Frohes neues Jahr, Sie sind entlassen!

Ivan Savvidis. Foto: Wassilis Aswestopoulos

Ivan Savvidis pokert mit Arbeitsplätzen

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Der russisch-griechische-Oligarch Ivan Savvidis hat in den letzten Jahren in Griechenland viel investiert. Der frühere Duma-Abgeordnete und führende Funktionär der Auslandsgriechen erwarb den nordgriechischen Traditionsverein PAOK FC. Über den von ihm erworbenen Mineralwasserhersteller Souroti ist er zudem Hauptsponsor der griechischen Fußballprofiliga Superleague. Savvidis kaufte zusammen mit einem Bieterkonsortium im laufenden Monat den Hafen von Thessaloniki.

Der Unternehmer, der nach eigenen Bekunden ein enger Freund des russischen Präsidenten Vladimir Putin ist, pachtete das Vorzeigehotel Makedonia Pallas in Thessaloniki, er ersteigerte die Mediengrupp Pegasus, zu der die Traditionszeitung Ethnos gehört, sowie einen Minderheitsanteil am DOL-Medienkonzern. Savvidis nennt seit einigen Monaten auch Fernsehsender sein Eigen. Er besitzt den Sender Epsilon TV und kaufte sich vor wenigen Wochen auch Kontra TV.

Savvidis gehört spätestens seit seinem öffentlichen Statement "als ich die Rede (des Premierministers im Parlament im Sommer zum Thema SEKAP) hörte, wollte ich applaudieren, er erinnerte mich an Putin", zu den Fans von Tsipras. Er bemerkte zudem, dass Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis "niemals Premier werden wird".

Der Kauf des Tabakunternehmens SEKAP

Dem Unternehmer, der in Russland vom Tabakfirmenangestellten zum Besitzer des Unternehmens aufstieg, gehört seit 2013 das frühere genossenschaftliche Tabakunternehmen SEKAP. Die SEKAP war zwischenzeitlich in den Besitz der Agrotiki-Bank Griechenlands übergegangen. Diese war auf Betreiben des damaligen Premierministers Antonis Samaras von der Bank an Savvidis verkauft worden. Savvidis wurde geradezu zum Kauf gedrängt, weil der konservative Samaras eine Übernahme durch einen türkischen Investor, die Seba, verhindern wollte. So wollte Samaras die Rettung der 270 Arbeitsplätze als seinen Erfolg feiern.

Die Firma SEKAP hatte jedoch eine pikante Altlast. 2009 war im Hafen von Chalkida auf Euböa eine Schiffsladung mit am Zoll vorbei gehandelten Zigaretten aufgefallen. Die Fahnder von Küstenwache, Zoll und Steuerfahndung ermittelten, dass die fragliche Ware im SEKAP-Werk von Xanthi hergestellt wurde. Das Schiff wurde zufällig aufgrund eines Unwetters und der damit verbundenen Probleme entdeckt. Am 19. Mai 2009 war das Schiff wegen des Unwetters in den Gewässern vor Euboea, wo Ebbe und Flut spürbar sind, auf Grund gelaufen. Empfänger der nicht korrekt verzollten Ware, insgesamt knapp vier Millionen Stangen Zigaretten, war eine Briefkastenfirma aus dem ägyptischen Alexandria.

Der Fall beschäftigte die griechische Justiz. Der Staat trat dabei als Nebenkläger auf. Der frühere Vorstand der Firma wurde mit Haft- und Geldstrafen belegt. Doch auch für die Tabakfirma selbst gab es eine Strafe wegen "versuchten Schmuggels". Der Schmuggel galt als nicht vollendet, weil die Ware das Schiff nicht verlassen hatte, als sie aufgefunden wurde. Mit dem üblichen Tarif von Zoll und Finanzamt wurde die Straf- und Steuerforderung für SEKAP 2015, als die Justiz endlich ein Urteil gegen den früheren Vorstand und das Unternehmen gefunden hatte, zunächst auf 19,5 Millionen Euro taxiert.

Die Strafe drohte dem Unternehmen bereits, als Savvidis es mit seinem russischen Tabakkonzern Donskoy Tabak übernahm. In jüngsten Stellungnahmen erklärt dieser, er habe davon nichts gewusst. Fakt ist, dass sich SEKAP von 2011 bis 2013 in einem Insolvenzverfahren befand und dass Savvidis mehr als 35 Millionen Euro investiert hat. Dabei wurden von 2013 bis 2015 insgesamt knapp 309 Millionen Euro an Steuern und Abgaben für die SEKAP gezahlt. Im April 2017 wurde die SEKAP vom Verwaltungsgericht in Komotini wegen des Vorgangs und weiterer Zollvergehen zusammen mit einem Säumniszuschlag zur Zahlung von 38,2 Millionen Euro verpflichtet.

