Frühling am Hindukusch
In Afghanistan droht eine Frühlingsoffensive, die Taliban übernehmen die im Irak praktizierten Strategien, das Land steht in Gefahr, bald wieder von einem islamistischen Regime regiert zu werden
Die Welt blickt drei Jahre nach der Irak-Invasion der USA ins Zweistromland. Der „Global War on Terror“, neuerdings der „Long War“, begann jedoch gegen die Al-Qaida und das Taliban-Regime in Afghanistan. Seit fünfundzwanzig Jahren beginnen mit der Schneeschmelze die Vorbereitungen der einzelnen Machtgruppen, um gegen ausländische Invasoren oder auch gegeneinander zu kämpfen. Afghanistan ist trotz der westlichen Präsenz von über 30.000 US- und NATO-Truppen keinesfalls befriedet. Im Gegenteil, die Taliban sind dabei, sich neu zu formieren und die im Irak trainierten Guerilla-Techniken nun auf Afghanistan zu übertragen.
In der kürzlich veröffentlichen Nationalen Sicherheitsstrategie der USA (Die größte Bedrohung geht vom Iran aus) gab sich Präsident Bush halb optimistisch, was Afghanistan anbelangt. Der bisher erreichte Erfolg müsste „konsolidiert“ werden. Das afghanische Volk dürfe sich auf Freiheit und Demokratie freuen. Afghanistan wird als „Landbrücke“ zwischen Zentral- und Südasien und als strategisch wichtige Region für die USA genannt. Und es sei gelungen, die Taliban zu zerschlagen und Al-Qaida ihren Ruhe- und Rückzugsraum zu entziehen. Bushs Militär- und Geheimdienstfachleute behaupten allerdings genau das Gegenteil. Der Einfluss der Taliban und ähnlicher radikaler Dschihadisten, auch von Al-Qaida, sei seit 2001 noch nie so stark gewesen wie heute.
Ähnlich skeptisch sollte auch das Projekt der „Demokratisierung“ Afghanistans mit dem Aufbau eines Staates und Institutionen nach westlichem Vorbild (state and nation building) und erst recht eine Friedenskonsolidierung (peace building) gesehen werden, wenn es nicht gar bereits als gescheitert gelten muss. Da Washingtons politische Eliten den täglich eskalierenden Bürgerkrieg im Irak abstreiten, braucht man sich nicht wundern, wenn auch Afghanistan durch die rosarote Brille betrachtet wird.
Das strategische Umfeld
Michael Scheuer, ein ehemaliger CIA-Analytiker und Leiter der Al-Qaida-Abteilung der CIA, hat in seinem Buch „Imperial Hubris: Why the West is Losing the War on Terror“ im August 2004 eine grundlegende Kritik der US-amerikanischen und westlichen Fehleinschätzungen gegenüber Afghanistan, Al-Qaida und den Taliban geliefert. Da sich seine Prognosen zum Teil zu bestätigen scheinen, seien seine wichtigsten Kritikpunkte sinngemäß zusammengefasst und hier ergänzt:
- Bei den militärischen Planungen seien die wichtigsten Fakten über die afghanische Gesellschaft, was Stammeswesen, Religion und Ethnien anbelangt, vernachlässigt worden;
- Die abschließenden Studien des sowjetischen Generalstabs über die Niederlage der Sowjets in ihrem dreizehnjährigen Kampf zwischen 1979 und 1992 seien ignoriert worden;
- Die Vorstellungen der Neocons, mit der Beseitigung eines menschenrechtsverachtenden Regimes könne sofort mit einer Demokratisierung begonnen werden, seien mehr als naiv gewesen;
Scheuer stellte in seinem Buch sieben Thesen über die Zukunft Afghanistans auf, die jetzt, eineinhalb Jahre später, einer Realitätsprüfung unterzogen werden können, was hier jedoch im Detail nicht geleistet werden kann.
- Minderheiten können in Kabul regieren, aber nicht lange. Nur eine langfristige und massive Truppenpräsenz könne den Sturz des Regimes von Hamid Karsai verhindern.
- Die Afghanen, auf die es ankomme, seien xenophobe und tribalistische Muslime.
