kooperiert werden.

Gesundheit, Bildung, Geschlechtergerechtigkeit, Umweltschutz, Demokratie und Rechtsstaat sowie die Einhaltung der Menschenrechte müssen Priorität haben – und damit das Friedensgebot der UNO-Charta und umfassende Abrüstung atomarer und konventioneller Arsenale.

Eine weltweite Kooperation zur Bewältigung dieser Menschheitsaufgabe zu entwickeln, ehe die Probleme derartige Ausmaße angenommen haben, dass ihre Bewältigung menschliche Fähigkeiten übersteigt, ist das Gebot unserer Epoche.

Die Verwirklichung der UNO-Nachhaltigkeitsziele zur Bedingung für das Überleben der Menschheit ist für nachhaltige Sicherheit elementar. Entscheidend sind allseits gerechte Außenbeziehungen und die nachhaltige Entwicklung aller Regionen im Rahmen einer globalen Kooperation statt der Eskalation einer Großmachtkonkurrenz, die die Welt an den Rand des Abgrunds gebracht hat.

Das Konzept der Initiative "Sicherheit neu denken" bietet hier Anregungen – davon ausgehend, dass es keine Alternative zu Dialog und Kooperation gibt.

Ziel ist eine Friedensordnung gegenseitiger und damit gemeinsamer Sicherheit. Die umfassende Sicherheit aller Staaten Europas bedarf der Umsetzung der Beschlüsse der OSZE-Teilnehmerstaaten für eine internationale Gemeinschaft in Frieden, Freiheit, Wohlstand und Sicherheit.

Dafür muss die Zusammenarbeit zwischen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), deren Mitgliedsstaaten und anderen internationalen Akteuren vertieft werden, um eine kooperative Sicherheit zu entwickeln, ohne die es keine Zukunft geben kann. Instrumente zur Sicherung der Vorherrschaft des Rechts sind dabei ebenso zu entwickeln wie Mittel und Strukturen zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.

Regelmäßige Überprüfungsprozesse zur Bewertung der Erfolge und Misserfolge sowie zur Beratung über die Weiterentwicklung der Instrumente und Prozesse zur Etablierung einer nachhaltigen Sicherheit sind dabei unverzichtbar.

Es geht dabei sowohl um eine Begrenzung und Effektivierung der Ressourcennutzung und die Reduktion von Treibhausgasemissionen als auch um den Abbau internationaler Spannungen durch Beendigung des neuen Wettrüstens.

Entspannung internationaler Konflikte

Die internationalen Spannungen, die in der Vergangenheit immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen geführt und die Gefahr eines nuklearen Infernos hervorgerufen haben, sind im Rahmen des Völkerrechts und internationaler Verträge diplomatisch zu lösen.

Der aktuell gefährlichste Spannungszustand, der zwischen den Atommächten China und USA, ist im Rahmen des "Gemeinsamen Kommuniqués über den Aufbau diplomatischer Beziehungen" von 1979 zu bewältigen, das in Bezug auf die China-Taiwan-Frage den Grundsatz "Ein Staat, zwei Systeme" beinhaltet.

Ziel einer nachhaltigen Sicherheitsstrategie ist es, kommenden Generationen eine sozial gerechte, nachhaltig vitale und auf der Einhaltung der Menschenrechte und der UNO-Charta aufbauende demokratische Zukunft zu ermöglichen, in der ein Gleichgewicht zwischen der Nutzung von Ressourcen der Erde und deren Nachwachsen gemeinsames Anliegen aller Menschen ist.

Die Überwindung der Ausbeutung von Mensch und Natur ist seit jeher das Ziel der internationalen Friedensbewegung. Erinnert sei hier an die Göttinger Erklärung von Wissenschaftlern gegen die nukleare Bewaffnung der Bundeswehr 1957 und die wiederholten Warnungen der Ärzteorganisation IPPNW vor dem nuklearen Winter, die während des Kalten Krieges von westlichen Ärzten gemeinsam mit einem sowjetischen Kollegen ausgesprochen wurden.