Die Strafe als Streitobjekt von Regierung und Opposition

Die Regierung befand, dass Savvidis von der Vorgängerregierung getäuscht worden war. Sie versuchte im Sommer mit einer Tropologie, wie die Gesetzesinitiativen im Parlament angehängten sachfremden Regelungen heißen, den Unternehmer von der Strafe zu befreien. Leider hatten die Verfasser der Zahlungsamnestie vergessen, ihrem Werk eine rückwirkende Geltung zu geben. So verpuffte die Tropologie, über die im Parlament erbittert gestritten wurde, vollkommen wirkungslos.

Für Savvidis ging die Odyssee durch die griechische Justiz weiter. Im Dezember bestätigte ein Berufungsgericht in Komotini die Strafe und die Zahlungsverpflichtung. Ebenso wie sämtliche übrige als säumige Zahler eingestufte Griechen und griechischen Unternehmen traf den Multimillionär der Bannstrahl der Verwaltungsstrafe. Der Zoll von Xanthi untersagte SEKAP, obwohl diese eine Zahlungsgarantie von vier Millionen Euro hinterlegt hat, den Verkauf von Zigaretten in Griechenland, bis die Strafe bezahlt ist.

Savvidis reagierte, obwohl die staatlichen Maßnahmen ausgerechnet Weihnachten bekannt wurden, umgehend. Er berief den Verwaltungsrat des Unternehmens ein und dieser beschloss am Donnerstag, SEKAP in die Insolvenz zu führen.

Die am ersten Weihnachtstag herausgegebene Presseerklärung besagt:

Im Rahmen der faktischen Behinderung des Betriebs des Unternehmens aufgrund eines ablehnenden Bescheids des Berufungsgerichts Komotini über die Strafe in Höhe von 38 Millionen Euro für Vergehen, welche 2009 begangen wurden, sowie in Bezug auf die jüngste Entscheidung der Zollverwaltung von Xanthi, welche den Verkauf von Produkten im Inland unmöglich macht, verkündet die SEKAP die Terminierung für eine außerordentliche Verwaltungsratssitzung. Die Sitzung wird am Donnerstag, den 28. Dezember 2018, zusammen mit Experten führender griechischer Unternehmen für Insolvenzrecht stattfinden.

Für die SEKAP wurde ein Zahlungsstopp beschlossen. Die Firma soll im Expressverfahren, sprich mit sofortiger Wirkung, abgewickelt werden.

Die SEKAP steht vor der Insolvenz

Während der außerordentlichen Sitzung des Verwaltungsrats der Firma zum Tagesordnungspunkt der Ergreifung von Sondermaßnahmen wegen des ablehnenden Bescheids des Berufungsgerichts Komotini über die Strafe in Höhe von 38 Millionen Euro für Vergehen aus dem Jahr 2009, in deren Rahmen durch den zuständigen Zoll Einschränkungen der Geschäftstätigkeit des Unternehmens auferlegt wurden, wurde die Entscheidung getroffen, einen sofortigen Zahlungsstopp zu deklarieren, sofern nicht umgehend die bedrohte Geschäftsfähigkeit beziehungsweise Zahlungsfähigkeit wiederhergestellt wird.

Bereits gestern hat der Verwaltungsrat der SEKAP die auf Insolvenzabwicklungsrecht spezialisierte Anwaltskanzlei Serafim Sotiriadis als juristischen Spezialberater berufen.

Am Donnerstag wurde zudem der Firmendirektor ausgetauscht.

Die verbliebenen 170 Arbeitsplätze befinden sich damit in unmittelbarer Gefahr. Es ist anzumerken, dass es bei SEKAP außer einem Personalabbau in der Zwischenzeit auch zahlreiche Lockerungen des Arbeitsrechts sowie Lohnkappungen gegeben hat. Außer den direkt beim Unternehmen Angestellten sind sämtliche Zulieferer von der drohenden Pleite bedroht. Den Tabakbauern der ohnehin strukturschwachen Region droht der Ruin.

Zuspruch erhält die SEKAP von der Lokalpolitik und aus Reihen der Regierung. Es wird von dieser Seite kolportiert, dass sowohl der Gerichtsentscheid als auch der Erlass des Zolls von Anhängern der Opposition getroffen wurden, um der Regierung zu schaden.

Die SEKAP hat gleichzeitig mit ihrer Insolvenzeinleitung einen Antrag auf eine einstweilige Verfügung gegen die Entscheidungen des Berufungsgerichts und des Zolls eingereicht. Darüber soll heute entschieden werden.

Für den Fall, dass keine einstweilige Verfügung erlassen wird, erhalten die Angestellten von SEKAP gleichzeitig mit den Neujahrsgrüßen ihre Entlassungspapiere.