- Afghanen könnten nicht „gekauft“ werden, weder materiell, noch ideologisch. “Afghans will always take your money, but afterwards they do what you want only if they were going to do it anyway. So stubbornly contrary are the Afghans, moreover, that they may well take your money and then decide not to do what they had intended just to avoid appearing to you your bidding. America, Saudi Arabia, and other States send billions of dollars in cash, weapons, bribes, salaries, and supplies to the Afghan resistance … and many U.S. officials and politicians spoke as if the Afghans therefore had been under our command. In truth, the Afghan jihadists took all the swag we and others could deliver and then did what they would have done without it - they killed Russians. The Afghans consistently refused to attack, move or speak as we directed, asked, suggested, or pleaded, no matter how much financial support we provided.”
- Starke Regierungen in Kabul führen zu Krieg. Die Geschichte Afghanistans und die politische Struktur und Differenzierung anhand ethnischer, stammesgeschichtlicher und sprachlicher Trennlinien hätten niemals ein starkes, zentralistisches Regime ermöglicht.
- Afghanistan sei massiven strategischen Interventionen all seiner Nachbarn ausgesetzt. Ein „geeintes und stabiles Afghanistan“ werde zwar von den Nachbarn verbal gewünscht, die Definitionen darüber gingen jedoch erheblich auseinander.
- Pakistan benötige und strebe ein islamistische, von den Paschtunen dominiertes afghanisches Regime im Stil der Taliban an.
- Früher oder später wird es wieder ein islamistisch dominiertes Regime in Kabul geben.
Das Wiedererstarken der Taliban und Al-Qaida in der Region
Der Oberkommandierende des U.S. Central Command, der sowohl für Irak wie auch für Afghanistan zuständige General Abizaid hat am 15. März 2006 vor dem Streitkräfteausschuss des U.S. Repräsentantenhauses eine gesteigerte Aktivität der Taliban und Al-Qaida bestätigt:
- Al-Qaida beabsichtige, weiterhin Ruhe- und Rückzugsräume in Afghanistan zu etablieren;
- die Führungskräfte der Al-Qaida operierten von Pakistan aus;
- Vernetzungen bestünden mit den Taliban, dem „Haqqani Tribal Network“ sowie mit „Hezb-i-Islami Gulbuddin“.
Das oberste Ziel der militärischen Operation in Afghanistan der US-amerikanischen und verbündeten Spezialeinheiten, wozu auch die deutsche KSK zählt, sei es, Al-Qaida-Terroristen zu töten und festzunehmen („to kill and capture“, in dieser Reihenfolge wird es mehrfach erwähnt).
Auch der Direktor der Defense Intelligence Agency (DIA), des Nachrichtendienstes des Pentagon, General Michael Maples bestätigte vor dem Streitkräfteausschuss des U.S. Senats am 28. Februar 2006, dass Al-Qaida weiterhin aus ideologischen und operativen Gründen … von Afghanistan aus agieren werde und dass die Taliban und andere militante Gruppen Al-Qaida-Taktiken (gemeint sind die im Irak praktizierten Anschläge mit improvisierten Sprengkörpern, IEDs) auf Afghanistan übertragen würden. Gegenüber 2004 seien die „normalen“ Attacken 2005 um 20% angestiegen, die Selbstmordanschläge hätten sich vervierfacht und die Anschläge mit IEDs hätten sich verdoppelt. Maples resümiert:
We judge insurgents now represent a greater threat to the expansion of Afghan government authority than at any point since late 2001, and will be active this spring.
Zahlreiche Quellen bestätigen diesen Trend. Die im Irak entwickelten Methoden der Guerilla-Kriegsführung werden offenbar auf DVDs nach Afghanistan „exportiert“. Die Asia Times, die davon am 15. März 2006 berichtete, behauptet auch, dass zumindest 500 und demnächst mehr im Irak „trainierte“ Dschihadisten nach Afghanistan zurückkehren werden, um die dort erlernten Taktiken anzuwenden (vgl. Islamischer Staat in Waziristan?). Bedürfte es noch einen weiteren Beweises, dass die Irak-Invasion der USA zu einem globalen Terror-Brandbeschleuniger wurde, so ist er hiermit erbracht. Bemerkenswert dabei ist die Tatsache, dass dies sowohl von Kritikern der US-Militärintervention, wie auch von US-Militärs und -Geheimdienst-Fachleuten auf sachlicher Ebene außer Streit steht, jedoch von der US-Politik nicht zur Kenntnis genommen und abgestritten wird. Das plötzliche Verschwinden oder die Auflösung der Taliban nach der Offensive der Nordallianz im Herbst 2001 erklärt sich nicht durch deren Aufgabe, sondern schlicht und einfach durch die Rückkehr der Kämpfer in ihre Provinzen und zu ihren Stämmen.
Pakistans Einfluss
Der pakistanische Geheimdienst ISI (Inter Services Intelligence) gilt als einer der obskursten und unkontrollierbarsten Geheimdienste weltweit und als ein eigener Machtapparat in Pakistan. Er bildete mit Wissen, Zustimmung und Unterstützung der USA und der Saudis in den 1980er Jahren über 80.000 Dschihadisten im Kampf gegen die Sowjets aus. Danach unterstützte der ISI aktiv den Aufstieg der Taliban.
Bis heute ist diese Unterstützung, trotz der offiziellen Bündnistreue Pakistans zu den USA, nicht abgerissen. Sowohl bei der Schlacht um Tora Bora, bei der Osma Bin Laden entkommen sein soll, wie auch bei jener um Shahi Kowt haben Pakistans Behörden keine Anstrengungen unternommen, um die die Grenzen zwischen Afghanistan und Pakistan überschreitenden Al-Qaida oder Taliban-Einheiten zu verfolgen oder festzusetzen. Vielmehr gibt es zahlreiche Indizien dafür, dass ein gegenwärtiges Insistieren der Karsai-Regierung zu Spannungen mit Pakistan führt. Die pakistanische Politik oder vielmehr die der ISI unterstützt nach wie vor die Taliban sowie ähnlich gesonnene Dschihadisten, um ihren früheren Einfluss in Afghanistan zurückzuerlangen.
Der pakistanische Journalist Ahmed Rashid behauptete rund um den unerwarteten Staatsbesuch von Präsident Bush Ende Februar 2006 in der Washington Post, Bin Laden befände sich in Pakistan und Bush sei ihm noch nie so nahe gewesen, wie bei diesem Staatsbesuch. Neue Konzentrationen von Taliban und Dschihadisten auf pakistanischer Seite im Stammesgebiet von Waziristan deuten ebenso darauf hin. Vorwürfe, Pakistans ISI sei gerade dabei, veraltete Stinger-Raketen („manpads“) der Taliban mit neuer Hardware auszustatten, bestärken diesen Eindruck. Die soeben von Afghanistans Außenminister Abdullah vorgebrachte Anschuldigung, Bin Laden und Al-Ayman Zawahiri befänden sich in Pakistan und dort seien auch Trainingscamps der Taliban, sind zwar nicht überprüfbar, verdeutlichen jedoch die zunehmenden Spannungen zwischen Pakistan und Afghanistan.
Der zweifelhafte Erfolg der Demokratisierung und der Friedenskonsolidierung
Der am Bonner Petersberg begonnene Prozess (Petersberg-Prozess) hatte die Absicht, die Fehler, die nach dem Abzug der Sowjettruppen 1992 begangen wurden, nämlich Afghanistan in einem politischen und strategischen Vakuum zu belassen, nicht wiederholen zu wollen (Warten auf Demokratie). Mit großem Optimismus wurden eine Staatenbildung sowie eine Friedenskonsolidierung in Aussicht gestellt. Dieser Prozess resultierte in einer verfassungsgebenden Versammlung (Weißer Rauch aus dem Zelt) und schließlich im Dezember 2005 in den ersten freien Wahlen seit 1969 (Warlords, Stammesfürsten und Fundamentalisten sind trotz Wahlen weiterhin an der macht). Analysiert man die neue afghanische Verfassung (Kein Gesetz darf den Prinzipien des Islam widersprechen), so sind die ersten drei Artikel am wichtigsten:
Article One
Afghanistan shall be an Islamic Republic, independent, unitary and indivisible state.
Article Two
The sacred religion of Islam is the religion of the Islamic Republic of Afghanistan. Followers of other faiths shall be free within the bounds of law in the exercise and performance of their religious rituals.
Article Three
No law shall contravene the tenets and provisions of the holy religion of Islam in Afghanistan.
Afghanistan ist eine islamische Republik. Der Islam ist Staatsreligion. Kein Gesetz darf in Widerspruch zu den Grundsätzen und Vorschriften des Islam stehen. Die von Seiten des Westens hineinreklamierten Menschenrechte, Frauenrechte, Minderheitenrechte, die Rechtsstaatlichkeit, die Standards von Gewaltverzicht, der übliche westliche Kanon an zivilgesellschaftlichen Rechten und Pflichten wird schon allein dadurch entwert, indem er nicht in Widerspruch zu einer islamischen Rechtsauslegung stehen soll. Die in der afghanischen Verfassung verankerte Religionsfreiheit hinderte ein afghanisches Gericht soeben jedoch nicht, für einen zum Christentum konvertierten Muslim die Todesstrafe zu fordern (Todesstrafe für einen zum Christentum konvertierten Muslim?).
Die westlichen Demokratien fußen in ihrer jetzigen Form und politischen Verfasstheit auf den Werten der Aufklärung, der Französischen Revolution, einer Trennung von Religion und Staat und der Universalität von Bürger-, Freiheits- und Menschenrechten. Auf Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung. Von der Unmündigkeit des Feudalismus und Absolutismus bis hin zum modernen Verfassungsstaat hatten die entwickelten Demokratien einen langen Weg zurückzulegen. Für Afghanistan (Irak, Iran und alle weiteren „Demokratisierungskandidaten“) soll dies nun im Schnellverfahren möglich sein?
Die Wahl zur afghanischen Nationalversammlung zeichnete sich durch eine für europäische Verhältnisse äußerst geringe Wahlbeteiligung von 53% aus. Das Oberhaus (Meshrano Jirga) besteht aus 102 Mitgliedern, davon wurde ein Viertel direkt von Präsident Karsai ernannt. Ein weiteres Viertel wurde in den Provinzen ernannt. Die restliche Hälfte gewählt. Das Unterhaus (Wolesi Jirga ) besteht aus 249 Abgeordneten. Es wurde direkt gewählt, allerdings nicht über Parteien oder Listen. Auch nicht über ein Verhältnis-, sondern über ein Mehrheitswahlrecht, entgegen allen Ratschlägen der Vereinten Nationen und der EU. Vielmehr setzte sich der damalige US-Botschafter Zalmay Khalilzad durch, der eine starke Zentralregierung befürwortete und kein wirkliches Interesse an einer echten politischen Partizipation der Provinzen zeigte.
Die Homepage der afghanischen Nationalversammlung enthüllt bis heute nicht, wer denn nun die einzelnen Abgeordneten und Senatoren der beiden Kammern sind. Es wäre auch zu peinlich, denn es würde sich herausstellen, dass zahlreiche frühere und heutige Kriegsfürsten und Dschihadisten dort ebenso wieder zu finden sind wie Regionalkommandeure der Taliban (vgl. "Die Welt ist bereit, uns zu vergessen"). Die Kämpfer der Taliban wurden bislang weder durch die Eroberung Kabuls durch die Nordallianz, noch durch die zahlreichen nadelstichartigen Militäroperationen wirklich an ihrer Substanz geschwächt. Viele der damaligen Kämpfer haben sich einfach in ihre Provinzen und Dörfer zurückgezogen und sind zu ihren Stämmen zurückgekehrt.
Es kann somit davon ausgegangen werden, dass das afghanische Parlament als gesetzgebendes Organ von kaum jemandem in diesem Staat mit politischer Macht ernst genommen wird. Vielmehr scheint es so zu sein, dass Hamid Karsai und sein engster Kreis ein klassisches Patronanz-System politischer Herrschaft etabliert haben, das auf Nepotismus und der wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen den Machtinhabern und ihrem Klientel beruht. Dies steht zwar nicht in Widerspruch zur afghanischen politischen Ideengeschichte schlechthin, sehr wohl aber in Widerspruch zur Entwicklung einer parlamentarischen Demokratie nach westlichem Vorbild.
Ein Fortschritt bei der Friedenskonsolidierung wird sich weiterhin daran messen lassen müssen, wie weit sich ein gewaltärmerer und als Ziel ein gänzlich gewaltfreier Interessensausgleich zwischen den verschiedenen Ethnien, Machgruppen und Provinzen erzielen lassen wird.
Afghanistan ist ein „Narco-State“
Afghanistan wurde in den letzten beiden Jahren zu dem Drogen-Problemstaat schlechthin. US- und UN-Berichte bestätigen das. Die UN-Drogenbehörde „Office on Drugs an Crime“ und das Afghanische Ministerium für Drogenbekämpfung veröffentlichten im Februar 2006 einen gemeinsamen Bericht. Der Opium-Anbau für die Saison 2006 sei in dreizehn Provinzen angestiegen, in sechzehn Provinzen gleich geblieben und in drei Provinzen abnehmend gewesen. Der „Ab-Hof-Preis“ für getrocknetes Roh-Opium betrage 144 US-$, der für frisches Roh-Opium 113 US-$ pro kg
Die in diesem Bericht aufscheinenden Grafiken über die Anbauterritorien für Mohn sind zum Teil deckungsgleich mit den nichtkontrollierbaren Gebieten durch die Zentralmacht und gleichzeitig Rückzugsgebiete der Taliban. Konservative Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 50% des Bruttoinlandsproduktes Afghanistans durch den Mohnanbau und die Opium- und Heroin-Produktion gewonnen werden. Die Exportrouten führen auf dem Landweg über den Iran und die Türkei nach Europa. Der Profit ist, wie immer in der „Landwirtschaft“ für die „Bauern“ am geringsten, aber ihre Lebensgrundlage, für die Händler und Exporteure in diesem Fall jedoch astronomisch. Die Narco-Kartelle und die Kriegsfürsten sind die Hauptprofiteure davon.
Stabilisierung durch Militäroperationen?
In Afghanistan finden derzeit verschiedene Sicherheits- bzw. Militäroperationen statt.
Erstens. Den inneren Personenschutz des Regimes von Hamid Karsai erledigen private amerikanische Sicherheitsfirmen.
Zweitens. Den äußern Schutz der Hauptstadt Kabul und der unmittelbaren Umgebung übernimmt die NATO International Security Assistance Force (ISAF), die gleichzeitig für friedensunterstützende und friedenssichernde Maßnahmen bereit steht. Als Auftrag wird angegeben:
- Assisting the Afghan government in extending its authority across the country;
- Conducting stability and security operations in co-ordination with the Afghan national security forces;
- Assisting the Afghan government with the security sector reform process;
- Mentoring and supporting the Afghan national army;
- Supporting Afghan government programmes to disarm illegally armed groups.
Eingeschlossen sind Maßnahmen zur Unterstützung der afghanischen Regierung zur Bekämpfung des Drogenhandels auf deren Anforderung. Ausdrücklich ausgenommen davon sind Maßnahmen zur militärischen Bekämpfung des Drogenanbaus und -handels.
NOT participating in poppy eradication or destruction of processing facilities or taking military action against narcotics producers.
Mission Statement der NATO
Mit anderen Worten. Die NATO, das stärkste Militärbündnis der Welt, will sich nicht direkt mit den Narco-Kartellen und Drogenbaronen in Afghanistan anlegen, obgleich bekannt ist, dass diese Hand in Hand mit den Dschihadisten arbeiten. Es gibt verschiedene mögliche Interpretationen. Erstens: allgemeine Ignoranz und Torheit. Zweitens: Die ISAF-Mission ist primär auf friendesunterstützende Maßnahmen, Wiederaufbau und Versöhnung ausgelegt, möchte ihren Ruf nicht ruinieren und fürchtet Vergeltungsmaßnahmen und Anschläge aus dieser Ecke. Drittens: Die Narco-Kartelle und Drogenbarone sollen in den politischen Prozess eingebunden zu werden, da sie bereits zu mächtig sind.
Es ist somit nicht auszuschließen, dass die ISAF in Afghanistan die Verkehrswege sichert, auf denen dann womöglich die Drogentransporte Richtung Europa stattfinden. Bis heute sind unter diesem ISAF-Mandat etwa 8.500 Soldaten stationiert, die demnächst auf etwa 15.000 aufgestockt werden und auch in den südlichen Provinzen friedensunterstützende und friedenssichernde Maßnahmen durchführen sollen. „Klassische“ Kampfeinsätze zur „Terroristenjagd“ und „Aufstandsbekämpfung“ sind für diese NATO-Mission nicht vorgesehen. Ein Mandat zur Selbstverteidigung sehr wohl. Anlässlich der weiteren Entsendung von 3.300 britischen Truppen unter einem erweiterten ISAF-Mandat in die südliche Provinz Helmand, die als Hochburg der Taliban und anderer Dschihadisten gilt, werden nun auch aus britischen Militärkreisen Stimmen laut, die - entgegen der öffentlichen Rhetorik eines baldigen Abzuges - von einer langfristigen Stationierung von NATO-Truppen, nämlich von bis zu zwanzig Jahren, ausgehen.
Drittens. Die Militäroperationen gegen Al-Qaida und Taliban firmieren unter dem Einsatznamen „Operation Enduring Freedom“ (OEF) der USA, die am 7. Oktober 2001 begann. Diese Mission ist von ihrem Auftrag unabhängig von der ISAF. Den Oberbefehl haben die USA. In der Praxis dürfte es bei der Koordination Überschneidungen geben. Dafür sind etwa 20.000 U.S. Soldaten stationiert, sowie knapp 5.000 verbündete. Den regionalen Oberbefehl hat das Combined Forces Command - Afghanistan (CFC-A) in Kabul, das dem Central Command (CENTCOM) untergeordnet ist. Die zentrale Mission ist „search and destroy“ bzw. „kill and capture“. Den US-Landstreitkräften, die zwar über eine große Mobilität per Helikopter verfügen und über Aufklärungskapazitäten per Satelliten und Drohnen und die jederzeit Luftunterstützung anfordern können, mangelt es jedoch an höhentauglichen Einsatzkräften mit landeskundlichen und topographischen Kompetenzen. Die Taktik scheint vorwiegend darin zu bestehen, schnell zuzuschlagen, schnell wieder zu verschwinden und sich keinerlei permanenter Angriffspunkte in schwierigem und fremdem Terrain auszusetzen.
Viertens. Der „Operation Enduring Freedom“ sind „special forces“ zugeordnet, zu denen auch das britische SAS sowie die deutsche KSK zählten oder noch immer zählen. Ihre Mission ist „search and kill and capture“. Das Special Operations Command (SOC) des U.S. Militärs hat soeben bekannt gegeben, dass derzeit 7.000 „special forces“ „in fighting the war on terrorism“ im Einsatz seien. Die Gesamttruppenstärke der „special forces“ betrage knapp ein Dreifaches.
Fünftens. Unabhängig von der Befehlskette des U.S. Militärs operiert die CIA mit eigenen paramilitärischen Einheiten und eigenem Gerät sowohl in Pakistan, wie auch in Afghanistan. Wie weit diese Einsätze mit dem US-Militär akkordiert sind, ist schwer zu beurteilen. Die versuchte Tötung von Ayman Zawahiri, der Nummer Zwei der Al-Qaida, am 13. Januar 2006 auf pakistanischem Staatsgebiet war eine solche CIA-Operation (Anschlag in der Nacht). Die CIA verwendet eine Drohne mit einer Luft-Boden-Rakete. Ayman Zawahiri war jedenfalls nicht an diesem Ort, ca 20 Personen wurden dabei getötet. Die Operation fand angeblich außerhalb der Kommando-Kette des US-Militärs statt.
Nachdem vieles dafür spricht, dass das Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan auch heute noch zum Ruhe- und Rückzugsraum der Al-Qaida zählt und dass in diesem Frühjahr bis Sommer mit einer Offensive der Dschihadisten in beiden Staaten gerechnet werden muss, stellt sich die Frage, inwieweit die Methoden des Militärs zum Aufbau einer pro-westlich orientierten Zivilgesellschaft hilfreich sein können. Auf der einen Seite wird im Rahmen der ISAF versucht, Kriegsfürsten zu entwaffnen und eine bis an die Zähne bewaffnete Gesellschaft zu demilitarisieren. Auf der anderen Seite sind die Maßnahmen der westlichen Staaten zum Aufbau einer afghanischen Zivilgesellschaft absolut unterrepräsentiert. Wenn sich die Strategie hier nicht verändert, wird Afghanistan erneut und vollständig in Bürgerkrieg und Anarchie abgleiten, so wie dies derzeit im Irak geschieht, in dem dieser Prozess wohl durch keine Intervention mehr gestoppt werden kann.
Georg Schöfbänker ist Politikwissenschafter und betreibt das Österreichische Informationsbüro für Sicherheitspolitik und Rüstungskontrolle in Linz.